Kirche+Leben-Interview mit der Leiterin der Untersuchung

Studienautorin Heimbach-Steins: Nur scheinbare AfD-Nähe zur Kirche

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Wie viel die AfD von katholischen Positionen unterscheidet, belegt eine neue Studie. Kirche+Leben fragt die Leiterin Marianne Heimbach-Steins, was die Studie Christen bringen soll - und welche Nähe es zwischen christlichen Fundamentalisten und der AfD gibt.

Frau Heimbach-Steins, Sie haben AfD-Parteiprogramme mit Positionen der katholischen Soziallehre verglichen. Warum war es Ihnen und dem Forschenden-Team wichtig, sich an veröffentlichten Texten zu orientieren?

Unsere Analyse basiert auf Wahlprogrammen der AfD aus den letzten Jahren. Damit beziehen wir uns auf Texte, die auf Bundes- oder Landesparteitagen beschlossen worden sind. Unsere Ergebnisse sind an den Texten nachvollziehbar. Und anders als bei situativen Aussagen oder Posts einzelner Personen aus der Partei kann bei dem, was in den Programmen steht, niemand behaupten, es seien ja nur Einzelmeinungen und das Gesagte sei nicht so gemeint. Auch für die katholischen Positionen beziehen wir uns auf offizielle Texte des Papstes und der Gesamtkirche sowie der deutschen Bischöfe.

Laut Studie driften Positionen von AfD und katholischer Kirche immer weiter auseinander. Das scheint erwartbar. Was hat Sie an Ihren Ergebnissen überrascht?

Die komplette Studie
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In der Gesamttendenz spiegeln die Texte eine fortschreitende Radikalisierung der Partei. Das wird etwa in den Positionen zur Asyl- und Migrationspolitik deutlich. Begriffe aus der Identitären Bewegung wie „Remigration“ oder „Festung Europa“ werden benutzt, um eine radikale Anti-Migrationslinie zu vertreten. Auch in anderen Politikfeldern wirkt sich ein völkisches, nationalistisch geschlossenes Gesellschafts- und Solidaritätsverständnis aus. In der Sozialpolitik verbindet es sich mit einem höchst einseitigen Leistungsdenken. Unter diesem Vorzeichen wird das Verständnis sozialer Gerechtigkeit radikal umgedeutet: Nur diejenigen sollen von den Sozialsystemen profitieren, die zuvor entsprechende Leistungen erbracht haben. Das richtet sich nicht nur gegen Zugewanderte und alle, die die AfD als nicht zugehörig betrachtet, sondern auch gegen alle, die sie als schwach einstuft, zum Beispiel Menschen mit Behinderung. Die Schwächeren sollen die Leistungsfähigen nicht belasten. Darin zeigt sich ein krasses Anti-Solidaritätsdenken.

Viele Menschen, die AfD wählen oder dies erwägen, werden Ihre Studie kaum lesen. Wozu dient sie dann?

Marianne Heimbach-Steins leitet das Institut für Christliche Sozialwissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. Die Theologin und Sozialethikerin hat die neue Studie gemeinsam mit dem Sozialethiker Alexander Filipovic geleitet.

Wir wollen Material und Argumente für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Positionen der Partei anbieten. Damit werden wir Menschen erreichen, die sich Sorgen machen um den Erhalt einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft. Genau das ist unser Ziel: Die Menschen zu informieren und zu bestärken, die darüber nachdenken, welche Konsequenzen eine Politik, wie die AfD sie entwirft, für unsere Gesellschaft, für Europa und für die Bearbeitung der großen Probleme unserer Zeit hätte, und die dem etwas entgegensetzen wollen.

Zu christlichen Grundwerten zählen zum Beispiel die allgemeine und gleiche Würde von Menschen gleich welcher Nation oder Religion, die Pflicht zur gesellschaftlichen und weltweiten Solidarität und die Bewahrung der Schöpfung angesichts des wissenschaftlich belegten Klimawandels. All das teilt die AfD nicht. Warum wählen Christinnen und Christen sie dennoch oder kandidieren gar für sie?

Bei manchen Themen und bei oberflächlicher Betrachtung kann der Eindruck entstehen, die AfD trete für Positionen ein, die einem christlichen Menschenverständnis und gerade katholischen Positionen entsprechen. Zum Beispiel tritt die Partei für ein traditionelles Familienbild ein und möchte Frauen darin bestärken, der Erziehung ihrer Kinder den Vorrang vor Erwerbstätigkeit zu geben. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass sie damit etwas ganz Anderes anstrebt als die katholische Kirche: Es geht ihr um den Erhalt des „deutschen Staatsvolks“, Familienpolitik der AfD ist Bevölkerungspolitik für deutsche Mittelschichtfamilien. Über solche Beispiele einer nur scheinbaren Nähe hinaus können wir nicht ignorieren, dass es Verflechtungen zwischen der politischen Rechten und der religiösen Rechten gibt, die Menschen aus dem christlich-fundamentalistischen Spektrum in eine Nähe zur AfD bringt. Demgegenüber scheint es mir aber sehr wichtig zu betonen, dass gerade Menschen, die sich aus christlicher Überzeugung gesellschaftlich und politisch engagieren, in der Regel weniger anfällig für rechtspopulistische und rechtsextreme Propaganda sind. Diese Menschen in ihrem Engagement zu bestärken und zu unterstützen, ist ein zentrales Anliegen, das wir mit unserer Forschung verbinden.

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