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Dass die Kirche sparen muss, ist klar. Doch ausgerechnet auch bei der beliebten Kirchenmusik? Holger Zaborowski warnt vor verheerenden Signalen.
Die katholische Kirche setzt wieder den Kürzungsstift an. Dieses Mal hat es – unter anderem – den Allgemeinen Cäcilienverband e. V. getroffen, den Dachverband für die katholische Kirchenmusik in Deutschland. Dass Musik viele Menschen anspricht, innerlich bewegt und in die Kirchen führt, scheint für die Entscheidung des Verbandes der Diözesen Deutschlands keine Rolle zu spielen.
Mittlerweile werden Unterschriften gegen diese Entscheidung gesammelt. Man kann bezweifeln, ob das viel bringt. Dabei ist die Summe, die durch diese Entscheidung eingespart wird, angesichts anderer Ausgaben verschwindend gering.
Spannung zwischen Kultur und Kirche
Der Autor
Holger Zaborowski ist Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Er wurde in Rees-Haldern geboren und wuchs in Bocholt auf.
Ohne Frage: In Zeiten knapper werdender Mittel muss auch viel Gutes in Frage gestellt werden. Doch ist es sinnvoll, gerade hier anzusetzen? Und zeigt sich im Hintergrund dieser Sparmaßnahme nicht eine grundsätzliche Geringschätzung des Kulturellen unter vielen Kirchenleuten? Kultur als „äußerer Schein“, der den eigentlichen Kern nicht betrifft. Ein Luxus, nicht relevant für das Kirchensystem.
Und wenn man doch mal was Kulturelles macht, dann darf’s nichts kosten. Kein Wunder, dass das Verhältnis zwischen Kirche und Kultur – von Ausnahmen abgesehen – seit langem so spannungsvoll ist. Doch gibt eine Kirche, die mit der Kultur fremdelt, sich selbst auf.
Kultur ist bunt
Kult und Kultur haben nämlich nicht nur eine gemeinsame Wortwurzel. Sie sind auch der Sache nach engstens miteinander verbunden. Das Christentum hat nicht nur das kulturelle Leben geprägt, sondern ist auch von ihm bereichert worden. Kirchen- und Kulturgeschichte lassen sich nicht trennen. Das ist kein Zufall.
Menschen wollen nicht bloß irgendwie leben. Sie wollen gut leben. In diesem Wunsch, in der Sehnsucht nach dem Guten, eröffnen sich die weiten Felder des Kulturellen. Diese beschränken sich nicht auf das, was man „Hochkultur“ nennt. Sie sind so bunt wie das Leben selbst.
Prophetie in der Kultur
Wenn die Kirche sich auf diesen Feldern tummelt, tut sie genau das, was sie tun soll: für Menschen da zu sein. Sie begleitet Menschen auf ihren Lebenswegen. Sie bringt Menschen zusammen und macht das Leben schöner. Sie eröffnet Erfahrungsräume, in denen sich Spuren Gottes zeigen können. Sie ist, in einem Wort, caritativ tätig. Kultur, ein Dienst der Nächstenliebe.
In Kunst und Musik, in Dichtung und Literatur, in Film und Theater erklingen außerdem viele prophetische Stimmen, Menschen, die etwas vom geheimnisvollen Gott erahnen lassen. Sollte eine Kirche, die selbst arm an solchen Stimmen geworden ist, nicht diesen Menschen Gehör schenken? Sollte sie sich dies nicht auch etwas kosten lassen? Und wäre das, da auch staatlicherseits im Kulturbereich so viel gekürzt wird, nicht ein wichtiges Zeichen – gerade mit Blick auf den so notwendigen, so gefährdeten Zusammenhalt der Gesellschaft?
In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.