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„Wir in unserer Mädchen-Clique waren echt stolz“, sagt Teresa Borgert. „Als wir 1992 zum ersten Mal als Messdienerinnen eingesetzt wurden, war das nicht nur etwas Besonderes, sondern auch etwas Revolutionäres.“ Die 39-Jährige wird noch deutlicher, wenn sie sich an ihre Kinderzeit im münsterländischen Gescher erinnert. „Wir fanden es doch total bescheuert, dass das vorher nur Jungen machen durften.“
So einfach umzusetzen war das damals nicht. Als Papst Johannes Pauls II. in eben jenem Jahr bestätigte, dass alle Laien, also auch Mädchen, Dienst am Altar tuen durften, war das längst nicht in allen Pfarreien sofort die Regel. In einigen Gemeinden preschten sie sofort los, in anderen sollte es noch Jahre dauern, bis die ersten Messdienerinnen in die Kirchen einzogen. Abhängig war das oft von der Sichtweise des leitenden Pfarrers. So auch in Gescher.
Unterschiedliche Auffassungen
„Hier im Ort gab es ganz unterschiedliche Auffassungen“, erinnert sich ihr Vater, Diakon Hubert Borgert. „Das lag an der Grundausrichtung der zwei Pfarreien.“ St. Pankratius sei zu jener Zeit sehr traditionell und konservativ geführt worden. „In St. Mariä Himmelfahrt hatten wir dagegen einen Pfarrer, der offen für neue Impulse war.“
Diakon Hubert Borgert erlebte als Mitglied des Pfarrgemeinderats die Disskussion über die ersten Messdienerinnen. | Foto: privat
Die Hürde im Pfarrgemeinderat von St. Mariä Himmelfahrt nahm der Vorschlag zwar auch nicht aus dem Stand, aber doch schnell, sagt Borgert. Der heute 65-Jährige war damals selbst Mitglied in dem Gremium, das über die Zulassung der ersten Messdienerinnen diskutierte. Einige Gegenargumente standen im Raum. „Da gab es zum Beispiel die Sorge, dass die Mädchen eine ernste Konkurrenz für die Jungen werden könnten.“ Sollten die Ministrantinnen nach einiger Zeit die Ministranten vom Altar verdrängen? „Mädchen seien in der Regel zuverlässiger, wurde gemutmaßt.“
Keine echten theologischen Einwände im Pfarrgemeinderat
Der Blick in die Nachbargemeinde Herz-Jesu in Coesfeld-Goxel entkräftete das Argument. „Die machen das schon länger und es funktioniert.“ Echte theologische Einwände, den Dienst etwa weiterhin als Zwischenstation auf dem Weg zur Diakon- oder Priesterweihe zu sehen, gab es im Pfarrgemeinderat nicht, sagt Borgert. „Dafür waren wir zu vorwärtsgerichtet.“ Lektorinnen und Kommunionhelferinnen gab es zu dem Zeitpunkt schon lange in St. Mariä Himmelfahrt. „Das muss ab Anfang der 1970er Jahre möglich gewesen sein, als ich meine Frau kennenlernte – da war sie bereits Lektorin.“ Am Ende stimmten etwa 75 Prozent der Delegierten, nun auch Ministrantinnen zuzulassen.
Der Pfarrer in St. Pankratius bezog eine andere Position, weiß Borgert noch genau: „Er sagte, dass es so etwas bei ihm nicht geben werde.“ Dort dauerte es noch ein paar Jahre, bis die ersten Messdienerinnen am Altar standen. Die Freude in St. Mariä Himmelfahrt über die Gründung der ersten beiden Gruppen für Mädchen 1992 aber war groß. „Sie haben sich schnell in den Gottesdiensten etabliert.“ Problematisch war am Anfang nur die Leitung der Gruppenstunden und das liturgische Einüben. Das übernahmen zunächst die Jungen, weil es noch keine erfahrenen Messdiener-Leiterinnen gab.
Konkurrenz zwischen den Geschlechtern
Teresa Borgert gehörte 1992 zu den ersten Messdienerinnen in Gescher. | Foto: privat
Teresa Borgert erinnert sich mit einem Lachen an jene Zeit. „Das hört sich heute an wie aus einer anderen Welt.“ Sie selbst wurde schnell Leiterin einer Gruppe, in denen bald Jungen und Mädchen gemischt wurden. Zur Konkurrenz zwischen den Geschlechtern sei es deshalb nie gekommen. „Nur so, wie Mädchen und Jungen in dem Alter halt rivalisieren.“ Die Probe für den ersten gemeinsamen Gottesdienst hat sie deshalb noch gut in Erinnerung: „Wir Messdienerinnen hatten alles im Griff, die Jungs haben nichts auf die Reihe bekommen.“
Jetzt, fast 30 Jahre später, ist ihr Einsatz im Übrigen auch formell genehmigt. Mädchen und Frauen können als beauftragte Messdiener offiziell tätig werden, seitdem Papst Franziskus in dieser Woche das Kirchenrecht entsprechend geändert hat. Nicht nur in Gescher, sondern auf der ganzen Welt ist das alles schon längst zur Praxis geworden. In einigen Pfarreien früher, in anderen später.