Münsters Bischof antwortet auf Fragen von Missbrauchs-Betroffenen

Aufarbeitung durch den Staat: Bischof Felix Genn für Pionierrolle offen

  • Einer staatlichen Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt würde sich das Bistum Münster „gerne auch als erste Institution“ stellen.
  • Das betont Bischof Felix Genn in ausführlichen Antworten auf einen Fragenkatalog von Betroffenen.
  • Er äußerte sich auch zu einer Idee, in jeder Pfarrei des Bistums an das Thema Missbrauch zu erinnern.

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Einer staatlichen Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt würde sich das Bistum Münster „gerne auch als erste Institution“ stellen. Das betont Bischof Felix Genn in Antworten auf einen Fragenkatalog von Betroffenen. Das 17-seitige Dokument liegt „Kirche-und-Leben.de“ vor.

Anfang März war der Bischof Missbrauchs-Betroffenen begegnet und hatte die Fragen beantwortet. Er teile die Sicht, dass die Kirche sich „nicht selber aufklären“ könne, so Genn. Das Bistum würde sich „einer staatlichen Aufarbeitungskommission stellen“.

„Staat müsste alle gesellschaftlichen Bereiche einbeziehen“

Zugleich schreibt der Bischof, er „erwarte dann auch, dass sämtliche gesellschaftlichen Bereiche, zum Beispiel auch der Sport oder die staatlichen Schulen, mit in den Blick genommen werden“. Bisher gebe es hier nur Forderungen, auch in der Politik. Solange diese nicht handle, „werden wir uns weiter um eine von uns unabhängige Aufklärung bemühen“.

Genn nimmt auch Stellung zu Kritik an der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA). Die UKA legt für die katholische Kirche in Deutschland fest, ob und in welcher Höhe Betroffene Zahlungen in Anerkennung ihres Leids erhalten. Die Betroffenen bemängeln in ihren Fragen, dies geschehe nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen und ohne Begründung.

Bei der Unabhängigen Kommission „nicht reinregieren“

Der Bischof antwortet: „Wenn man die angesprochenen rechtsstaatlichen Grundsätze anwenden würde, dann müsste es viel mehr an Nachfragen, Unterlagen und Begründungen geben, als dies im derzeitigen Verfahren der Fall ist.“ Dies würde Aufwand und Belastungen für Betroffene erhöhen.

Genn fügt an, er kenne die Kritik an der UKA, sie habe „an einigen Stellen“ bereits reagiert. Die Kommission sei aber unabhängig. Daher könnten und wollten die Bischöfe ihr nicht „reinregieren“.

Würde sich das Bistum auf Verjährung berufen?

Auf die Frage, ob das Bistum sich bei Missbrauchs-Klagen vor staatlichen Gerichten auf Verjährung berufen werde, schreibt der Bischof, dies würde im Einzelfall geprüft. Eine pauschale Antwort sei wegen der Unterschiede aller Fälle „unseriös“.

Zur Frage, warum das Bistum Entschädigungen zahle, aber keinen „echten Schadenersatz“, womöglich als Rente, antwortet Genn, für Schadenersatz sei seines Erachtens „ein formalisiertes rechtliches oder gar gerichtliches Verfahren zwingend“.

„Es sind keine Missbrauchs-Täter im Dienst“

Genn betont, es seien keine Missbrauchs-Täter im Bistum im Dienst, aber nicht jeder Beschuldigte könne gleich als Täter gelten: „Zwar gilt der Grundsatz, dass ich den Betroffenen glaube.“ Wo aber Aussage gegen Aussage stehe, müsse geprüft werden, welche Konsequenzen möglich seien. Der Bischof fügt an, er mache „durch Maßnahmen deutlich“, dass er grenzüberschreitendes und unangemessenes Verhalten „in keiner Weise toleriere“.

Gefragt nach Ordensgemeinschaften, sagt Genn, er könne dort kirchenrechtlich nicht eingreifen. Es habe aber mehrfach Gespräche gegeben, in denen Orden auf die Notwendigkeit von Aufarbeitung hingewiesen worden seien.

Ein Erinnerungs-Baum in jeder Pfarrei?

Der Bischof äußert sich auch zum Thema Erinnerung. Er persönlich unterstütze die Idee von Betroffenen, in allen Pfarreien des Bistums einen Baum, „zum Beispiel eine Blutbuche“, in Erinnerung an das Thema Missbrauch zu pflanzen. An solchen Bäumen oder an Gräbern verstorbener Täter seien Hinweise auf weitere Informationen denkbar – womöglich QR-Codes mit Links auf das Missbrauchs-Gutachten für das Bistum.

Bisher nur wenige Ideen gebe es mit Blick auf Informationen an der Grablege von Bischöfen, also Verantwortungsträgern, im Dom in Münster. Derzeit prüfe eine Gruppe unter Mitarbeit von Laien die Vorschläge. Genn ermuntert die Betroffenen, sich einzubringen.

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