Pfarrer Knoor aus Duisburg veranstaltet Gesprächsabend über den Künstler

100 Jahre Joseph Beuys: „Ich betrachte ihn als Lehrer des Glaubens“

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Dem Ausnahmekünstler Joseph Beuys (1921 bis 1986) wird anlässlich seines 100. Geburtstags in diesem Jahr vielfach bedacht. Museen wie Schloss Moyland im niederrheinschen Bedburg-Hau und das Lehmbruck-Museum in Duisburg widmen sich in Sonderausstellungen dem Schaffen von Beuys. Seine Werke zum christlichen Glauben sind jedoch wenig bekannt. Dabei bieten sie eine Möglichkeit, neue Zugänge zum Glauben zu gewinnen oder diesen zu vertiefen, findet Pfarrer Werner Knoor von der St.-Dionysius-Pfarrei in Duisburg-Walsum. Im Gespräch erklärt Knoor, was ihn an der Kunst von Beuys fasziniert und was die Kirche vom Aktionskünstler lernen kann.

Herr Knoor, in Ihrer Pfarrei St. Dionysius in Duisburg-Walsum veranstalten Sie Gesprächsabende über die Kunst von Joseph Beuys. Was ist das Besondere an der Kunst von Beuys?

Die Kunst von Joseph Beuys stellt den Menschen und seine schöpferischen Fähigkeiten in den Mittelpunkt und verweist auf Hindernisse, die dieses Potential unterdrücken. Darüber hinaus empfinde ich die Verbindung zwischen Werk, Person und den verwendeten Materialien als etwas Besonderes. Man muss aber auch sagen, dass sich die Kunst von Beuys nicht im Schnelldurchlauf erschließt. Es bedarf Zeit und Offenheit, um diesem Künstler auf die Spur zu kommen.

Welche Verbindung zur Kunst von Beuys haben Sie?

Pfarrer Werner Knoor.
Pfarrer Werner Knoor hat sich intensiv mit der Kunst von Joseph Beuys beschäftigt. | Foto: Johannes Bernard

Seine Werke und Aktionen haben in mir mehr Fragen als Antworten hinterlassen. Irgendwann wollte ich nicht mehr ratlos vor einer „Fettecke“ oder einem „Erdtelefon“ stehen, und so habe ich mich mit seiner Gedankenwelt beschäftigt. Dabei merkte ich schnell, welch befreiende Sicht er auf den Menschen hat. Auch gab mir seine Kunst weitere Anregungen für das eigene Glaubensleben, das nach neuen Impulsen suchte.

Wo haben Sie die Anregungen gefunden?

Erwähnen möchte ich die Aktion „Manresa“ aus dem Jahr 1966. Darin stellt Beuys ein Halbkreuz in den Mittelpunkt und fragt nach dessen Ergänzung. Am Ende der Aktion wird deutlich, dass der Mensch selbst die andere Hälfte des Kreuzes einnehmen soll und, so sagt es der Künstler, sich mit Christus auf den Weg machen muss. Bis heute hilft mir diese Kunst, den eigenen Glaubensweg zu hinterfragen, und ich betrachte ihn als einen Lehrer des Glaubens.

Warum kann man Werke des Künstlers als religiös bezeichnen?

Zunächst ist festzuhalten, dass sein Werk nicht als „religiös“ vereinnahmt werden darf. Dafür ist es zu vielschichtig. Da er jedoch den Menschen ins Zentrum seiner Kunst stellt, gibt es automatisch Überschneidungen zur christlichen Religion, und manche Werke verweisen explizit auf eine religiöse Ebene. Zu nennen sind seine Sonnenkreuze oder die Kreuzigung, das Büdericher Mahnmal oder die erwähnte Aktion „Manresa“.

Beuys und das Christentum - wie würden Sie die Verbindung beschreiben?

Ich sehe die Verbindung positiv, und es lohnt dem nachzugehen.  euys ist am Niederrhein und mit dem Christentum aufgewachsen. Wenn man seine Werke oder seine Aussagen zu unserer Religion wahrnimmt, spürt man schnell, dass er ein Kenner war. Er kannte unsere Symbolik, er kannte die Bibel und er kannte die geistliche Tradition. Dabei löst er sich von traditionellen Vorstellungen und holt das Christliche radikal in die Gegenwart.

Wie ist das zu verstehen?

So spricht er von der Christuspräsenz, die sich in dieser Welt anbietet und ins Leben eindringen will. Er spricht von einem Gott, mit dem man sich aufraffen muss, von Christus als der sich Bewegende und vom erweiterten Kunstbegriff als wichtigsten Beitrag zum Christusbild. Wenn das keine Hinweise auf eine intensive Verbindung zum Christentum sind, weiß ich es nicht. Dass er die Kirche als Institution ablehnt, ist aus seiner Sicht konsequent.

Weshalb kann es sich für die Kirche und die Christen lohnen, einen genaueren Blick auf die Werke von Beuys zu werfen?

Beuys hat die Formel „Jeder Mensch ist ein Künstler“ geprägt. Sie verweist auf die schöpferischen Kräfte des Menschen, die in einer technisch und ökonomisch geprägten Zeit brach liegen. Seine Kunst gibt Anregungen aus einer gewissen Starre und Ohnmacht, in die Dynamik einer Bewegung zu kommen. Beuys will, dass wir uns mit Christus bewegen und nicht in einem nett eingerichteten Leben verweilen. Dabei lässt seine Kunst auch über Fesseln nachdenken, die wir uns selbst auflegen oder von realitätsfernen Pharisäern unserer Zeit auflegen lassen.

Was „die Kirche“ angeht, wäre es wünschenswert, wenn sich auf ganz anderer Ebene mit dem Werk dieses Ausnahmekünstlers beschäftigt würde. Das setzt aber die Fähigkeit voraus, das eigene Gedankengebäude in Frage zu stellen. Nach all den Erfahrungen und Skandalen der letzten Jahre bin ich da illusionslos und verweise auf Beuys selbst, der bereits 1984 sagte: „Die, die sich da (in der Kirche, Ergänzung der Redaktion) intensiv bewegen, die steigen aus.“

Einen Gesprächsabend „Joseph Beuys zum 100. Geburtstag“ veranstaltet die Pfarrei St. Dionysius in Duisburg-Walsum am 2. Juli 2021 um 19 Uhr im Kirchenladen „B8-Lich“ am Friedrich-Ebert-Platz in Walsum. Das Museum Schloss Moyland im niederrheinischen Bedburg-Hau widmet sich in einer Sonderausstellung dem Thema „Joseph Beuys und die Schamanen“. Das Lehmbruck-Museum in Duisburg zeigt ab dem 26. Juni 2021 die Schau „Alles ist Skulptur“. Das Land Nordrhein-Westfalen feiert den Künstler mit einem umfangreichen Jubiläumsprogramm. Alle Termine unter www.beuys2021.de.

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