Themenwoche (1) - Kältewinter und Energiekrise in sozialen Einrichtungen

25.000 Kilometer für Pflege: Caritas Ahlen und explodierende Energiepreise

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Strom, Sprit, Heizung: Auch die Dienstleistungen der Sozialwirtschaft, vom Kindergarten übers Krankenhaus bis zum Pflegeheim, sind von den Auswirkungen der Inflation und der Energiekrise betroffen. In einer Themenwoche berichtet "Kirche-und-Leben.de", wie sie damit umgehen. Teil 1: ein Kindergarten, ein Wohnheim, ambulante Pflege und eine Tafel im Kreis Warendorf.

Dass die Caritas mit ihren Leistungen ein verlässlicher und solider Partner, gerade in herausfordernden Zeiten bleibe, versichert Heinrich Sinder, Geschäftsführer des Caritasverbandes für Ahlen, Drensteinfurt und Sendenhorst. Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stünden harte Jahre bevor. Die Verunsicherung bei vielen Menschen sei groß, berichtete Sinder im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“.

Verdopplung der Kosten

Folgen hat die Energiekrise auch für die drei Kindertagesstätten der Caritas in Ahlen und Drensteinfurt mit insgesamt zwölf Gruppen. „Wir kalkulieren mit einer Verdoppelung der Kosten für Gas“, sagt Sinder.

Konkret beziffert er die Mehraufwendungen je Kita auf 4000 bis 8000 Euro. Er begrüßt deshalb das dritte Entlastungs­paket der Bundesregierung mit dem geplanten Gaspreisdeckel. Ein Teil der Mehrkosten könne zudem mit den angepassten Pauschalen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) aufgefangen werden, aber damit könnten die Kosten nicht ausgeglichen werden.

Wegen der Kinder nicht unter 20 Grad

Der Caritas-Chef hofft deshalb auf eine weitere finanzielle Unterstützung des Landes. Einsparmöglichkeiten gebe es keine, da die Temperaturen wegen der Kleinkinder nicht unter 20 Grad abgesenkt werden können. Trotzdem solle Energie nicht unnötig verschwendet werden. Deshalb würden die Heizungen regemäßig gewartet und optimal eingestellt, um Wärmeverluste zu verhindern.

In Trägerschaft des Caritasverbandes Ahlen und in enger Zusammenarbeit mit der katholischen Kirchengemeinde St. Bartholomäus sind 2019 die Ludgeri-Höfe im Ahlener Süden errichtet worden. Dies verbindet 23 barrierefreie Wohnungen und Appartements, darunter Wohnangebote für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf, ein Quartierstreff sowie zwei Wohngemeinschaften für überwiegend an Demenz erkrankte Menschen. Sie sind laut Sinder nach den aktuellen Bestimmungen für Wärmedämmung und einem hohen baulichen Standard errichtet worden, allerdings mit Gasheizung.

„Haarscharf kalkuliert“

Das Warmwasser werde durch Solarkollektoren erzeugt. Wärmepumpen hätten die Investitionskosten von 6,2 Millionen dermaßen erhöht, dass ein Mietpreisdeckel von fünf Euro nicht mehr hätte gewährleistet werden können. „Wir haben haarscharf kalkuliert“, so der Geschäftsführer. Alle Wohnungen seien vermietet, es gebe inzwischen eine Warteliste. Die Mieter seien genauso wie alle von steigenden Energiekos­ten betroffen. Die Caritas berate die Menschen deswegen und informiere über gesetzliche Leistungsansprüche wie das Wohngeld.

Aufgrund der geplanten Ausweitung des Wohngelds ab Januar 2023 rechnet Sinder mit einem erhöhten Beratungsbedarf für die Caritas. „Das wird eine große Herausforderung für unsere Sozialberatung“, der Geschäftsführer. An einem von der Stadt eingerichteten runden Tisch für Energie-Armut steht man in engem Austausch. Bei niemandem solle das Licht ausgehen oder die Heizung abgestellt werden.

Große Sorgen macht Sinder das soziale Kaufhaus der Caritas. „Die Energiekrise holt uns auch dort ein“, berichtet er von nicht unerheblichen Stromkos­ten für die Kühlgeräte, in denen die Lebensmittel gelagert werden. Das jährliche von der Caritas bezuschusste Defizit von 20.000 Euro für den Warenkorb werde sich erhöhen.

Ausgabestopp bei der Tafel?

Mit Mehrkosten rechnet Sinder auch beim Dieselverbrauch für den Transporter, mit dem die Lebensmittel eingesammelt werden. Davon abgesehen verschärft sich die Lage, weil immer weniger Lebensmittel zur Verfügung stehen, bei einem steigenden Bedarf – auch durch die Nachfrage bei ukrainischen Flüchtlingen. Deswegen werden die Waren statt zweimal jetzt nur noch einmal in der Woche an Bedürftige ausgegeben. Auch ein Ausgabestopp für neue Kundenkarten werde erwogen. „Das schmerzt uns sehr“, so Sinder.

In der ambulanten Pflege schlagen ebenfalls erhebliche Mehrkosten beim Benzin zu Buche. Die 40 Fahrzeuge legten jährlich zwischen 15.000 und 25.000 Kilometer zurück. Denn sie sind nicht nur in Ahlen, sondern auch anderen Orten im Einsatz. Die Pflegesätze würden erst im Nachgang angepasst.

„Die steigenden Energiepreise in Folge unterstreichen, was die Klimakrise uns längst vor Augen führt: Wir müssen lernen, Energie zu sparen“, äußert Sinder die Hoffnung, als Caritasverband gestärkt aus der Krisenzeit herauszugehen und zum Klimaschutz beizutragen.

Auf E-Autos umgestellt

Deswegen ist die Fahrzeugflotte schon im Jahr 2021 auf zwölf E-Autos umgestellt worden. „Damit haben einen guten Schritt getan, der sich wirtschaftlich bemerkbar macht“, kündigte Sinder an, in den kommenden Jahren die Autoflotte nach und nach auf Elektromobilität umzurüsten.

Auf dem Prüfstand befindet sich auch eine energetische Sanierung der im Eigentum der Caritas befindlichen Kindertagesstätte Roncallihaus in Ahlen. Die Wärme- und Stromerzeugung soll, so die derzeitigen Überlegungen, möglicherweise auf Photovoltaik und Wärmepumpe oder Geothermie umgestellt werden.

Not sehen und handeln, diesem Anspruch will der Caritasverband weiter gerecht werden, betont Heinrich Sinder abschließend wie wichtig soziale Wärme gerade in diesen Krisenzeiten sei.

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