Hermann-Josef Lücker kritisiert Kirche wegen Umgangs mit Missbrauch, Frauen, Homosexuellen

18.000 Klicks für eine Donner-Predigt des Pastors von Visbek

Da hat sich einer ordentlich Luft gemacht: In seiner Sonntags-Predigt wettert Pfarrer Hermann-Josef Lücker aus Visbek gegen Missbrauch in der Kirche, Ausgrenzung von Homosexuellen, aber auch gegen Bischöfe. Ein Video davon geht ordentlich viral.

 

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Auf enormes Interesse im Internet ist eine elfminütige Sonntagspredigt von Hermann-Josef Lücker, Pfarrer in St. Vitus Visbek, gestoßen. Seine Predigt vom 3. März ist als Video auf dem Online-Auftritt der Gemeinde zu sehen; es wurde bis Freitag 18.000 Mal angeklickt – bis Montagmittag stieg die Zahl gar auf über 30.000.

Die Gemeinde überträgt seit dem 19. Februar ihre Sonntagsgottesdienste live im Internet, sie werden gespeichert und können anschließend noch aufgerufen werden. Die Predigten an den Sonntagen zuvor und danach wurden im Vergleich zwischen 200 und 500 Mal aufgerufen.

Der Gottesdienst mit Pfarrer Hermann-Josef Lücker in der St.-Vitus-Kirche in Visbek (Start der Predigt bei 25:00).

Lücker hatte in seiner Predigt scharfe Kritik am Handeln von Verantwortlichen in der Kirche geübt. Den Umgang mit dem Missbrauch von Kindern durch Geistliche nannte er „unvorstellbar und unfassbar“. Gerade in dieser Lage sei es wichtig, dass Menschen in der Kirche sich zu Wort meldeten. Den Frauen rief er zu: „Jetzt ist die Zeit, den Mund aufzumachen!“ Frauen müssten eine neue Stellung in der Kirche einfordern. Die Kirche solle über Frauen als Diakone und über Priesterinnen sprechen, auch wenn sich nicht alles sofort verwirklichen lasse. „Aber wir müssen darüber reden, damit sich etwas bewegt in der Kirche.“

 

Neuer Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren

 

Auch ein neuer Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren in der Kirche sei notwendig, sagte Lücker. Wenn er Kaninchen und Kühe segnen dürfe, „warum dann nicht auch eine Verbindung dieser Menschen?“ Erbittert zeigte Lücker über das Projekt eines Kulturwandels im Bistum Münster. „Wir brauchen uns von der Chefetage nicht sagen zu lassen, wir sollten gut miteinander umgehen. Das machen wir schon längst.“

Die bischöflichen Behörden in Vechta und Münster kritisierte Lücker wegen ihrer Finanzplanung. Von den Personalausgaben der Kirche komme zu wenig in den Gemeinden vor Ort an; die Behörde erwarte zu viel vom ehrenamtlichen Einsatz der Menschen. Lücker rief die Verantwortlichen dazu auf, sich die Wirklichkeit in den Gemeinden anzuschauen, die Ehrenamtlichen könne man nicht noch mehr belasten.

 

Dankbar für Einsatz der Gläubigen vor Ort

 

Er wolle sich den Blick aber auch offen halten für Gutes, was ihn freue und ermuntere in der Kirche, sagte Lücker weiter. Der Pfarrer nannte die Vielfalt der Menschen, die sich in seiner Gemeinde einsetzen, die Freude am persönlichen Gebet und die Freude, als Priester in der Gemeinde zu leben und mit ihr Gottesdienste und Sakramente feiern zu dürfen.

Lücker zeigte sich im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ „überwältigt“ von dem Echo; mit einer solchen Aufmerksamkeit habe er nicht gerechnet. „Ich wollte einfach nur mal in Worte fassen, was mir als Gemeindepfarrer auf dem Herzen liegt, im Guten wie im Schlechten.“ Er habe sich auf den letzten Satz des Sonntagsevangeliums bezogen; dort heiße es bei Lk 6,45: „Wovon das Herz voll ist, davon kündet der Mund.“

 

84 schriftliche Reaktionen auf die Predigt

 

Lücker hat nach eigener Aussage bis Freitag 84 persönliche Rückmeldungen auf seine Predigt im Internet erhalten. Diese Zahl sei überraschend hoch. Es gebe nämlich keine Kommentarfunktion bei der Übertragung im Internet, jede Rückmeldung habe per Mail oder Brief nach einer Adressensuche geschehen müssen.

Hermann-Josef Lücker ist 56 Jahre alt und stammt aus Vechta. Er wurde 1996 zum Priester geweiht und arbeitet seit 2004 als Pfarrer in St. Vitus Visbek. Seit 2013 ist er zugleich Landes-Frauenseelsorger im oldenburgischen Teil des Bistums Münster. Seit 2000 sitzt er im Priesterrat des Bistums.

Die Gemeinde St. Vitus Visbek feiert dieses Jahr ihr 1.200-jähriges Bestehen. 819 wird Visbek erstmals in einer Urkunde erwähnt; damals gab es dort die erste Niederlassung von Benediktiner-Mönchen in der Region unter Abt Gerbert Castus, einem Weggefährten des heiligen Liudger. Sie missionierten von dort  in regionalen Niederlassungen die sächsische Bevölkerung. Visbek ist also die Keimzelle des Christentums im Süden der oldenburgischen Bistumsregion.

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