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Teile von SPD und Grünen wollen noch vor der Neuwahl die Abtreibungs-Regeln ändern. Union und Kirche weisen das zurück - nicht nur aus Zeitgründen.
Ein neuer Vorstoß zur Straffreiheit von Abtreibungen aus den Reihen von SPD und Grünen stößt bei Union, katholischer Kirche und Abtreibungsgegnern auf scharfe Kritik. Nicht nur Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) fordert mehr Zeit für eine gründliche Debatte.
Gestern hatte eine Gruppe von SPD- und Grünen-Abgeordneten einen Gesetzentwurf vorgelegt, um noch vor den Neuwahlen im Februar eine Änderung der Abtreibungsregeln zu erreichen. Auch aus den Reihen der Linken gibt es Unterstützer.
Friedrich Merz: Vorstoß inakzeptabel
Kern des Vorstoßes ist, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Stattdessen sollen Abbrüche bis zur zwölften Woche "rechtmäßig und straffrei" sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen. Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs soll die Krankenkasse übernehmen.
Merz nennt den Vorstoß völlig inakzeptabel. Es handele sich um ein Thema, das "wie kein zweites das Land polarisiert" und "wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen", sagt der CDU-Chef. "Wenn wir über dieses Thema reden, dann brauchen wir dafür Zeit, dann brauchen wir dazu auch Gutachten, was verfassungsrechtlich zulässig ist."
Bischöfe und Caritas: Beratung im Eiltempo nicht sinnvoll
Die katholischen Bischöfe erklären, es gehe um sehr grundsätzliche verfassungsrechtliche und ethische Fragen. "Wir halten eine Reform des Schwangerschaftsabbruchsrechts für überhaupt nicht geeignet, in der derzeitigen politischen Situation im Bundestag noch behandelt und abgestimmt zu werden", sagt der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ein für eine solche Gesetzänderung notwendiges geordnetes Verfahren und eine angemessene Auseinandersetzung könnten zwischen Vertrauensfrage, Auflösung des Bundestags und Neuwahlen nicht stattfinden.
Ähnlich äußert sich Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. In der kurzen Zeit bis zur Neuwahl wäre es nicht verantwortlich, die Entscheidung "im Eiltempo treffen zu wollen". Wo es um Grundsatzfragen am Lebensanfang gehe, brauche es eine geordnete Beratungszeit.
Scharfe Kritik von Abtreibungsgegnern
Abtreibungsgegner äußern scharfe Kritik: "Wer Abtreibung aus dem Strafrecht entfernt, schafft Grundrechte von Kindern ab", so der Bundesverband Lebensrecht. Die Aktion "Lebensrecht für alle" nennt den Vorstoß "brandgefährlich". Der Gesetzentwurf wolle "nicht nur die Tötung von Menschen eines bestimmten Alters rechtmäßig stellen, sondern die Kosten hierfür auch noch der Solidargemeinschaft aufbürden".
In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission hatte im April Empfehlungen für eine Liberalisierung der Abtreibung vorgelegt und sich dafür ausgesprochen, das entsprechende Gesetz aus dem Strafgesetzbuch zu streichen.