Warum 1960 drei katholische Bildungswerke im Oldenburger Land entstanden

60 Jahre Erwachsenenbildung: Wir haben Kurse aus dem Boden gestampft

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An drei Orten im Kreis Cloppenburg wurden vor 60 Jahren katholische Bildungswerke gegründet. Weitere folgten in den kommenden Jahren. Was war der Grund für den Aufschwung katholischer Erwachsenenbildung in Südoldenburg? Wie ein Experte auf diese Zeit schaut.

Herr Kessens, dieses Jahr feiern allein drei katholische Bildungswerke im Oldenburger Land ihr 60-jähriges Bestehen. Was war da los 1960? Woher dieses plötzliche Bildungsinteresse?

Bildungshunger müsste man vielleicht eher sagen. Zeitzeugen haben mir berichtet, dass die Vorträge damals zum Bersten voll waren, oft saßen 200 oder 300 Menschen in den Sälen.

Um was ging es da denn?

Martin Kessens
Martin Kessens war bis 2018 Pädagogischer Direktor der Katholischen Erwachsenenbildung im Offizialatsbezirk Oldenburg. | Foto: KEB

Das waren anfangs vor allem Familienthemen oder Glaubensthemen. Es war ja eine Zeit beginnenden Umbruchs, auch für die Kirche. Papst Johannes hatte gerade ein Konzil angekündigt. Da suchten Menschen einfach Orientierung.

Also katholische Bildungswerke für religiöse Bildung.

Das greift zu kurz. Die Menschen sehnten sich damals ganz grundsätzlich nach Weiterbildung. Und die haben sie im katholischen Südoldenburg eben bei der Kirche gesucht. Die Möglichkeit dafür hat die Katholische Erwachsenenbildung geschaffen. Das ging ganz ohne staatliche Verordnung. Obwohl der dafür eigentlich zuständig wäre.

Wieso ist der Staat zuständig?

Bildung ist ein Grundrecht, deshalb ist Weiterbildung in den meisten Bundesländern auch ein verankertes Recht. Da war das Land Niedersachsen 1970 bundesweit das erste mit einem eigenen Erwachsenenbildungsgesetz. Aber da hatten wir als katholische Erwachsenenbildung schon längst eine flächendeckende Struktur. Heute gibt es in fast jeder Gemeinde in Südoldenburg ein katholisches Bildungswerk.

Ist die religiöse Bildung auch heute noch der Schwerpunkt?

Das war schon am Anfang sehr vielschichtig. Schon 1960 gab es die ersten Schreibmaschinenkurse in kalten Sälen von Landkneipen. Die Bildungswerke haben da einen viel weiteren Blick gehabt als nur die religiöse Bildung. Das hat sich mit der Zeit geöffnet zu einer richtigen Volkshochschularbeit, aber eben mit christlichem Hintergrund.

Was bedeutet das?

Es kommt wirklich auf die Einstellung an, die hinter der Bildungsarbeit steht. Die zeigt sich auch im Umgang mit den Menschen. Ob wir sie wirklich gelten lassen und sie da abholen, wo sie sind. Denken Sie nur an die Flüchtlinge, die vor fümf Jahren in unsere Region kamen.

Wie waren die katholischen Bildungswerke da gefordert?

Damals ging es sofort um Deutschkurse, bald auch um Eingliederungskurse der Arbeitsagentur. Da kamen die Behörden sofort auf uns zu. Und unsere Bildungswerke haben spontan und ohne bürokratischen Aufwand solche Kurse aus dem Boden gestampft.

War das neben den klassischen Kursen nicht ein Sonderfall?

Keineswegs. Die Arbeit mit Geflüchteten reicht bis Anfang der 80 er Jahre zurück. Damals hießen sie „Boat-People“ und kamen aus Vietnam. In den 90er Jahren kamen die Aussiedler. Also, die Katholische Erwachsenenbildung hat sich immer schon verpflichtet gefühlt und auch dafür eingesetzt, neuen  Mitbürgern vom christlichen Menschenbild her über Sprach- und Integrationskurse zu einer neuen Heimat zu verhelfen.

Glauben Sie, dass katholische Bildungswerke noch eine Zukunft haben?

Aber sicher. Erwachsenenbildung sehen manche nur als Mauerblümchen in der Gesellschaft. Aber sie hat gerade heute mehr verdient.  Denn Lernen lohnt, macht Spaß und zahlt sich in sicheren Jobs und Einkommen aus. Teilnehmende profitieren von einer gestärkten Persönlichkeit und besserem gesellschaftlichen Miteinander. Da stellt sich die katholische Erwachsenenbildung ganz konkret ihrem gesellschaftspolitischen Auftrag.

Katholische Erwachsenenbildung im Offizialatsbezirk Oldenburg
Martin Kessens aus Cloppenburg war bis 2018 Pädagogischer Direktor der Katholischen Erwachsenenbildung im Offizialatsbezirk Oldenburg. Die katholischen Bildungswerke haben dort 2019 rund 130.000 Unterrichtsstunden gegeben, davon 125.000 in Südoldenburg. 1975 rechneten die Bildungswerke rund 23.000 Stunden ab.

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