OSTER-LEITARTIKEL

Antonius Hamers: Aufstehen! Und das Leben wählen

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„Nicht zuletzt in existenziellen Krisen zeigt sich die Lebensrelevanz von Ostern“, sagt Münsters Diözesan-Administrator im österlichen Leitartikel.

 

„Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens“ – so lautet der letzte Satz von Dietrich Bonhoeffer, Theologe und Widerstandskämpfer im Dritten Reich, der vor 80 Jahren im KZ Flossenbürg am Galgen hingerichtet wurde. Dies ist das Ende, für mich der Beginn des Lebens. Prägnanter kann man die Botschaft von Ostern kaum formulieren. Zu Ostern feiern wir Christen das Fest der Auferstehung Jesu Christi, den Kern unseres Glaubens und die Quelle unserer Hoffnung. Zugleich feiern wir unseren Glauben, dass mit unserem Tod auch für uns neues Leben beginnt.

Als Bonhoeffer seinen letzten Satz sprach, lag eine Zeit des Hoffens und Bangens, der Verzweiflung und der Zuversicht hinter ihm. Er starb mit nur 39 Jahren – ermordet von nationalsozialistischen Schergen. Hinter ihm lagen zwei Jahre bitterer Zeit im Gefängnis, nachdem er 1943 verhaftet worden war. Sein Verbrechen: leidenschaftlicher Protest gegen die Nationalsozialisten und eine aktive Rolle im Widerstand gegen Hitler.

Von guten Mächten geborgen

Nur wenige Theologen des 20. Jahrhunderts haben so tief in Kirche und Gesellschaft hineingewirkt wie er. Sein politisches und gesellschaftliches Agieren war untrennbar verbunden mit einer tiefen Spiritualität, der wir zahlreiche geistliche Texte verdanken wie „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Sein Glaube war nie Abkehr von der Welt – im Gegenteil: Glaube und Leben in und für die Gesellschaft, für andere, das sind für ihn zwei Seiten einer Medaille. Zwischen Hoffen und Bangen – ähnlich beschreibt die Bibel die letzten Tage Jesu. 

Es ist ein großes Drama, an das wir an den Kar- und Ostertagen denken, ein großes Drama, das den Menschen in seiner ganzen Ambivalenz zeigt – Jubel und Hochgefühl, Liebe und Dienst für den Nächsten, Verrat und Verfolgung, ungerechte Verurteilung und rohe Gewalt, Feigheit und Barmherzigkeit, tiefe Verlassenheit und stilles Ausharren im Leid. Höhen und Tiefen, die das menschliche Leben prägen. Und am Schluss Leben, Zuversicht, Hoffnung. Diese Ambivalenz kommt zum Ausdruck in den großen Liturgien der Kar- und Ostertage – die Düsteren Metten am Mittwoch der Karwoche mit ihrer tiefen Traurigkeit, der Gründonnerstag mit den berührenden Zeichen der Liebe – Fußwaschung und Abendmahl, der Karfreitag mit Verrat, Gewalt und Tod, der Karsamstag mit Verlassenheit und Trauer. Und schließlich die Osternacht mit dem Zug durch das Dunkel ins Licht, mit dem Jubel des Lebens über den Tod. 

Glaube erspart kein Leid

Aus dieser österlichen Botschaft schöpfen Menschen seit Jahrhunderten Hoffnung. Nicht zuletzt in existenziellen Krisen zeigt sich die Lebensrelevanz von Ostern – das ist meine persönliche Erfahrung. Wenn Krankheit, Leid oder der Verlust eines geliebten Menschen unser Leben erschüttern, wenn uns Zukunftsängste und Unsicherheiten bedrücken – dann kann die Botschaft von Ostern Halt, Trost und Hoffnung geben. Dabei bedeutet der Glaube an die Auferstehung nicht, dass uns Leid erspart bleibt. Denn: Jesus selbst hat erfahren, wie abgründig menschliches Leben sein kann. 

Der Tod eines geliebten Menschen, die lebensbedrohliche Krankheit, die existenziellen wirtschaftlichen Sorgen, die tiefe persönliche Enttäuschung oder die verzehrende Sorge um einen anderen Menschen werden dadurch nicht aufgehoben. Aber vielleicht kann sich der eigene Blick darauf verändern – so wie die Jünger nach der Auferstehung auch erst lernen müssen, neu zu sehen, um den Auferstanden zu erkennen. Sie müssen eine neue Perspektive einnehmen, im wahrsten Sinne des Wortes den Durchblick bekommen, um verändert auf die Situation, auf den Tod Jesu zu schauen. 

Wir sind Gott zu kostbar

 

Denn: Der Tod hat nicht das letzte Wort; Gottes Liebe ist stärker als alles Dunkel dieser Welt. Wenn wir im Glauben eine Beziehung zu Gott eingehen, dann dürfen wir darauf vertrauen, dass diese Beziehung auch in den abgrundtief traurigen Situationen des Lebens zwar auf eine harte Belastung gestellt wird, aber trägt. Und, dass diese Beziehung auch im eigenen Tod nicht endet. Wir sind Gott zu kostbar, zu wichtig, als dass er uns im Tod ins Nichts entließe. Aus Liebe hat er uns ins Dasein gerufen – aus Liebe hält er uns – über den Tod hinaus. Das ist unsere Hoffnung.

Im Alten Testament, in der Geschichte des jüdischen Volkes gibt es die Institution des Jubeljahres. So wie der Sabbat den Ablauf der Woche unterbricht, so soll das Jubeljahr den Ablauf der Jahre unterbrechen und den Menschen auf Gott ausrichten. Zentraler Gedanke ist die Freiheit, die Gott schenkt. Allen Menschen soll ermöglicht werden, in Freiheit neu zu beginnen. Schulden werden erlassen, Abhängigkeiten aufgehoben. In dieser Tradition stehen die Heiligen Jahre, die in der Kirche seit vielen Jahrhunderten begangen werden. 

Zuversicht und Weitsicht

In diesem Jahr hat Papst Franziskus ein Heiliges Jahr ausgerufen, das uns auffordert, Pilger der Hoffnung zu sein. Ziel ist es, unsere Beziehung zu Jesus Christus, dem Grund unserer Hoffnung, zu vertiefen, damit wir in Zeiten von Kriegen und globalen Krisen eine Zeit der Besinnung und Erneuerung schaffen. Christinnen und Christen und alle Menschen guten Willens sollen wieder Hoffnung schöpfen können und selbst zu Hoffnungsträgern werden.

Dabei geht es nicht darum, die Probleme und Herausforderungen der Gegenwart auszublenden und alles „rosarot“ zu sehen. Die Botschaft der Auferstehung will uns ermutigen, hier und jetzt aufzustehen und leidenschaftlich das Leben zu wählen – weil Gott ein Gott des Lebens ist.

Eine Botschaft, die antreibt

Die Osterbotschaft kann uns als Hoffnungsbotschaft antreiben, dass wir uns für Frieden und eine gerechtere Welt, für die Armen, Unterdrückten und Heimatlosen einsetzen. Oder – um es mit Papst Franziskus zu sagen: „Wir müssen die empfangene Hoffnungsfackel weiter brennen lassen und alles tun, damit alle wieder die Kraft und die Gewissheit zurückgewinnen, um mit offenem Geist, Zuversicht und Weitsicht in die Zukunft zu blicken.“

Das wünsche ich Ihnen und allen, die zu Ihnen gehören, von Herzen: Trotz aller privaten und politischen Zumutungen, trotz aller Traurigkeiten und Sorgen mit offenem Geist, Zuversicht und Weitsicht in die Zukunft zu schauen. Denn: Christus ist auferstanden – und mit ihm auch unsere Hoffnung. Ihnen, Ihren Familien und allen, die zu Ihnen gehören, ein gesegnetes, ein frohes Osterfest!

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