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„Nicht zuletzt in existenziellen Krisen zeigt sich die Lebensrelevanz von Ostern“, sagt Münsters Diözesan-Administrator im österlichen Leitartikel.
„Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens“ – so lautet der letzte Satz von Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Widerstandskämpfer im Dritten Reich, der vor 80 Jahren im KZ Flossenbürg am Galgen hingerichtet wurde. Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens. Prägnanter kann man die Botschaft von Ostern kaum formulieren. Zu Ostern feiern wir Christen das Fest der Auferstehung Jesu Christi, den Kern unseres Glaubens und die Quelle unserer Hoffnung. Zugleich feiern wir unseren Glauben, dass mit unserem Tod auch für uns neues Leben beginnt.
Als Bonhoeffer seinen letzten Satz sprach, lag eine Zeit des Hoffens und Bangens, der Verzweiflung und der Zuversicht hinter ihm. Er starb mit nur 39 Jahren – ermordet von nationalsozialistischen Schergen. Hinter ihm lagen zwei Jahre bitterer Zeit im Gefängnis, nachdem er 1943 verhaftet worden war. Sein Verbrechen: leidenschaftlicher Protest gegen die Nationalsozialisten und eine aktive Rolle im Widerstand gegen Hitler.
Von guten Mächten geborgen
Nur wenige Theologen des 20. Jahrhunderts haben so tief in Kirche und Gesellschaft hineingewirkt wie er. Sein politisches und gesellschaftliches Agieren war untrennbar verbunden mit einer tiefen Spiritualität, der wir zahlreiche geistliche Texte verdanken wie „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Sein Glaube war nie Abkehr von der Welt – im Gegenteil: Glaube und Leben in und für die Gesellschaft, für andere, das sind für ihn zwei Seiten einer Medaille. Zwischen Hoffen und Bangen – ähnlich beschreibt die Bibel die letzten Tage Jesu.
Es ist ein großes Drama, an das wir an den Kar- und Ostertagen denken, ein großes Drama, das den Menschen in seiner ganzen Ambivalenz zeigt – Jubel und Hochgefühl, Liebe und Dienst für den Nächsten, Verrat und Verfolgung, ungerechte Verurteilung und rohe Gewalt, Feigheit und Barmherzigkeit, tiefe Verlassenheit und stilles Ausharren im Leid. Höhen und Tiefen, die das menschliche Leben prägen. Und am Schluss Leben, Zuversicht, Hoffnung. Diese Ambivalenz kommt zum Ausdruck in den großen Liturgien der Kar- und Ostertage – die Düsteren Metten am Mittwoch der Karwoche mit ihrer tiefen Traurigkeit, der Gründonnerstag mit den berührenden Zeichen der Liebe – Fußwaschung und Abendmahl, der Karfreitag mit Verrat, Gewalt und Tod, der Karsamstag mit Verlassenheit und Trauer. Und schließlich die Osternacht mit dem Zug durch das Dunkel ins Licht, mit dem Jubel des Lebens über den Tod.
Glaube erspart kein Leid
Aus dieser österlichen Botschaft schöpfen Menschen seit Jahrhunderten Hoffnung. Nicht zuletzt in existenziellen Krisen zeigt sich die Lebensrelevanz von Ostern – das ist meine persönliche Erfahrung. Wenn Krankheit, Leid oder der Verlust eines geliebten Menschen unser Leben erschüttern, wenn uns Zukunftsängste und Unsicherheiten bedrücken – dann kann die Botschaft von Ostern Halt, Trost und Hoffnung geben. Dabei bedeutet der Glaube an die Auferstehung nicht, dass uns Leid erspart bleibt. Denn: Jesus selbst hat erfahren, wie abgründig menschliches Leben sein kann.
Der Tod eines geliebten Menschen, die lebensbedrohliche Krankheit, die existenziellen wirtschaftlichen Sorgen, die tiefe persönliche Enttäuschung oder die verzehrende Sorge um einen anderen Menschen werden dadurch nicht aufgehoben. Aber vielleicht kann sich der eigene Blick darauf verändern – so wie die Jünger nach der Auferstehung auch erst lernen müssen, neu zu sehen, um den Auferstanden zu erkennen. Sie müssen eine neue Perspektive einnehmen, im wahrsten Sinne des Wortes den Durchblick bekommen, um verändert auf die Situation, auf den Tod Jesu zu schauen.
Wir sind Gott zu kostbar