Hauptgeschäftsführer Bernd Klaschka zieht Bilanz seiner Amtszeit

Adveniat-Chef fürchtet Domino-Effekt wegen Trumps Mauer

Prälat Bernd Klaschka (70) gibt Anfang März die Leitung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat in Essen ab. Im Interview schaut der Priester des Bistums Münster auf die Lage des Kontinents und verrät, wie es für ihn persönlich weitergeht.

Anzeige

Prälat Bernd Klaschka (70) gibt Anfang März nach fast 13 Jahren die Leitung des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat in Essen ab. Im Interview schaut der Priester des Bistums Münster auf die aktuelle Lage des Kontinents.

Herr Prälat Klaschka, Sie haben über Jahrzehnte die Entwicklungen in Lateinamerika begleitet. Was hat sich verbessert?

Prälat Bernd Klaschka: Mit großer Freude habe ich an der Basis erlebt, wie Menschen ihr Leben selbst gestalten und mit ihren Anliegen gehört werden; wie Menschen selbst initiativ werden und sagen: Wir können etwas, und wir trauen uns etwas zu.

Als eines der großen Probleme Lateinamerikas sehen Sie Rassismus zwischen den Völkern.

Ganz konkret habe ich den Rassismus bei einer jungen Frau erlebt, die ihre Hoffnungen darin setzte, weiß zu werden, um am Besitz und der Wertschätzung der weißen Bevölkerung teilhaben zu können. Mehrere Nächte hindurch hat sie sich mit einer Nagelbürste die Haut geschrubbt, um weiß zu werden, um vermeintlich mehr wert zu sein. Dieser Rassismus muss überwunden werden. Die mehr als 300 Völker in Lateinamerika sind unterschiedlicher Hautfarbe. Sie müssen sich als Menschen erfahren, die gleichwertig und gleichberechtigt sind.

Wie kann das konkret gehen?

Indem man etwa die Sprache der indigenen Völker bei öffentlichen Verhandlungen oder bei Gericht zulässt. Und auch die Kirche kann zu mehr Wertschätzung unter den Völkern beitragen, indem wir klarmachen: Alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, egal welcher Sprache, egal welchen Bildungsgrades, sind von Gott geliebt.

Was löst der von US-Präsident Donald Trump angekündigte Mauerbau an der Grenze zu Mexiko aus?

Zur Person
Bernd Klaschka wurde am 12. Juli 1946 in Rheinberg am Niederrhein geboren und 1973 in Münster zum Priester geweiht. Nach Kaplansjahren in Recklinghausen war er von 1977 bis 1984 Seelsorger in Cardonal im mexikanischen Partnerbistum Tula.

Nach einer weiteren Kaplansstelle in Wesel wurde Klaschka 1988 Pfarrer in Everswinkel-Alverskirchen. Gleichzeitig übernahm er die Leitung des Referats Ausländerseelsorge im Generalvikariat in Münster.

1996 ging Klaschka ein zweites Mal nach Mexiko. Im Bundesstaat Hidalgo übernahm er den Aufbau und die Verwaltung der von Armut geprägten Pfarrei Orizabita. Zudem war er als Bischofsvikar im Bistum Tula für die Pastoral und für die Ausbildung von Priestern und Diakonen zuständig. 2004 berief die Deutsche Bischofskonferenz Klaschka zum Hauptgeschäftsführer von Adveniat.

Die Mexikaner rechnen damit, dass in diesem Jahr noch 300.000 Menschen abgeschoben werden. Die Bischöfe in den USA und in Mexiko müssen ihre Stimme erheben. Für die Menschen in Mexiko und in anderen mittelamerikanischen Staaten, die jetzt Arbeit haben und befürchten, ihre Jobs zu verlieren, wenn die Migranten aus den USA zurückkommen. Das birgt ein großes Konfliktpotenzial. Außerdem sind natürlich die sogenannten Rücküberweisungen aus den USA in Gefahr: jene Gelder, die die Migranten aus den USA ihren Familien in Mexiko, El Salvador, Honduras oder Guatemala schicken. Die sind für sie lebenswichtig.

Solidarisieren sich die Länder Lateinamerikas oder färbt die aggressive Stimmung aus den USA ab?

Eine Solidarisierung etwa der Völker in Mexiko mit den Völkern in Guatemala, El Salvador oder Honduras sehe ich noch nicht am Horizont. Vielmehr sehe ich einen möglichen Domino-Effekt: Der Mauer zwischen den USA und Mexiko könnten Mauern etwa zwischen Mexiko und Guatemala folgen, sei es im wörtlichen oder im übertragenen Sinn. Dann droht die Mentalität um sich zu greifen: Das Hemd ist mir näher als die Jacke.

Was war der traurigste Moment Ihrer Amtszeit, was der schönste?

Der traurigste Moment war für mich die Begegnung mit den am Rande der Existenz Lebenden in Haiti. Als ich 2009 zum ersten Mal vor Ort war, habe ich eine Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit gespürt. Dort ist es wichtig, dass wir nicht nur Entwicklungsprojekte initiieren, sondern den Haitianern sagen: Du bist nicht allein, wir sind bei dir, wir verlassen dich nicht. Umgekehrt waren die freudigsten Momente die Begegnungen mit den Armen in den verschiedensten Ländern, die trotz ihrer Armut ihre Hoffnung nicht verlieren und damit auch mir Hoffnung gegeben haben. Sie waren Lehrmeister des Lebens für mich.

Was machen Sie ab dem 3. März?

Erst mal eine kleine Pause zur Besinnung, um auch von Adveniat loszulassen. Ab Sommer will ich mich dann der Krankenhausseelsorge widmen. Ich möchte Kranke begleiten, trösten, stärken - mit meinen Erfahrungen von den indigenen Menschen Lateinamerikas, die dort seit Jahrtausenden ganzheitlich mit Krankheit und Gesundheit umgehen.

Anzeige