SICHTWEISEN

Trost

Wenn die Tage dunkler werden, geht das aufs Gemüt. Nicht minder die Abschiedlichkeit des Herbstes. Wie da Zuspruch gelingen kann.

29. Oktober 2025

Text: Michelle Engel | Foto: Engin_Akyurt (pixabay)

Der Herbst hat seine eigene Stimmung. Die Tage werden kürzer, die Sonne steht tiefer, die Natur zieht sich zurück. Für viele ist es eine Zeit, in der Melancholie spürbarer wird. Überall sehen wir Vergänglichkeit: abgefallene Blätter, leere Felder, kühle Abende. Und manchmal spüren wir diese Vergänglichkeit im eigenen Herzen – in Form von alten Verlusten, nicht erfüllten Wünschen oder Sorgen, die schwer auf uns lasten.

Wenn die Welt so auf den Schultern liegt, dann sehnen wir uns nach Trost. Aber Trost ist kein schneller Schmerzstiller. Er nimmt nicht einfach die Probleme weg. Trost bedeutet vielmehr: Ich bin nicht allein. Jemand hält mit mir aus. Jemand trägt ein Stück meiner Last. Trost verändert die Umstände oft nicht – aber er verändert, wie wir sie tragen.

Trost kommt nicht laut

SICHTWEISEN
Ein Wort, ein Bild, ein Gedanke - das sind die “Sichtweisen”, die einmal in der Woche ins Nachdenken bringen wollen, Welten eröffnen, Leben entdecken, Gott suchen helfen. Menschenlebensnah und gottverbunden. Jeder Monat wird von einer Autorin oder einem Autoren textlich gestaltet; die Redaktion von Kirche+Leben sucht zu dem jeweiligen Stichwort frei ein Foto.

Trost zeigt sich meistens leise. Er kommt nicht mit lauten Worten oder schnellen Ratschlägen. Trost ist der Blick, der bleibt. Das Zuhören, ohne sofort zu bewerten. Die Umarmung, die nicht fragt, sondern einfach hält. Trost steckt in einem Satz wie: „Ich bin da.“ Mehr braucht es manchmal nicht.

Die Bibel beschreibt Gott als „Gott allen Trostes“. Damit ist nicht gemeint, dass er alles Leid sofort wegnimmt. Sondern dass er an unserer Seite ist, wenn wir leiden. Dass er uns Menschen schickt, die uns begleiten. Dass er durch kleine Momente spürbar wird: in einem Gespräch, in der Natur, in einem Lied, das plötzlich mitten ins Herz trifft.

Trost braucht Ehrlichkeit

Auch im Alltag ist Trost möglich – und wichtig. Es kann die Freundin sein, die zuhört, ohne sofort Lösungen zu haben. Der Kollege, der wortlos einen Kaffee hinstellt. Der Spaziergang im Park, bei dem die Natur zuflüstert: Alles geht vorbei – und doch geht es weiter. Trost kann ein Mensch sein, ein Moment, ein Gefühl: Ich bin getragen.

Doch Trost braucht auch, dass wir ihn zulassen. Manchmal sind wir so sehr im „Funktionieren“, dass wir unsere eigene Trauer wegdrücken. Wir wollen stark sein, nichts anmerken lassen. Doch Trost kann nur da wirken, wo wir ehrlich sind. Wo wir uns erlauben, traurig zu sein, zu weinen, schwach zu wirken. Wer die eigenen Tränen nicht mehr versteckt, macht den ersten Schritt in Richtung Heilung.

Trost braucht Nähe

Kleine Rituale können dabei helfen. Ein Tagebuch, in dem die Gedanken Platz finden. Eine Kerze, die für einen Verlust brennt. Ein Gebet, in dem wir Worte suchen für das, was schwer ist. Oder einfach die bewusste Entscheidung, jemandem von der eigenen Not zu erzählen. Trost braucht Ehrlichkeit, Offenheit, Nähe.

Vielleicht ist dieser Herbst die Einladung, den Trost nicht in großen Gesten zu suchen, sondern ihn dort zu erkennen, wo er leise da ist. In einem Lächeln. In einem Gespräch. In einer Tasse Tee, die jemand für dich gekocht hat. Trost bedeutet: Du musst nicht alles allein tragen. Und schon dieser Gedanke kann ein Anfang sein.

Drei kleine Wege, Trost zu spüren:
1. Schreibe es auf: Alles Belastende aufschreiben und beiseitelegen. Zeichen: Ich bin nicht allein.
2. Trost teilen: Ruf jemanden an, der zuhört. Schon das Aussprechen kann tragen.
3. Ritual der Gegenwart: Ein kurzer Spaziergang oder ein Moment am Fenster – bewusst wahrnehmen, dass Gott da ist.