Mädchenschule der Vorsehungsschwestern seit 1994 in Trägerschaft des Bistums Münster

100 Jahre Hildegardisschule: Von der „Puddingschule“ zum Berufskolleg

  • Vorsehungsschwester gründete Schule vor 100 Jahren.
  • Heute drei große Bildungsfelder und neun Ausbildungsgänge.
  • Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler kommt aus dem Umland.

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„Puddingschule für Mädchen!“ So mancher mag vor 100 Jahren schmunzelnd auf die neu gegründete Institution der Frauenbildung in Münster herabgeschaut haben. Als Vorsehungsschwester Thusnelda Möllenney am 4. Juni 1920 die Hildegardisschule mit den ersten 20 Schülerinnen in Betrieb nahm, hatte sie ohne Zweifel vermeintlich weibliche Kompetenzen im Sinn: Ernährung, Hauswirtschaft, Kindererziehung. „Das ist die Basis, wo wir herkommen“, bekennt Peter Garmann, stellvertretender Schulleiter. „Und daraus hat die Schule in 100 Jahren Bedeutendes geschaffen.“

Seit 1994 ist sie Berufskolleg in Trägerschaft des Bistums Münster. Sie deckt drei große Bildungsfelder ab: Ernährung und Versorgungsmanagement; Gesundheit, Erziehung und Soziales sowie Wirtschaft und Verwaltung. Unter dieser Dachstruktur können junge Männer und Frauen zwischen neun verschiedenen Bildungsgängen auswählen. Am Ende steht das Abitur, Fachabitur oder die Fachoberschulreife, eine Ausbildung zur Erzieherin, zum Heilerziehungspfleger oder zum Sozialassistenten.

 

Puddingkochen mit naturwissenschaftlichem Hintergrund

 

„Das Angebot des dreijährigen Beruflichen Gymnasiums für Ernährungswissenschaften ist im Münsterland sogar einmalig“, erklärt Lehrerin Beate Rößmann die Besonderheiten. Die beiden Berufsfachschulausbildungen würden zudem in Vollzeit durchgeführt. „Wir arbeiten nicht nach dem dualen System mit Betrieben zusammen.“ Berufliche Erfahrungen sammelten die Teilnehmer in Praktika.

Rößmann arbeitet seit 35 Jahren an der Schule, ist dort die Dienstälteste: „Der Schulgründerin ging es vor 100 Jahren um die Anerkennung und Akademisierung der Frauenbildung“, sagt sie. So habe Schwester Thusnelda ihre Schülerinnen nicht ums Puddingkochen angehalten, sondern dazu, die chemischen und biochemischen Hintergründe der Ernährung zu verstehen.  „Sie wollte Lebenskompetenz vermitteln.“

 

Rockzwang und kein männlicher Sportlehrer

 

Deswegen sei die Schule auch nach Hildegard von Bingen benannt worden. An der großen Ordensfrau, Universalgelehrten und Mystikerin orientiere sie sich bis heute mit ihrem Motto: „Wisse die Wege.“ 1926 war die Hildegardisschule die erste Frauenoberschule Preußens, 1929 machten die ersten Schülerinnen dort das Abitur.

Auf dem Weg in die Moderne gab es auch Skurriles: „Viele Jahre durften Lehrerinnen und Schülerinnen nur Röcke tragen“, weiß Eva Andreo Garcia zu berichten. „Noch vor 40 Jahren war auch ein männlicher Sportlehrer völlig undenkbar“, ergänzt Rößmann. Ab 1972 durften dann auch Jungen die Schule erobern. Nicht zuletzt der neue Bereich Wirtschaft und Verwaltung zog sie an. Heute machen die männlichen Schüler 27 Prozent der Schülerschaft aus. Zurzeit umfasst die Schulgemeinschaft 830 Schülerinnen und Schüler, 62 Lehrerinnen und Lehrer, vier Referendare und weiteres nicht lehrendes Personal.

 

Schulklima und Digitalisierung

 

„Eine weitere Besonderheit ist, dass 50 Prozent unserer Schüler aus dem Umland kommen, einige sogar aus Niedersachsen“, erklärt Rößmann. Sie führt dies auf den „guten Ruf“ zurück. Damit meint sie das Schulklima, „das auf Werte wie Respekt, Toleranz, Weltoffenheit und ein christliches Menschenbild gründet“. In sämtlichen Bildungsgängen lernten die Schüler im Klassenverband. Religionsunterricht und Schulgottesdienste sind für alle verbindlich, auch wenn sie sich anderen Glaubensrichtungen oder keiner Religion zugehörig fühlen. Tage des gelebten Glaubens, Morgenimpulse oder Tage der religiösen Orientierung gehörten zum Programm der Schulseelsorge. Probleme gebe es deswegen nicht. „Bei uns trägt auch eine Muslimin im Gottesdienst Texte vor.“

Auf die digitale Ausstattung seiner Schule ist der stellvertretende Schulleiter Peter Garmann stolz. „Wir können von jetzt auf gleich auf Digitalunterricht umschalten“, sagt er. „Alle unsere Klassen haben Apple-TV, Dokumenten-Kameras und Beamer.“ Mit Tafel und Kreide werde selten hantiert. Dafür gebe es mehrere iPad-Klassen, in denen sämtliche Lehrmaterialien und Arbeitsgrundlagen in digitaler Form bearbeitet werden. „Deswegen sind wir auch gut durch die Corona-Zeit gekommen“, sagt er.

 

Große Feiern fallen aus

 

Corona hat allerdings die Jubiläumsfeierlichkeiten gestört. Der Festgottesdienst im Dom, der Festakt und die große Party fielen aus und sollen auch im nächsten Jahr nicht nachgeholt werden. Stattdessen hat die Schule eine Briefmarke zum Hundertsten aufgelegt, eine Festschrift ist in Arbeit.

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