Gast-Kommentar von Thorsten Hendricks zu offenen Kirchen

Alltag braucht Unterbrechung

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Die Sommerferien sind vorbei, ein neues Schuljahr startet. Haben Sie die Ruhetage genutzt, um neue Kraft zu tanken? Dechant Thorsten Hendricks erläutert in seinem Gast-Kommentar, welchen Beitrag offene Kirchen bieten können, um zur Ruhe zu kommen.

Ferienzeit – in Nordrhein-Westfalen sind die Sommerferien gerade vorbei, in Niedersachsen dauern sie noch einige Zeit. „Ferien“ – von der lateinischen Wortherkunft „feriae“ her ist es interessant, sich mit diesem Begriff einmal auseinanderzusetzen. „Feriae“ heißt übersetzt Festtage, Ruhetage. Interessant finde ich, dass dies ja eigentlich zwei entgegengesetzte Begriffe sind. Festtage müssen vorbereitet und organisiert werden. Da geht es hoch her. Da ist es laut mit viel Drumherum.

Ruhetage sind doch das genaue Gegenteil: Still und erholsam sollen sie sein. Jugendliche bringen diesen Begriff mit „Chillen“ zusammen: abhängen, nichts tun. Vielleicht ist aber auch genau dieser Gegensatz so wichtig für die schönste Zeit des Jahres, die Festzeit: Ferien sollen das alltägliche Einerlei unterbrechen, sollen zum Fest für Körper und Geist werden.

 

Vieles ist in der Kirche im Umbruch

 

Der Autor
Thorsten Hendricks ist Pfarrer in St. Franziskus Duisburg-Homberg und Dechant im Dekanat Duisburg-West.

Der Begriff „feriae“ meint aber auch ursprünglich die für religiöse Handlungen bestimmten Tage mit „fanum“ (fanatisch) und „festus“ (Fest) zu einem Substantiv mit der Bedeutung „religiöse Handlung“. Und da sind wir schnell bei unserer derzeitigen kirchlichen Großwetterlage: Vieles ist im Umbruch. Die Kirchenaustrittszahlen schnellen nach oben, und das nicht erst seit gestern. Dazu kommt die Coronasituation, die wie ein Brandbeschleuniger oder Katalysator für gesellschaftliche und kirchliche Umbrüche sorgt und auch weiterhin sorgen wird.

Sind nicht gerade in diesen Krisenzeiten geöffnete Kirchen ein wichtiges Zeichen für Fest und Ruhe? Eine Einladung zur Stille, zum Kerzenanzünden, zum persönlichen Gebet oder für ein seelsorgliches Gespräch. Viele Menschen berichten mir: Das hat gutgetan, das gibt mir Kraft, die Zeit in der offenen Kirche hat mir meinen spröden Alltag zum Fest werden lassen.

 

Offene Kirche ist Fest und Ruhe zugleich

 

„Feriae“ – Ferien: Fest und Ruhe. Beides können wir in unserer kirchlichen Situation nutzen, um den Menschen zu zeigen: Wir sind für euch da, nicht nur zu den ohnehin weniger werdenden Sprechzeiten im Pfarrbüro oder wo auch immer. Offene Kirche ist Fest und Ruhe zugleich. Und die Bilder aus den Hochwassergebieten an der Ahr oder der Mosel zeigen uns dazu noch Kirchen, die als Materiallager für Lebensmittel, Kleidung und weitere Hilfsmittel geöffnet sind.

Was haben wir als Kirche noch zu bieten, das frage ich mich als Seelsorger vor Ort oft. In diesen Krisenzeiten von Corona und Flut, von Katastrophen und Unglücken: Unsere Kirchen sind offen. Sie laden ein für eine Unterbrechung des Alltags, des Leids, der Trauer oder der Not. Wie viele Kerzen werden in unseren Kirchen angezündet und zeugen davon, dass Festtag und Ruhetag in unseren kirchlichen Räumen zusammenfinden. Nur so geht´s!

Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von "Kirche-und-Leben.de" wider.

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