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Unter den 4.000 Teilnehmenden der Konferenz ist auch ein katholischer Bischof – und deutschsprachige Christen spielen dort ein vielsagendes Spiel.
In Deutschland ist der Rechtsruck offensichtlich. Zunehmend sind mehr Abgeordnete der AfD in den Parlamenten vertreten und wollen ihren Einfluss auf alle Bereiche der Gesellschaft ausdehnen. Allerdings vernetzt sich die radikale Rechte immer schon über nationale Grenzen hinaus. Beim Knüpfen und Festigen solcher Verbindungen spielten in der Vergangenheit Kongresse häufig eine wichtige Rolle. Auch weil dort in vielen Fällen nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter aus Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Religion anwesend sind – nicht zuletzt prominente christliche Namen.
Eine solche Veranstaltung findet in diesen Tagen in London statt: Die Konferenz der Alliance for Responsible Citizenship (ARC). Der kanadische Psychologe und politische Aktivist Jordan Peterson gründete die ARC 2023 zusammen mit dem britischen Oberhausmitglied Philippa Stroud (Conservative Party), dem ehemaligen australischen Vize-Premierminister John Anderson (National Party) sowie dem britischen Hedgefonds-Manager Paul Marshall.
ARC: Westliche Gesellschaften stehen an Wendepunkt
Besonders Marshall ist für sein politisches Engagement bekannt: Er unterstützte in den vergangenen Jahren die Kampagne für einen EU-Austritt Großbritanniens und zahlreiche rechte Medienprojekte wie den Fernsehsender „GB News“. Im Februar 2024 enthüllte die Londoner Nichtregierungsorganisation „Hope not Hate“, dass der Manager mit einem anonymen X-Account namens „Areopagus123“ zahlreiche Tweets geteilt hatte, die den menschengemachten Klimawandel leugnen oder „Massenabschiebungen“ fordern.
Für die ARC ist es nach 2024 die zweite „globale“ Veranstaltung dieser Art in London. Eigenen Angaben zufolge will sie damit 4.000 Menschen zusammenbringen und die „Grundlagen unserer Zivilisation“ neu legen. Die Konferenz sei ausverkauft. Die ARC beschreibt sich selbst als „internationale Bewegung mit einer Vision für eine bessere Welt, in der mündige Bürger Verantwortung übernehmen und zusammenarbeiten, um ihren Familien, Gemeinschaften und Nationen Wohlstand zu bringen“. Die westlichen Gesellschaften stünden an einem „Wendepunkt“: Die ARC lehne allerdings die „Unvermeidbarkeit des Untergangs“ ab und suche lieber nach „Lösungen, die sich auf die höchsten Tugenden der Menschheit […] stützen“.
Große Präsenz rechter Politiker
Was das genau bedeutet, wird mit Blick auf die geladenen Gäste deutlich. Zunächst treten auf der Konferenz viele Politiker der radikalen Rechten auf. Unter ihnen dürfte der britische Parlamentarier Nigel Farage hierzulande der bekannteste sein. Er kämpfte jahrelang für den EU-Austritt Großbritanniens – zunächst in der UK Independence Party und später in der Brexit-Party.
Dann ist da zum auch Beispiel Katalin Novák, die von 2022 bis 2024 in Ungarn für Viktor Orbáns Partei Fidesz als Präsidentin amtierte. Sie musste zurücktreten, weil sie im April 2023 den stellvertretenden Leiter eines Kinderheims begnadigt hatte, der wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch von Minderjährigen verurteilt worden war.
Trumps Energieminister in London
Aktuell von politischer Relevanz ist aber eher, dass Donald Trumps neuer Energieminister Chris Wright auf der Konferenz einen Vortrag halten wird. Vor seiner Vereidigung am 3. Februar dieses Jahres war der Unternehmer CEO von Liberty Energy, einem der größten Fracking-Unternehmen der USA. 2023 gab er in einem LinkedIn-Video zu Protokoll, dass es keine „Klimakrise“ gebe und die Welt auch nicht auf dem Weg zu einer Energiewende sei.
Aus Trumps weiterem Umfeld nimmt der deutschstämmige US-Milliardär Peter Thiel an der Konferenz teil. Er kam durch den Verkauf des Bezahldienstes PayPal Anfang der 2000er-Jahre zu Geld. Diesen hatte Thiel gemeinsam mit Elon Musk gegründet, der heute auch für die Trump-Regierung tätig ist. Seither legte Thiel sein Geld nicht nur in Hochtechnologieunternehmen wie Facebook, sondern auch in Wahlkämpfen von Trump-nahen Republikanern an. Darunter ist zum Beispiel der heutige US-Vizepräsident J.D. Vance. Mit ihm habe Thiel 40 Millionen in die christliche Gebetsapp „Hallow“ investiert, so das US-Magazin „Mother Jones“ 2022.
Sichtbare Präsenz der religiösen Rechten
Diese App baut eine Brücke zu Teilnehmern der Konferenz, die im weiteren Sinne dem religiösen Feld zuzuordnen sind. Via „Hallow“ können Interessierte zum Beispiel den Sonntagspredigten von Robert Barron lauschen, dem katholischen Bischof von Winona-Rochester in Minnesota. Auch er wird in London anwesend sein. Barron inszenierte sich in der Vergangenheit als Kämpfer gegen den sogenannten „Wokeismus“ und spricht deshalb häufig öffentlich mit Aktivisten, die diese Position teilen.
Als der Theologe Massimo Faggioli im April 2024 in einem Artikel für die katholische Zeitschrift „Commonweal“ auf Barrons Verbindungen zum Milieu um Trump hinwies, drohte der Bischof dem Medium mit rechtlichen Schritten. Man sehe es als Verleumdung an, in „irgendeiner Weise“ mit Trump oder dem Trumpismus in Verbindung gebracht zu werden. Allerdings begrüßte Barron trotzdem jüngst im Namen der US-Bischofskonferenz mehrere gegen trans Personen gerichtete Dekrete der Trump-Regierung.
Verbindungen zum Christentum in Deutschland und Österreich
Mit der deutschsprachigen Version der „Hallow“-App ist ein weiterer der Teilnehmer der ARC-Konferenz verbunden: der Theologe Johannes Hartl, Gründer des „Gebetshauses Augsburg“ und Organisator von Glaubensfestivals wie „Mehr“ oder „ZimZum“. Von ihm finden sich unter anderem das Hörbuch „Gott ungezähmt“ und ein Lobpreis-Album mit verschiedenen Künstlern aus dem Gebetshaus-Umfeld auf der App.
Die ARC selbst präsentiert auf seiner Internetseite mehrere Gespräche mit dem Theologen. Hartl nahm wie Peterson im vergangenen Jahr an einer Veranstaltung des deutschen ARC-Ablegers auf Schloss Maxlrain in Oberbayern teil. Dort entstand ein Selfie mit der evangelikalen Influencerin Jana Hochhalter, die bereits ebenfalls auf „Hallow“ zu hören war.