Regnum Christi und Karl-Leisner-Jugend in der Kritik

Ärger mit geistlichen Gemeinschaften in Raesfeld

In St. Martin in Raesfeld wird scharf über die Rolle von Regnum Christi und der Karl-Leisner-Jugend in der Pfarrgemeinde diskutiert. Eine Fragestunde sollte Klärung bringen.

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Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, dass es in der St.-Martin-Gemeinde in Raesfeld rumort, dann wäre es die volle Droste-Festhalle am gestrigen Abend gewesen. Mehr als 300 Gemeindemitglieder waren zur offenen Fragestunde zum Thema Regnum Christi und Karl-Leisner-Jugend gekommen. Die beiden Gemeinschaften sind für viele Ursache für eine ganze Reihe an Problemen, welche die Pfarrgemeinde entzweit. Vertreter dieser Gruppen standen gemeinsam mit dem stellvertretenden Generalvikar im Bistum Münster, Domvikar Jochen Reidegeld, Rede und Antwort.

Zur Situation: Eine kleine Gruppe der geistlichen Gemeinschaft Regnum Christi, die den „Legionären Christi“ angegliedert ist, ist in der Pfarrgemeinde beheimatet. Ihr Engagement wird vom leitenden Pfarrer Michael Kenkel gefördert. Die Angebote werden von einem großen Teil der Gemeindemitglieder aber kritisch gesehen. Das liegt zum einen an der inhaltlichen Ausrichtung, die viele als zu „konservativ“ und „rückwärtsgewandt“ empfinden. Zum anderen steht die Gemeinschaft seit Bekanntwerden des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch ihren 2008 verstorbenen Gründer Marcial Maciel in der Kritik. Eine weitere Sorge entsteht durch die Arbeit des Pfarrers in der Karl-Leisner-Jugend. Auch ihr sagen viele traditionalistische Tendenzen nach.

 

Falsche Kommunikation

 

In den vergangenen Monaten hatten bereits einige Veranstaltungen zum Thema stattgefunden. Fehlende Einbindung und Information der Gremien bei Entscheidungen zur inhaltlichen Ausrichtung der Angebote waren ein Vorwurf. Alleingänge des Pfarrers und Unterwanderung der Seelsorge durch Personen, die nicht in der Pfarrei beheimatet sind, ein anderer. Die Fronten haben sich dabei verhärtet. Einige Mitglieder aus dem Kirchenvorstand und dem Pfarrgemeinderat quittierten ihre Arbeit.

„Jeder von uns glaubt auf seine Weise“, betonte Reidegeld am Anfang der Veranstaltung. Der Leiter der Abteilung Orden, Säkularinstitute und Neue Geistliche Gemeinschaften im münsterschen Generalvikariat sah darin einen „Reichtum der katholischen Kirche, die Frohe Botschaft zu verkünden“. Allerdings tendierten Menschen oft dazu, ihren spirituellen Weg als einzig richtigen anzusehen. Und genau darin machte er das Problem in Raesfeld aus. „Damit verliert Kirche die Möglichkeit, auf die unterschiedlichen Fragen der Zeit Antworten zu bieten.“

 

Keine Sekte

 

Der stellvertretende Generalvikar in Münster, Domvikar Jochen Reidegeld, nahm als Vertreter des Bistums teil.Der stellvertretende Generalvikar in Münster, Domvikar Jochen Reidegeld (r.), nahm als Vertreter des Bistums teil. |Foto: Michael Bönte

Die Aufgabe des Bistums ist es in Reidegelds Augen, darauf zu achten, dass niemand auftrete, als gehe allein er den richtigen Glaubensweg. „Wir sind dabei sehr aufmerksam und schreiten ein, wenn es Entwicklungen gibt, in denen Angebote nicht mehr mit der katholischen Lehre vereinbar sind.“ Bei der Gemeinschaft Regnum Christi und der Karl-Leisner-Jugend sei diese Gefahr nicht gegeben, betonte er. „Aus Sicht des Vatikans und des Bistums sind sie keine sektiererischen Bewegungen.“

Die Fragen, die den Vertretern der Gemeinschaften gestellt wurden, zeigten aber genau diese Sorge. So musste Karl Olaf Bergmann, Pressesprecher von Regnum Christi, unter anderem Stellung zum Umgang mit der Missbrauchsvergangenheit der Gemeinschaft und den abgeschlossenen vatikanischen Ermittlungen dazu beziehen. „Wir selbst waren erschüttert und haben alles dafür getan, das Geschehen aufzuarbeiten und Strukturen zu schaffen, die ein solches schwer unmoralisches Fehlverhalten künftig verhindern.“

 

Kein Fundamentalismus

 

Domvikar Reidegeld versicherte, dass im Bistum für Regnum Christi in dieser Frage der gleiche hohe Maßstab gilt wie für alle Einrichtungen, die mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen. „Wir messen alle daran, ohne Ausnahme.“

Gegenüber der Karl-Leisner-Jugend stand vor allem der Vorwurf im Raum, Kindern und Jugendlichen mit fundamentalistischen Angeboten zu begegnen. „In unseren Katechesen behaupten wir nicht einfach nur etwas“, sagte Pastor Peter von Briel aus Hopsten-Halverde dazu. Der Sprecher der Karl-Leisner-Jugend betonte, dass in ihren Angeboten zur Diskussion animiert werde, um einen eigenen Glaubensweg zu finden. „Es gibt kein Redeverbot!“

Für viele Teilnehmer waren die Antworten an diesem Abend zu „glatt“, wie etwa für Maria Sümpelmann. „Das war eine reine Werbeveranstaltung“, sagte die Raesfelderin, die selbst lange Zeit im Kirchenvorstand von St. Martin gesessen hat. „Das verstärkt das Gefühl, dass im Hintergrund Fäden gezogen werden, um die Entwicklung weiter in eine Richtung lenken zu können.“ Die Ängste davor habe ihr die Fragestunde nicht nehmen können.

 

Pfarrer Kenkel: Vielfalt erwünscht

 

Pfarrer Michael Kenkel war an diesem Abend nur als Zuhörer anwesend. Ein weiteres Vorgehen wolle er zunächst mit den Pfarrgremien besprechen, sagte er gegenüber Kirche+Leben. Er versicherte aber, dass er keine Einengung der Seelsorge auf die Ideen von Regnum Christi oder der Karl-Leiser-Jugend anstrebe. „Ich sehe noch eine große Vielfalt in meiner Pfarrgemeinde – und ich wünsche sie mir weiterhin.“

Reidegeld forderte, in dieser Vielfalt für alle Gruppen offen zu sein. „Es darf keine Monokultur entstehen.“ Das gelte aber in alle Richtungen, auch für kleine Bewegungen. „Wenn in unseren Pfarreien nur noch die Platz haben, die eine Mehrheitsmeinung vertreten, dann sind wir keine Kirche mehr.“ Alle Gemeindemitglieder seien aufgefordert, ihre Vorstellungen und Angebote einzubringen. Maria Sümpelmann sah dafür in St. Martin in Raesfeld eine Schieflage: „Wenn mir jemand erzählt, ich soll einer Entwicklung mit eigenen Veranstaltungen entgegensteuern, dann brauche ich aber auch einen Geistlichen, der meine Ideen unterstützt.“

Regnum Christi
Regnum Christi („Reich Christi“) wurde 1959 gegründet und ist eine vom Papst anerkannte geistliche Gemeinschaft. Nach eigenen Angaben zählt sie weltweit etwa 32.000 Mitglieder, in Deutschland etwa 400. Zu ihnen gehört auch ein Zweig „gottgeweihter Mitglieder“, die in Gemeinschaften leben. Regnum Christi ist die Laienbewegung der „Legionäre Christi“, einer Ordensgemeinschaft päpstlichen Rechts mit etwa 1.000 Priestern und etwa 500 Ordensleuten. Sie wurde 1941 gegründet. Zwischen beiden Zweigen besteht ein enger Kontakt. Priester und Laien sind in „geistlichen Familien“ verbunden.

Die Ordens- und Laienbewegungen haben sich nach eigenen Aussagen gemeinsam zum Ziel gesetzt, „das Reich Christi gemäß den Forderungen der christlichen Nächstenliebe und Gerechtigkeit in der Gesellschaft auszubreiten“. In ihrer Katechese, ihrem Bildungsangebot und ihrem spirituellen Leben wollen sie eng mit den Ortsbischöfen und den Seelsorgern in den Pfarrgemeinden zusammenarbeiten. In Deutschland ist der Orden seit 1988 ansässig.

Kritiker halten den Gemeinschaften eine erzkonservative Ausrichtung vor. Dabei steht auch immer wieder der Vorwurf einer aggressiven Rekrutierungsmethode bei Kindern und Jugendlichen im Fokus. Über eigene Schulen, Universitäten und Mediendienste versuche man, gesellschaftlichen Einfluss zu nehmen. Dem mexikanischen Priester und Gründer beider Zweige, Pater Marcial Maciel (+2008), wird der sexuelle Missbrauch von Jungen vorgeworfen. Auch in einigen ordenseigenen Häusern wurde der Missbrauch durch Angehörige der „Legionäre Christi“ bekannt.

Nach eigenen Untersuchungen forderte der Vatikan im Jahr 2006 die Mitglieder der Gemeinschaft auf, die Verehrung des Ordensgründers, die „bisweilen Züge eines Personenkultes trug“, zu beenden. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes entging Pater Marcial Maciel einem kirchenrechtlichen Verfahren. Die „Legionäre Christi“ verurteilten das Verhalten ihres Gründers und versprachen interne Konsequenzen. Die vatikanischen Untersuchungen wurden mittlerweile mit dem Hinweis abgeschlossen, dass man glaubhaft von einem Neuanfang in der Gemeinschaft ausgehen kann.

 Karl-Leisner-Jugend
Die Karl-Leisner-Jugend ist eine Gruppe von 16 Priestern aus dem Bistum Münster. Vorwiegend in der Pfarr- und Schulseelsorge aktiv, sind sie verantwortlich für die Aktionen und inhaltliche Ausrichtung der Gruppe. Sie versteht sich selbst als ein Angebot an Jugendliche, Gruppenleiter, Jugendseelsorger und alle anderen, die sich in der Jugendpastoral engagieren. Eine Mitgliedschaft gibt es daher ebenso wenig wie eine Beteiligung der Kinder und Jugendlichen an der Ausgestaltung der Angebote.

Gegründet wurde die Karl-Leisner-Jugend, um in der katholischen Jugendarbeit einen anderen, eher konservativen Akzent zu setzen. Im Mittelpunkt stehen dabei mehr die Katechese und Verkündigung als ein soziales Engagement oder ein gesellschaftspolitischer Einsatz. Themenschwerpunkte ihrer Angebote sind etwa liturgische oder moraltheologische Fragen. Damit wird die Gruppe oft auch als Gegenbewegung zur klassischen kirchlichen Verbands- und Jugendarbeit mit ihren demokratischen Strukturen gesehen.

Benannt hat sich die Gruppe nach dem seligen Karl Leisner. Der aus Rees am Niederrhein stammende Priester starb 1945 an den Folgen seiner Haft im Konzentrationslager. Sein Grab befindet sich in der Krypta des Xantener Sankt-Viktor-Doms.

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