BIBEL AM SONNTAG (21. SONNTAG/C)

Pater Ralph Greis: Warum die Lebenstür so eng ist

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Wie bekommt man Einlass in das Reich Gottes? Pater Ralph Greis OSB widmet sich dieser Frage und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

„Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“ Wörtlich spricht der Evangelist Lukas vom Kämpfen, im Sinn eines sportlichen Wettkampfs. Muss man für das Reich Gottes etwa besser sein als die Anderen oder ist gar der Einsatz der Ellbogen gefragt? Immerhin werden später die frühen Mönche dieses Wort für ihren Kampf gegen die Sünde, gegen das Böse im eigenen Inneren verwenden.

Laut einer Textpassage vor unserem Evangelium heilt Jesus eine kranke Frau. Sie hat nicht um seine Aufmerksamkeit kämpfen müssen, hat ihn nicht einmal um Hilfe gebeten. Anschließend spricht Jesus vom Reich Gottes. Wie Senfkorn und Sauerteig wächst und wirkt es von sich selbst her, ohne dass wir etwas „machen“ oder darum kämpfen müssten. Aber dann kommt die enge Tür.

Wie komme ich ins Reich Gottes?

Die Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C zum Hören finden Sie hier.

Warum ist diese Tür so eng, warum scheitern so viele daran? Haben wir zu viel Gepäck dabei, das wir unbedingt mitnehmen wollen? Passen wir deshalb nicht hindurch, weil unser Ego zu sehr in die Breite gegangen ist?

Damals sind sicher die politisch-messianischen Vorstellungen ein Hindernis, die sich die Jünger Jesu von einem ziemlich irdischen Reich Gottes gemacht haben. Manche von ihnen wollen eigentlich ganz woanders hin. Wissen wir Theologinnen und Theologen heute vielleicht auch etwas zu genau, was das Reich Gottes ist, was man tun muss, um hineinzukommen, und wer draußen bleiben muss?

Nicht aufgeben

Dann geht die enge Tür auch noch zu: „Ich weiß nicht, woher ihr seid“, sagt der Hausherr. Vielleicht sind wir ja nicht wiederzuerkennen durch all das Selbstgemachte, mit dem wir uns behängt und dekoriert haben, weil uns die geschöpfliche Gottebenbildlichkeit nicht gut genug war.

„Wir wollen eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten“, sagt der heilige Benedikt im Prolog zu seiner Ordensregel. Ein Leben lang müssen wir in dieser Schule unterscheiden und entscheiden lernen, was wir mitnehmen und wovon wir uns besser freimachen sollten. Dieser Weg, so Benedikt, „kann am Anfang nicht anders sein als eng“ – je nachdem, was wir alles dabei haben. Wer aber bei solchen Engpässen nicht aufgibt, sondern abgibt, dem „wird das Herz weit“. In einer solchen Weite des Herzens greift das Reich Gottes schon Raum.

Grenzen ja, Züchtigung nein

Von Schule und Erziehung spricht auch die zweite Lesung aus dem Hebräerbrief. Ich glaube freilich, dass Prügel niemals ein geeignetes Mittel der Erziehung gewesen sind, und bin froh, dass ich nie geschlagen worden bin. Zweifellos bedeutet Erziehung nicht nur Lob und Taschengeld, sondern auch das klare Aufzeigen von Grenzen. Eine echte Zurechtweisung, eine Weisung zum Rechten braucht aber, ja verträgt keine körperliche Züchtigung. Die hat auf dem rechten Weg nichts verloren.

Mancher Mitmensch hat – auch im Namen der Kirche – derartige Verletzungen und Narben davongetragen, dass er heute gar nicht mehr durch die Tür im Evangelium gehen will. Wie diejenigen hindurch gelangen, die ihre Hand gegen Kinder erhoben haben, darüber steht mir kein Urteil zu.

Ballast loswerden

Ich hoffe auf eine Erziehung, auf eine Zurechtweisung des Herrn, die uns hilft, unseren ganzen Ballast zu erkennen und loszuwerden, damit wir durch die enge Tür passen und in einem geweiteten Herzen sein Reich schon beginnen kann.

In der ersten Lesung muss niemand um Einlass kämpfen. Der dritte Teil des Jesajabuches weitet den Horizont der Erlösung auf die Völker der Erde: Gott selbst wird alle Nationen und Sprachen versammeln, so wie Jesus sie aus allen Himmelsrichtungen kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen sieht. Durch welche Tür müssen sie hindurch? Was müssen sie draußen lassen? Ihre Götter, Nationalismus und Chauvinismus? Oder gar die Vorstellung, dass die „Anderen“ nicht hinein dürfen?

Kampf gegen das eigene Böse

Der Weg durch die enge Tür könnte doch zu einem Wettkampf im Guten werden, wer die größten hinderlichen Dinge ablegt, wer nicht mehr gegen die Anderen kämpft, sondern gegen das eigene Böse. Wer es hingegen mit den Ellbogen versucht, wird wohl nicht hineinkommen.

Bei Jesaja werden die anderen Völker die Kinder Israels nach Hause bringen, und das nicht bloß bis vor die Tür. Das ist der priesterliche Dienst, der uns allen aufgetragen ist: „Der freie Mensch ist dem Nächsten geweiht, niemand kann sich ohne die Anderen retten“, schreibt Emmanuel Lévinas.

Wer dazu freiwillig hinten bei den Letzten geht, kann achtgeben, dass niemand verloren geht. Und ist auch selbst dabei.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C finden Sie hier.

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