Jens Joest zu Debattenkultur und Dialog in der Kirche

Auch Reformer sollten sich hinterfragen

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Der Ton wird rauer, wo immer es um Veränderungen geht. Ob in der Gesellschaft oder in der Kirche. Und die Forderungen immer gleich Maximal-Forderungen. Darunter geht es nicht. Doch bewegen müssen sich beide Seiten, damit es wenigstens zu kleinen Schritten kommen kann, sagt Newsroom-Redakteur Jens Joest in seinem Kommentar.

Die Reformdiskussionen in Gesellschaft und Kirche weisen bemerkenswerte Parallelen auf, angefangen bei Hetzern auf Facebook. Ätzend und bewusst verletzend greifen sie in Kommentaren Menschen an, die nicht ihrer Meinung sind oder – bei kirchlichen Themen – Öffnungsschritte für denkbar halten. Immerhin wurden Lehramtssätze in der Kirchengeschichte wiederholt neuen Erkenntnissen angepasst.

Dabei zeugt der scharfe Ton wohl von Angst. Das Veränderungstempo der Gesellschaft überfordert manche, sie stehen ratlos vor durchgreifender Digitalisierung oder halten Klimaschutz für ein Hobby gut situierter städtischer Bürger, die keine anderen Probleme haben.

 

„Stein der Weisen“ ist kein Wurfgeschoss

 

Wer angesichts vielfacher Veränderung nach Unverrückbarem sucht, kann bei den ewigen Botschaft des Glaubens Ruhe finden. Gleichzeitig aber stellen innerkirchliche Debatten Überliefertes wie den Zölibat und das Priestertum allein des Mannes in Frage. Ja, es kann Gläubige verunsichern, wenn homosexuelle Paare einen Segen bekommen, obwohl doch die Ehe von Frau und Mann das katholische Ideal ist.

Es wäre an allen, sich zu hinterfragen – auch an den Reformern. Ihre Forderungen mögen nachvollziehbar sein. Aber machen sie sich klar, dass sie Skeptiker bei Reformen mitnehmen müssen? Mancher Progressive tut, als habe er den „Stein der Weisen“ gefunden – und wirft ihn gleich auf die, die nicht mitziehen wollen.

 

Wie groß können Reformschritte sein?

 

Wer etwa nichts weniger als die Priesterweihe von Frauen fordert, läuft Gefahr, Zwischenschritte auszublenden, von denen sich womöglich auch Konservative überzeugen lassen: Gemeindeleitung durch Frauen, Predigtdienst nach dem Evangelium, vielleicht ein Diakoninnenamt.

Den Reformern in der Kirche scheint jeder Veränderungsschritt in jedem Fall zu klein – und den Bewahrern immer zu groß. Wenigstens befinden sich beide Seiten noch im Dialog. Der Synodale Weg hat das Potenzial, in offenen Diskussionen abzumessen, wie groß Schritte sein können.

Dafür aber müssen sich beide Seiten bewegen. Die einen weg von Maximalforderungen. Die anderen weg von der Ansicht, Entwicklungen und Entscheidungen der Kirchengeschichte dürften nicht mehr verändert werden.

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