Skandal um „Der Marktplatz“ von Jan van der Heyden beendet

Dombauverein Xanten gibt Nazi-Raubkunst an Erben zurück

In Xanten geht ein veritabler Skandal zu Ende: Der Dombauverein gibt ein gutgläubig erworbenes Gemälde an die Erben einer jüdischen Familie in Wien zurück. Das Bild aus dem 17. Jahrhundert war zunächst von den Nazis konfisziert worden.

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Jahrzehntelang hing das Bild „Der Marktplatz“ von Jan van der Heyden (1637-1712) im Geschäftszimmer des Dombauvereins. Bis der Dombauverein in den Strudel der Naziraubkunst gerissen wurde. Jetzt hat sich der Dombauverein entschlossen, das Bild an die Familie Kraus zurückzugeben.

„In Anerkennung des verbrecherischen Unrechts, das die Familie Kraus durch das Nazi-Regime erleiden musste, hat der Xantener Dombauverein mit einstimmiger Zustimmung der Mitgliederversammlung auf sein über 50 Jahre gutgläubig erworbenes Eigentum an dem Gemälde verzichtet, nachdem die Eigentumsrechte der Erben geklärt worden sind, um es an die rechtmäßigen Erben der Familie Kraus herauszugeben“, schreibt Hans-Wilhelm Barking, Vorsitzender des Dombauvereins, in einer Pressemitteilung.

Das soll nun am 21. März geschehen. Dazu werden den Angaben zufolge Vertreter der Familie Kraus als Nachfahren der Erben aus New York und die Geschäftsführerin der Non-profit-Organisation „Commission for Looted Art“ in Europa, Anne Webber, nach Xanten kommen.

 

Wien – New York – Xanten

 

Mit der Übergabe findet ein veritabler Skandal um das Bild ein Ende. Nachdem das Bild eine lange Zeit aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden war, meldete sich 2004 die Israelitische Kultusgemeinde Wien bei einem Erben der Wiener Familie Kraus, dem New Yorker Rechtanwalt John Gaykowski. In einem Interview mit „Zeit-online“ warf der Anwalt damals dem Xantener Dombauverein vor, das Bild wider besseren Wissens aus Habgier nicht herausgeben zu wollen.

Für dessen Vorsitzenden Barking damals unhaltbare Vorwürfe. „Wir haben doch das Bild sofort gemeldet, als bekannt wurde, dass das Marktplatzbild als Raubkunst einzustufen ist“, sagte er 2016 zu „Kirche+Leben“. Und: Man habe die „Koordinierungsstelle Magdeburg“, die im Januar 2015 in der Stiftung „Deutsches Zentrum Kulturverluste“ aufgegangen war, gebeten, zu vermitteln. „Wir möchten eine faire und gerechte Lösung auf der Basis der Washingtoner Erklärung“, sagte Barking damals.

 

Von der jüdischen zur Familie von Hitlers Leibfotograf

 

Während der Nazi-Herrschaft inventarisieren der Nationalsozialist Josef Weinhandl und seine Assistentin Erna Melchor im Auftrag der Gestapo die Einrichtung und damit auch das Bild van der Heydens in der Wiener Wohnung des tschechischen Konsuls Gottlieb Kraus. Der vermögende Jude liebt und sammelt Kunst. Als die Nazi-Schergen in der Wohnung erscheinen, ist die Familie Kraus bereits in die USA geflüchtet. Bis auf ihr Leben haben sie alles verloren.

Das Bild van der Heydens gelangte 1960 beziehungsweise 1962 zu einem Preis von 300 Mark  von einer Treuhandstelle für Kulturgut an Henriette Hoffmann-von-Schirach, Ehefrau des früheren Reichstatthalters und Reichjugendführers Baldur von Schirach. Sie war die Tochter von Heinrich Hoffmann, dem Leibfotografen von Adolf Hitler und einem „Nazi der ersten Stunde“, wie Barking vermerkte. 1963 ersteigert es der Xantener Dombauverein im Kölner Auktionshaus Lempertz für 16.100 Mark. Die Herkunft des Bildes sei damals nicht bekannt gewesen.

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