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CSU-Chef Markus Söder mahnt die Kirchen, sich um ihr Kerngeschäft zu kümmern. Marianne Heimbach-Steins sagt: Genau das geschieht in der Kritik.
Die Kirchen sollten sich um „die einen oder anderen mehr christlichen Themen“ kümmern, statt die Politik zu kritisieren, und sei es ein „Knallhart-Kurs“ gegen Migranten. So konterte Markus Söder beim CSU-Parteitag die scharfe Kritik der Kirchenvertreter*innen und katholischen Laienorganisationen die migrationspolitische Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.
In dem rechtlich, ethisch und politisch komplexen Themenfeld Asyl, Flucht, Migration vertreten die Kirchen seit langem andere Positionen als die jeweilige Regierung – und engagieren sich vielfältig in der Begleitung und Integration Geflüchteter und Zugewanderter. Ausführlich erörtert das ökumenische Wort „Migration menschenwürdig gestalten“ (2021) Herausforderungen von Asylgewährung, humanitärer Hilfe für Geflüchtete sowie wirtschaftlich motivierter Zuwanderung und begründet christliche Positionen.
Lebensschutz über das Abtreibungsrecht hinaus
Die Autorin
Marianne Heimbach-Steins ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster.
Zur Erinnerung: Fremd und notgedrungen unterwegs zu sein, gehört zu den Urerfahrungen des biblischen Israel, übrigens auch des Lebens Jesu. Die Liebe zum Nächsten endet nach dem Anspruch biblischer Ethik nicht beim „Fremden“, ja nicht einmal beim „Feind“.
Das Ethos der Nächstenliebe überschreitet Grenzen. Es fordert auf, jeder und jedem „Anderen“ mit dem Wohl-Wollen zu begegnen, das dem Bruder, der Schwester, den Geschwistern, die wir alle als Gotteskinder sind, gebührt. Das ist ein Kompass, der persönliches und politisches Handeln in Richtung „Lebensschutz“ orientieren kann, der nicht beim Abtreibungsrecht endet.
Regeln - ja, Anti-Rhetorik - nein
Um für die Menschen unterwegs und für die in den Zielgesellschaften faire Bedingungen des Lebens und Zusammenlebens zu sichern, braucht es Regeln für Asylgewährung, humanitäre Hilfe und Zuwanderung. Es braucht die konsequente Umsetzung des geltenden Rechts. Was es nicht braucht, ist diffamierende Anti-Migranten-Rhetorik und -Politik. Es hilft nicht, die Tragödien, die manche kriminelle oder psychisch kranke Fremde verursachen, mit anderen Maßstäben zu messen als vergleichbare Tragödien, die manche kriminelle oder psychisch kranke Einheimische verursachen.
Gott sei Dank ist es weder die Aufgabe der Politik zu definieren, was „christliche Themen“ sind, noch Aufgabe der Kirchen, politisches Handeln zu legitimieren. Wechselseitige Kritik ist hingegen in vielen Situationen wichtig und notwendig, wenn es darum geht, menschenrechtliche Anforderungen zu sichern, dafür ein- und aufzustehen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Gastkommentar entstand vor dem gestrigen mutmaßlichen Anschlag in München.
In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.