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Was kann ein kleines Senfkorn, was können einzelne Menschen schon ausrichten, um den großen Herausforderungen unserer Zeit entgegenzutreten? Wenn man auf Jesu Gleichnisse schaut, dann eine ganze Menge, führt Schwester Judith Kohorst aus und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Es ist tatsächlich sehr klein, so ein Senfkorn, klein und unscheinbar. Ganz anders der Strauch. Das kleine schwarze Senfkorn, mit dem Jesus das Reich Gottes vergleicht, wächst tatsächlich innerhalb eines halben Jahres zu einer Staude von über zwei Metern Höhe, aus der dann der schwarze Senf gewonnen wird.
Es ist nicht wirklich ein Baum, aber man versteht, was gemeint ist: Das Wachsen des Reiches Gottes, so sagt Jesus mit seinen Gleichnissen, ist ein unaufhaltsamer Prozess. So wie die Saat im Acker aufgeht, so wird auch Gottes Reich mit Gewissheit kommen. Aber es kommt nicht auf einen Schlag, sondern das Reich Gottes ist ein kleiner Anfang, der unaufhaltsam wächst. Es ist nicht zu bremsen, nicht aufzuhalten.
Weltlage lässt Skepsis aufkommen
Die Lesungen vom 11. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.
Ein Blick auf unsere derzeitige Weltlage lässt allerdings Skepsis zurück: Es herrschen Kriege, Terror, Gewalt, Ungerechtigkeit und Zerstörung der Lebensräume. Zwei Drittel der Menschheit lebt in Armut. Die Industrienationen pflegen einen Lebensstil, den die Welt sich nicht leisten kann. Der Klimawandel ist allgegenwärtig. Europa baut sich zur Festung aus und schottet sich vor dem Elend der Geflüchteten ab. Wo ist da das Reich Gottes?
Es kommt alles auf den Blickwinkel an. Eine Geschichte erzählt, dass ein Mann sich ein Haus kaufen will. Der Makler führt ihn in eine alte Villa. „Die Tür muss allerdings erneuert werden“, sagt er. Und die Fenster sind so groß und alt, da kühlt dieser Raum sehr schnell aus. Diese Mauer hier ist etwas bröckelig und die Badezimmer sind total unmodern und unpraktisch aufgeteilt. Das Haus scheint überwiegend marode zu sein, der Mann ist enttäuscht und bittet, eine andere Villa besichtigen zu dürfen.
Der Schein kann trügen
Weil der Makler keine Zeit mehr hat, geht der Mann zunächst im Gasthof etwas essen und wird später von der Frau des Maklers abgeholt. Sie fahren zu einer alten Villa. „Schauen Sie sich diese Eingangstür an“, sagt die Frau des Maklers: „Neu gestrichen wird sie ein Aushängeschild sein, das jeden Gast willkommen heißt. Und dann sehen Sie nur diese Fenster: so groß, mit einem wunderbaren Blick auf den Garten.“
„Sie werden verzaubert hier sitzen und die Sonnenstrahlen genießen, das hier ist die Südseite.“ Sie betrachten alte Balken mit originalen Schnitzereien, das warme Parkett, wunderbare alte Fliesen in den Badezimmern. Der Mann ist begeistert. Erst als er beim Hinausgehen einen Blick auf das Straßenschild wirft, merkt er, dass er zweimal in demselben Haus gewesen ist.
Ein anderer Blickwinkel
Es kommt auf den Blickwinkel an, ob ich die kleinen Anfänge vom Reich Gottes wahrnehme: Da ist der Mann, der einer geflüchteten Familie aus Syrien durch den deutschen Behördendschungel hilft. „Ich kann sie doch nicht einfach damit alleine lassen. Das ist doch schon für Deutsche schwer, da durchzufinden!“
Da ist die Studentin, die sich jede Woche im Weltladen für fair gehandelte Produkte einsetzt „weil ich möchte, dass es gerechter zugeht auf der Erde.“ Da ist die ehemalige Lehrerin, die jede Woche mit einem Asylbewerber Deutsch übt, damit er seine Prüfung schafft. Da ist der Jugendliche, der nach einem Praktikum in einer Obdachloseneinrichtung immer wieder zum Helfen kommt, weil er gemerkt hat: „Das ist endlich was, was ich real tun kann gegen die Not.“
Das Reich Gottes hat angefangen