Stephan Scholtyssek aus Münster: Sei sicher, Gutes kommt auf uns zu

Auslegung der Lesungen vom 1. Adventssonntag (Lesejahr B)

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Mit dem ersten Advent beginnt die Vorbereitung auf Weihnachten und ein neues Kirchenjahr. Im Evangelium aber begegnet uns das Ende dessen, was Markus zu berichten hat - und was Jesus seinen Jüngern an Perspektive aufzeigt. Was dieser ernste Ton mit einem Clown und was es mit uns zu tun hat, erklärt Stephan Scholtyssek, Pastoralreferent in Münster, in seiner Auslegung der Lesungen.

Was für ein Clown!“ Ein Ausruf, der nichts Gutes bedeutet. Denn ein Clown steckt in einem Kostüm. Über den wird gelacht. Der wird nicht für voll genommen. Ein Clown spielt eine Rolle und ist irgendwie unnahbar.

Das sind nur ein paar Assoziationen, die ich mit einem Clown verbinde und die in den letzten Jahren sicherlich durch eine Parabel von Sören Kierke­gaard angereichert wurden. Der dänische Schriftsteller erzählt die kurze Geschichte eines Wanderzirkus', der in Brand geriet. Der für eine Vorstellung bereits kostümierte Clown rannte in das angrenzende Dorf, versuchte lautstark und mit viel Gestik die Bewohner und Bewohnerinnen des Dorfes zur Hilfeleistung zu animieren, denn auch für das ganze Dorf bestand Gefahr.

 

Alles nur ein Werbetrick?

 

Die Lesungen vom 1. Adventssonntag (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Die Menschen vor Ort verstanden aber nicht den Ernst der Lage, sorglos klatschten sie dem Clown sogar Beifall, denn sie waren der Meinung, der Zirkus hätte sich einen ausgezeichneten Werbetrick ausgedacht. Der Clown spiele eine Rolle; sie nahmen ihn nicht ernst. So kam es, dass neben dem Zirkus auch das Dorf von den Flammen erfasst wurde.

Die Parabel von Kierkegaard begegnete mir vor ein paar Jahren innerhalb persönlicher Auseinandersetzungen mit Erwartungen, Gefahren und dem Selbstverständnis bezüglich meiner Rolle in der Pastoral. Auch dort kann nämlich die Gefahr bestehen, dass eine Botschaft, egal wie innig vertreten, von anderen nicht ernstgenommen wird, dass über mich gelacht wird oder der Kern dessen, was künftig gelten kann, nicht für wahr gehalten wird. Meiner Meinung nach gilt es, sich dieser Gefahr zwar bewusst zu sein, sie aber möglichst nicht real werden zu lassen.

 

Als Christ eine einzige Lachnummer?

 

Für mich steht das vergebliche Hilfegesuch des Clowns in der Parabel für etwas, das gesellschaftlich auch für uns eine Relevanz hat: Es gibt Dinge in unserer Welt, die können, wollen oder sollen nicht gehört werden. Auch Glaubensthemen sind davon betroffen. Ist vielleicht die Sorge dabei zu groß, zur Lachnummer zu werden? Wird über mich gelacht, wenn ich meinen Glauben verkünde? Wieso bin ich beim Gespräch über Jenseitsvorstellungen zurückhaltender als beim Gespräch über den letzten Bundesliga­spieltag?

Im Evangelium dieses ersten Advents begegnet uns Jesus alles andere als clownesk. Er wendet sich mit seiner Botschaft, die eine große Bedeutung für die Zukunft hat, an die Jüngerinnen und Jünger. Die Perikope bildet den Abschluss der Rede über die Endzeit im Evangelium des Markus. Diese endzeitliche Rede im 13. Kapitel prägt das gesamte Evangelium. Experten gehen davon aus, dass das Evangelium um kurz nach dem Jahr 70 entstanden ist, während einer Zeit, in der die damalige Hörer- und Leserschaft unvorstellbar große Zukunftsängste durchmachte, denn das Volk Gottes stand unter dem Schock der Zerstörung des Tempels in Jerusalem, dem zentralen Heiligtum, der „Wohnung Gottes“. Mit der Zerstörung gingen Ängsten, Sorgen und Nöte einher, die die Zukunft der Menschen existenziell bedrohten.

 

Viele blicken sorgenvoll in die Zukunft

 

Der Autor
Stephan Scholtyssek
Stephan Scholtyssek ist Pastoralreferent in der Pfarrei Liebfrauen-Überwasser in Münster | Foto: privat

Die sorgenvolle Frage, wie es wohl in Zukunft weitergehen mag, betrifft nicht nur explizit das Volk Gottes. Auch in der heutigen Zeit kennen wir solche existenziell bedeutenden Fragen, die sich beispielsweise im religiös oder politisch motivierten Terror, den Klimaveränderungen oder der Situation rund um das Coronavirus widerspiegeln.

„Zwar liegt die Zukunft im Ungewissen, doch sei sicher, etwas Gutes kommt auf dich zu! Niemand kann sagen, wann es Zeit wird; das Einzige, was ich dir sage: Sei wachsam!“ Auch für diese, zugegeben etwas abgewandelte Botschaft des heutigen Evangeliums besteht die Gefahr, dass sie nicht für voll genommen wird, dass sie als Jahrtausende alte Rolle wahrgenommen und zur Lachnummer wird. Dabei ist diese Botschaft alles andere als das!

 

Bleiben Sie erwartungsfroh!

 

Diese Botschaft gibt Hoffnung, denn sie wendet konkrete Not in der Welt. Sie ist notwendig für jeden einzelnen Menschen. Sie ermutigt unseren Glauben, dass Gott in unsere Welt kommt.
Das passiert ungefragt und dafür muss keine Gegenleistung erbracht werden. Diese Botschaft darf ein Fakt sein bei all den Dingen, die in unserer Welt und unserem Leben nicht greifbar sind.

Also, bitte! Seien Sie wachsam, bleiben Sie in hoffnungsvoller Erwartung, denn Gott will uns durch seine Menschwerdung die Sorgen abnehmen. Und es wäre zu schade, wenn diese Botschaft nicht ernst genommen wird oder erst realisiert wird, wenn es längst zu spät ist.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 1. Adventssonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.

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