Benedikt Feldhaus über die Angst

Auslegung der Lesungen vom 12. Sonntag im Jahreskreis (A)

„Fürchtet euch nicht!“, lautet die Botschaft des 12. Sonntags im Jahreskreis. Benedikt Feldhaus versteht diesen Satz nicht als Befehl, den Jesus uns gibt. Es ist eine Zusage, derer wir uns gewiss sein dürfen und die wir auch anderen Menschen schenken können.

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„Fürchtet euch nicht!“, lautet die Botschaft des 12. Sonntags im Jahreskreis. Benedikt Feldhaus versteht diesen Satz nicht als Befehl, den Jesus uns gibt. Es ist eine Zusage, derer wir uns gewiss sein dürfen und die wir auch anderen Menschen schenken können.

„Fürchtet euch nicht!“ Dieser Satz im Evangelium ist wohl fast schon so etwas wie ein Klassiker. So lesen wir ihn auch an diesem Sonntag allein dreimal. Fürchtet euch nicht vor den Menschen, heißt es da. Und im weiteren Verlauf wird es noch anspruchsvoller, denn da heißt es, man solle sich auch nicht vor denen fürchten, die einen töten wollen. Und zu guter Letzt folgt wie als Bekräftigung ein „Fürchtet euch also nicht!“

 

Keine Angst!

 


Das Evangelium vom 12. Sonntag im Jahreskreis zum Hören und Lesen auf unserem Youtube-Kanal.

Die Botschaft des Tages ist damit leicht zu erkennen. Wir sollen keine Angst haben. So leicht diese Botschaft zu erkennen ist, so leicht wirkt sie womöglich besonders in heutiger Zeit auch dahergesagt. „Fürchte dich nicht, hab keine Angst, es wird schon alles gut“ – so lieb diese Worte auch gemeint sein mögen, so schnell klingen sie wie Hohn in den Ohren derer, die keinerlei Sicherheit mehr für Leib und Leben kennen.

Ich denke dabei an die Menschen in den Krisen- und Kriegsgebieten unserer Welt, an die vielen auf der Flucht und auch an all die Menschen, die in ihrem Leben keine Perspektive und keinen Ausweg sehen.

 

Zusage statt Befehl

 

Ich bin überzeugt, die Worte des heutigen Evangeliums sind weder höhnisch gemeint noch sind sie leer und ohne Sinn. Und sie entfalten gerade dann ihre Kraft, wenn ich darauf hoffen darf, dass sie in heutiger Zeit und in einer unsicheren Welt gültig sind und bleiben.

Ich glaube, ihre Formulierung im Imperativ ist nicht einfach ein Befehl, den wir auszuführen haben. Sie stehen dort vielmehr als kräftige und deutliche Zusage an uns und wollen uns sagen, dass in einer bedrohlichen Welt voller Unwägbarkeiten und sogar Gefahren Gott an unserer Seite ist. Er verlässt uns nicht in unserer Angst, sondern will uns immer wieder Mut machen, das Leben zu wagen und anzugehen. Dies tut er nicht, weil er Spaß daran hätte, uns zu überfordern, sondern weil er uns und unser Leben so unendlich schätzt und liebt und es ihm so teuer und wertvoll ist.

 

Gott hat uns mit Haut und Haaren gern

 

Der Autor
Benedikt Feldhaus ist Referent für junge Erwachsene im Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta. | Foto: Privat
Benedikt Feldhaus ist Referent für junge Erwachsene im Bischöflich Münsterschen Offizialat in Vechta. | Foto: Privat

Jesus macht dies mit einem möglicherweise kurios erscheinenden Bild deutlich, indem er sagt, dass bei uns sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt sind. Das bedeutet, dass Gott uns und unsere Bedürfnisse, unsere Sorgen, Nöte, Ängste ebenso wie unsere Hoffnung, Liebe und Freude so gut kennt, dass wir darauf vertrauen und sogar sicher sein dürfen, dass er uns über den Tod hinaus mit Haut und Haaren gern hat und so bei sich im Leben hält.

Jesus selbst vertraut im Letzten auch darauf und trotzt in seinem Leiden und Sterben seiner nur zu menschlichen und nachvollziehbaren Angst, weil er weiß, dass sein Vater, der von Geburt jedes einzelne Haar seines Kopfes hat wachsen sehen, ihn über den Tod hinaus im Leben halten wird. Jesus verspricht uns, dass es uns ebenso ergehen wird, und er wünscht uns, dass wir das auch in unserem turbulenten und manchmal unsicheren und sogar Angst machenden Leben spüren können.

 

Jesus hält uns unsere Angst nicht vor

 

Aus dieser Überzeugung heraus spricht er sein „Fürchtet euch nicht“, und das gleich drei Mal, damit es bei uns ankommt, damit es bei uns haften bleibt und zur Maxime unseres Lebens wird. Er hält uns unsere Angst nicht vor, und er trägt sie uns nicht nach. Aber er sagt uns zu, dass jede Furcht, die wir empfinden, bei dem, der alles ins Leben gerufen hat, gut aufgehoben ist und wir sie nicht tagein, tagaus mit uns herumschleppen müssen. Denn dann müssten wir uns verkriechen, einigeln und einschließen und ein möglichst langweiliges Leben ohne Erlebnisse und Begegnungen führen, um dann letzten Endes festzustellen, dass der Tod uns dennoch ereilen wird und wir wie die Spatzen auf die Erde fallen, wenn es an der Zeit ist.

 

Es lohnt sich, aufzubrechen

 

Genau dies möchte Jesus uns jedoch ersparen. Deswegen fordert er uns auf, aus dem Dunkel, in das manch einer sich verkriechen möchte, ins Helle des Lebens zu treten, und das Schweigen, in das manch einer sich hüllen möchte, zu brechen und zu füllen mit all den bunten, chaotischen und unsicheren Geschichten, die unser Leben schreibt.

Es lohnt sich, aufzubrechen und diese zu erleben, es lohnt sich, das Risiko einzugehen und die unsicheren Wege zu beschreiten. Davor müssen wir uns nicht fürchten, davon müssen uns nicht die Haare zu Berge stehen. Dieser Zusage dürfen wir uns gewiss sein und diesen frohmachenden Lebensmut dürfen wir auch anderen Menschen schenken und ihnen sagen: „Fürchtet euch nicht!“

Sämtliche Texte der Lesungen und des Evangeliums vom 12. Sonntag im Jahreskreis (A) finden Sie hier.