Werner Hespe über Corona-Folgen und Pastorale Räume im Bistum Münster

Aufbruchstimmung in der Kirchenmusik: So sieht ein Kantor die Zukunft

Anzeige

Gut zwei Jahre hat die Corona-Pandemie das Singen in Chören und Gottesdiensten nahezu unmöglich gemacht. Nun ist Zeit für einen kirchenmusikalischen Aufbruch, meint Kreisdekanatskantor Werner Hespe aus Bocholt. Im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ erklärt er, warum das Singen in Chören und das gemeinsame Musizieren wieder Fahrt aufnimmt und vor welchen Herausforderungen Kirchenmusiker stehen, wenn immer weniger Gottesdienste gefeiert werden und bald die neuen Pastoralen Räume kommen.

Herr Hespe, Sie haben als Kreisdekanatskantor die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus dem Kreis Borken zu einem Konvent eingeladen. Welche Themen stehen an?

Wir treffen uns jährlich zu Beginn des Jahres. Die Zusammenkunft dient der Pflege und Stärkung der Gemeinschaft unter uns Kolleginnen und Kollegen, die sonst fast immer allein in einer Gemeinde tätig sind. Die Möglichkeiten, sich unter Kollegen auszutauschen, sind leider ansonsten eher rar. Jedes Treffen beginnt mit einem kurzen Gottesdienst unter Leitung des Kreisdekanatspräses. Anschließend stellt der gastgebende Kirchenmusiker – der Ort unseres Konventes wechselt ständig – sich, seine Gemeinde, seine Orgel und seine Arbeit vor Ort vor. Überregionale Termine werden abgestimmt und deren Inhalte abgesprochen, Veranstaltungen wie Fortbildungen und Chortreffen vorbereitet oder angeregt. Zurzeit ist ein wichtiges Thema die Umstellung der Arbeit durch den Rückgang der Kirchenbesucherzahlen und die Reduzierung der Gottesdienste.

Die Corona-Pandemie hat Chören Vieles abverlangt. Es gab keine Proben mehr, Aufführungen und Konzerte fielen reihenweise aus oder konnten gar nicht geplant werden. Wie empfinden Sie die jetzige Stimmung unter den Musikbegeisterten?

Die Stimmung unter meinen Chorsängerinnen und Chorsängern und unter den Instrumentalisten, mit denen ich zusammenarbeiten darf, ist sehr gut. Es herrscht eine Art Aufbruchstimmung: „Endlich können wir wieder regelmäßig arbeiten, endlich wieder im Gottesdienst singen, endlich wieder konzertieren“, heißt es oft. Die Dankbarkeit dafür ist da, die Freude am eigenen Engagement ist augenscheinlich! Auch die Gemeinde nimmt das neue Engagement und die wiedergewonnenen Möglichkeiten dankbar und freudig an – die Stimmung unter denen, die sich regelmäßig als Gottesdienstteilnehmer und Konzertbesucher in der Kirche einfinden, ist also positiv. Das ist überall zu spüren.

Wie sehr trifft die Kirchenmusiker der Wandel in der Kirche, gerade auch mit der Vorgabe der Bistumsleitung, weniger in Pfarreigrenzen zu denken und die neuen Pastoralen Räume mit Leben zu füllen?

Der Veränderung kirchlichen Lebens ist zunächst spürbar in dem drastischen Rückgang der Zahl der aktiven Gläubigen in den Gottesdiensten und den Gruppen der Gemeinde. Im Zusammenhang mit der ebenso drastisch sinkenden Zahl der Geistlichen wird auch das traditionelle gottesdienstliche Angebot stark beschnitten. Alles das führt zu dem Vorhaben, die Gemeindegrenzen größer zu ziehen und aus „Gemeinden“ neue „Pastorale Räume“ zu bilden. Für mich sieht das leider so aus, als möchte man Gemeinden fusionieren, ohne das negativ behaftete Wort Fusion zu benutzen und ohne die konkreten Folgen umzusetzen. Das zu erwartende Ergebnis ist leider – wie von mir erwartet – sehr vage und unkonkret und deswegen auch von kirchenmusikalischer Seite leider zurzeit auch nur ebenso vage mit Leben zu füllen.

Was heißt das für die Kirchenmusiker?

Werner Hespe
Werner Hespe ist Kirchenmusiker in St. Georg Bocholt und Kreisdekanatskantor im Kreis Borken.| Foto: privat

Die Kirchenmusiker selbst stehen eigentlich in den Startlöchern: Ob ich nur in „meiner Kirche“ die Orgel spiele oder meinen Dienst auch in den Nachbarkirchen versehe, ist nicht von Belang. Die Absprache unter uns Kolleginnen und Kollegen ist dahingehend eher unkompliziert. Der hauptamtliche Kirchenmusiker wird hier mehr in die Rolle des Organisators, Coaches und Ausbilders hineinwachsen und nur noch einzelne Dienste selbst übernehmen. Vielen Chören ist bewusst, dass eine Zusammenarbeit mit benachbarten Gruppen der Arbeit in Zukunft eher zuträglich ist. Dabei ist zunächst egal, ob es sich um gemeinsame Projekte oder gar eine Fusion der Gruppen handelt – das wird sich entwickeln.

Auf welche Veränderungen müssen Sie und ihre Kollegen sich einstellen?

Eine Weiterentwicklung der Arbeit hin zu anderen Gottesdienstformen, die musikalisch attraktiv erscheinen können, zum Beispiel kirchenmusikalische Andacht, „Evensong“, „Advents-Singen“, Orgel-Vesper und andere Formen, kommt der Arbeit des Kirchenmusikers eher entgegen. Ein breiteres Einzugsgebiet ist da kein Hindernis, sondern eher ein Vorteil. Der Beruf des Kirchenmusikers – jetzt schon wohl einer der wichtigsten in der Außenwirkung der Gemeinde und in der Arbeit am inneren Leben der Gemeinde – kann durch diese Entwicklung noch einmal an Gewicht gewinnen und attraktiv werden. Dazu müssen die Rahmenbedingungen wie Anstellungsträger, Vergütung und Arbeitsbereiche möglichst rasch geklärt werden.

Anzeige