Jan Tasler über den Advent als Zeit des Umbruchs

Auslegung der Lesungen vom 1. Adventssonntag / Lesejahr C

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Advent ist die Zeit des Umbruches, möglicherweise sogar der Krise. Denn hat Jesus Christus eine Botschaft für uns, die uns Mut machen soll. Das sagt Kaplan Jan Tasler und legt die Lesungen des 1. Adventssonntags aus.

Advent – ein Wort, das Emotionen weckt. Viele blicken vielleicht mit etwas Nostalgie zurück in die Vergangenheit. Ich selbst denke dabei an gemütliche Abende in der Familie beim Licht des Adventskranzes, an den Besuch des Nikolauses, an die Adventslieder, die wir in Kirche und Schule gesungen haben, den ersten Schnee und an die große Vorfreude auf das Weihnachtsfest. Der Blick in diese Vergangenheit hat etwas Beruhigendes, provokant gesprochen, vielleicht schon etwas Berauschendes. Er weckt das Gefühl von Sicherheit, vom Aussteigen-Können aus der Jetztzeit.

Ein weiteres Jahr, das von der Corona-Pandemie geprägt war, geht zu Ende. Während vieles in unseren Pfarreien und Gruppen mittlerweile wieder möglich ist, spüren wir gleichzeitig auch, dass Entwicklungen nicht einfach stehen geblieben sind. Unser Bistum startet in eine Phase neuer Strukturprozesse. Da kommen der Advent und ein kleiner Ausstieg aus der Gegenwart eigentlich wie gerufen.

Zeit der Krisen und des Umbruchs

Die Lesungen vom 1. Adventssonntag (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Doch solch einen Versuch macht das Evangelium dieses Sonntags zunichte. Hier wird wieder eine Krisenzeit gezeichnet: Die Gesetzmäßigkeiten der Natur sind außer Kraft gesetzt, die Menschen verstehen ihre Gegenwart nicht mehr und der Blick in die Zukunft löst geradezu Panik aus.

Advent – das ist die Zeit des Umbruchs! Insofern können wir in unserer Situation, auch über die nächs­ten vier Wochen hinaus, behaupten, im Advent zu leben. Jesus nennt zwei Dinge, vor denen wir uns in dieser Zeit in Acht nehmen sollen: Vor Rausch und Trunkenheit auf der einen Seite und vor den Belastungen durch die täglichen Sorgen auf der anderen Seite.

Jesus macht uns Mut

Insofern hilft der verklärende Blick in die Vergangenheit, die uns Sicherheit und Stabilität vermittelt, nicht weiter. Unsere Sicherheit liegt in der Zukunft, wie es in der Lesung aus dem Buch Jeremia gezeichnet wird. Wenn wir unseren Blick nur rückwärts richten, dann kann das eine berauschende Wirkung haben, die uns zwar von der Gegenwart ablenkt, sie aber nicht ändert. Jesus fordert zur Nüchternheit auf, damit wir nicht eines Tages von der Wirklichkeit überfahren werden.

Gleichzeitig macht er uns Mut: Der Umbruch mag noch so einschneidend und die Entwicklungen mögen noch so schmerzhaft sein –  was da auf uns zukommt, ist gut: „Eure Erlösung ist nahe.“ Er selbst steht am Ende dieses Prozesses.

Sein Haupt erheben

Doch dieses Zukunftsversprechen ist mehr als eine Durchhalteparole. Es geht ihm nicht um passives Abwarten und Sich-Zurücklehnen. Im Gegenteil: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter!“, heißt die Devise.

Sein Haupt erheben. Was bedeutet es anderes, als seinen bisherigen Betrachtungswinkel zu verändern und neue Perspektiven einzunehmen. Sich aufrichten. Das heißt doch, einmal der eigenen Beweglichkeit, Größe und Weite nachzuspüren. Das ist das, was Jesus von uns im Advent, im Umbruch, erwartet.

Vieles ist ungewiss

Der Autor

Kaplan Jan Tasler
Jan Tasler ist Kaplan in St. Sixtus in Haltern am See. | Foto: privat

Sicher, vieles ist in solchen Zeiten ungewiss, viele Fragen sind offen. Wie wird das Leben als Christ*in aussehen, wenn wir deutlich weniger sind? Wo erfahre ich da Gemeinschaft? Wie kann das Evangelium von der menschgewordenen Liebe Gottes auch unter solchen Umständen verkündet werden?

Das alles sind Fragen und Sorgen, die in uns herumgeistern, und sie müssen gestellt und angesprochen werden. Aber eines sollen sie nicht: Uns niederdrücken und am Boden halten. Auch hier gilt: „Richtet euch auf.“ Denn Antworten und Lösungen werden wir hier nur finden, wenn es uns gelingt, das Neue, das kommt, in den Blick zu nehmen und nicht nur das anzuschauen, was wir, wie auch immer, retten wollen.

Auf wackeligen Beinen

Manchmal schlafen Füße und Beine beim langen Sitzen ein. Wer dann aufsteht, ist erst einmal wackelig auf den Beinen, manchmal nimmt man das Gefühl erst beim Aufstehen wahr. Erst im Stehen können wir also sagen, was uns Standhaftigkeit gibt. Erst jetzt können wir ehrlich erproben, was uns im Umbruch hilft und was nicht.

Vielleicht ist dieser Advent 2021 die Zeit, um uns dieser Frage zu stellen. Wir können versuchen, alte Sorgen einmal liegenzulassen, aufzustehen, neue Perspektiven einzunehmen und auf die Suche gehen nach dem, was uns Standfestigkeit verleiht.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 1. Adventssonntag (Lesejahr C) finden Sie hier.

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