Was geschah am 26. Juli 1929 am Gnadenbild?

Andachtsbildchen mit späterem Papst Pius XII. in Telgte

Dass Fake News keine neue Erscheinung sind, zeigt ein Andachtsbildchen von Papst Pius XII. in Telgte aus dem Jahr 1929. Was es damit auf sich hat, darüber hat Wallfahrtsforscher Heinz Stratmann Nachforschungen angestellt.

 

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Am 26. Juli 1929 war Eugenio Pacelli, Apostolischer Nuntius des Heiligen Stuhls in Preußen und beim Deutschen Reich, am späten Nachmittag auf dem Weg von Osnabrück zum Kloster Gerleve. Unterwegs gab es einen Halt in Telgte, wo der spätere Papst Pius XII. dem Gnadenbild der Schmerzhaften Mutter einen Besuch abstattete. Da Berichte darüber fehlen, kann man nur annehmen, dass Pa­celli privat in Telgte war.

 

Über Telgte von Osnabrück nach Gerleve

 

Im Bistum Osnabrück hatte er in den Tagen zuvor die neue Klosterkirche der Thuiner Franziskanerinnen geweiht, den Osnabrücker Dom, das Diözesanmuseum und verschiedene Kirchen besucht und viele Gespräche geführt. In Gerleve wollte er an Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen des Klosters als Abtei teilnehmen.

Dass Pacelli an diesem Julitag des Jahres 1929, einem Freitag, in Telgte war, kann aber doch nicht ganz geheim geblieben sein. Denn fast zehn Jahre später, als Pacelli gerade zum Papst gewählt geworden war, wurde bei der Regensbergschen Verlagsbuchhandlung in Münster ein gefaltetes Andachtsbildchen mit wichtigen Lebensdaten des neuen Papstes gedruckt. Unter seinem Bild steht: „Papst Pius XII. besuchte die Gnadenkapelle zu Telgte am 26. Juli 1929.“

 

Still und privat

 

Der Telgter Wallfahrtsforscher Heinz Stratmann, pensionierter Lehrer, wurde auf dieses Andachtsbild 2016 aufmerksam und begann mit Recherchen zu diesem hohen Besuch in Telgte. Dass es sich nicht um einen Papstbesuch handelte, wie der Gedenkzettel suggeriert, war Stratmann klar. Pacelli war im Sommer 1929 noch Nuntius und wurde erst zehn Jahre später Papst. Doch Stratmann fand keine weiteren Informationen über den Abstecher Pacellis nach Telgte. Er folgert daraus: „Das war ein stiller, privater Besuch.“

Gut ein Jahr später erlebte Telgte mit der großen Dankwallfahrt am Ende des Katholikentags, am 8. September 1930, einen Höhepunkt seiner Wallfahrtsgeschichte. Auch der Apostolische Nuntius nahm an dieser Wallfahrt teil. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Pacelli, der nach Rom abberufen worden war, Nuntius, sondern Cesare Orsenigo.

 

Pacellis Verbindungen zu Münster

 

Auch mit dieser Dankwallfahrt hat sich Heinz Stratmann ausführlich beschäftigt. Alle Telgter seien in die Vorbereitung eingebunden worden, um die Stadt für dieses Ereignis zu schmücken. Stratmann ist fasziniert davon, dass zwei Apostolische Nuntien im Abstand von gut einem Jahr in Telgte waren: der eine ganz privat, fast unbemerkt und zum stillen Gebet, der andere offiziell, mit allen Ehren und der Feier eines Pontifikalamts mit Tausenden von Pilgern.

Eugenio Pacelli war zwölf Jahre lang Botschafter des Heiligen Stuhls in Deutschland – zunächst in München, dann in Berlin. Er kam immer wieder nach Münster und besuchte beispielsweise schon 1917 das Kriegsgefangenenlager bei Haus Spital. Auch hatte er Freunde in Münster. Und er kannte Münsters späteren Bischof Clemens August Graf von Galen gut. In Berlin, wo Galen seit 1919 Pfarrer an St. Mat­thias war, haben sich die beiden kennengelernt und getroffen.

 

„Pacelli wusste von Telgte durch von Galen“

 

Im April 1929 wurde Galen Pfarrer von St. Lamberti in Münster. Drei Monate später besuchte Pacelli Telgte. Haben sich die beiden dort getroffen? Hatte Galen dem Nuntius einen Besuch in Telgte ans Herz gelegt? War es Galen, der die Information über Pacellis Telgte-Besuch zehn Jahre später weitergab? Man weiß es nicht.

Heinz Stratmann ist sich aber sicher: „Pacelli wusste von Telgte durch von Galen.“ Denn dieser, seine Familie und weitere Adelsfamilien hätten sich jährlich am Freitag vor Palmsonntag in Telgte getroffen. Dass Galen oft und gern nach Telgte gepilgert war, ist allgemein bekannt.

 

Ein einfacher Pilger wird Papst

 

Stratmann zweifelt auch nicht daran, dass der Besuch des Nuntius' in Telgte rein privater Natur war. Der für seine Frömmigkeit bekannte Pacelli, dem im Text des Andachtszettels eine „religiöse Glut seiner Seele“ bescheinigt wird, wird wie zahllose andere Pilger als einfacher Christ vor dem Gnadenbild gebetet haben.

Wenige Monate später wurde Pacelli nach Rom abberufen, zum Kardinal erhoben und päpstlicher Staatssekretär. Nach dem Tod Pius' XI. wurde Pacelli am ersten Wahltag des Konklaves, am 2. März 1939, dessen Nachfolger.

Während des Katholikentags lädt das Bistum Münster zu einer Wallfahrt nach Telgte ein. Am Samstag, 12. Mai, geht es in Münster um 9 Uhr auf die zwölf Kilometer lange Pilgerstrecke. Nach Ankunft in Telgte gibt es einen Mittagsimbiss auf den Emswiesen. Die Pilgermesse mit Bischof Felix Genn ist um 14 Uhr.

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