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Trotz aller Fundamentalkritik und inmitten allen Relevanzverlusts: Wo immer Menschen angstvoll und sprachlos vor dem Tod stehen, traut die Gesellschaft der Kirche nach wie vor viel zu. Das tut nicht nur gut, daraus sollte sie auch lernen, meint Chefredakteur Markus Nolte in seinem Kommentar.
Mit dem Sterben kennt sich die Kirche aus. Sei es durch seelsorgliche Begleitung, für die sich endlich auch nicht geweihte Seelsorgende – hauptamtlich wie ehrenamtlich – berufen wissen und qualifizieren, von der Sterbebegleitung im Hospiz bis zum Beerdigungsdienst. Sei es aber auch durch Rituale und Traditionen, Gebete und Gesänge, die wie von selbst zur Hand sind als tröstliche Handreichung in Situationen, in denen sich mit dem Weggang eines geliebten Menschen auch Wort und Halt und Sinn zu verflüchtigen scheinen.
Es ist ein ungeheurer Schatz aus Erfahrung und Seelenkenntnis, den unsere Religion den Menschen zu reichen vermag – natürlich nicht nur den Getauften, sondern auch jenen Zeitgenossen, die gar nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Wenn es ans Sterben geht, ist das oft nicht mehr so wichtig.
Die Angst vor dem Aus
Trotz aller Fundamentalkritik und inmitten allen Relevanzverlusts: Da ist das Christentum selbst für jene unbezweifelt glaubwürdig, für die mit dem Tod zwar alles aus ist, die aber gleichwohl mit dem Schmerz darüber maßlos überfordert sind. Womöglich auch mit der beklemmenden Angst davor, das Schweigen und die Stille unbeantworteter Sinnfragen angesichts dieses vermeintlichen „Aus“ nicht auszuhalten.
Da ist die Kirche stark, weil sie – wo Sterben und Tod verschwiegen werden und die Angst davor sprachlos macht – diese Realität ausspricht: in jedem Gottesdienst, in jedem Gebet, das mit dem Kreuzzeichen beginnt.
Fragen ohne Antworten und billigen Trost
Da ist die Kirche stark, weil sie unserer Gesellschaft Räume offen hält, in denen Tod und Trauer sein dürfen, auch Fragen ohne Antworten und (da sei Gott vor) ohne billigen Trost: Seelenräume aus schweigender Ratlosigkeit, feinfühligem Trösten, herzlichem Erinnern und redlichem Zuspruch; aber natürlich auch konkret unsere Gotteshäuser und Friedhöfe.
Da ist die Kirche stark, wenn jetzt an Allerheiligen und Allerseelen der alljährlich aufbrechende Trauerschmerz aufgehoben sein kann im alten Ritus der Gräbersegnung, der vertrauten Gebete, dem Aussprechen der Totennamen im Gottesdienst.
Wie tröstlich: Es tut so gut, unsere Kirche zu erleben, wo und wenn sie richtig gut ist. Sie sollte mehr beweisen, dass sie das auch ist, wenn es ums Leben geht.