Pfarrer Norbert Happe aus Beelen und das Jucken in den Fingern

Auslegung der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (C)

Wer würde das tun, alles aufgeben und einen ganz neuen Weg einschlagen? Wer bricht alle Brücken hinter sich ab? Und wofür? Diese Fragen stellt Pfarrer Norbert Happe in seiner Auslegung der Sonntagslesungen.

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Wer würde das tun, alles aufgeben und einen ganz neuen Weg einschlagen? Wer bricht alle Brücken hinter sich ab? Und wofür? Diese Fragen stellt Pfarrer Norbert Happe in seiner Auslegung der Sonntagslesungen.

Manchmal stellen sich mir die Nackenhaare auf. Dieses ohnmächtige Gefühl, wenn ich wieder mal lese: „Menschenrettung im Mittelmeer eingestellt.“ „An den Grenzen Europas wird weiter kontrolliert.“ Das macht mich unendlich traurig. Und es zeigt mir so brachial meine Hilflosigkeit auf. Ich würde so gerne einschreiten, und es beginnt mir in den Fingern zu jucken. Aber Gewalt ist niemals eine Lösung.

Auch Jesus wandte sich unverzüglich gegen den Gedanken von Gewalt und Vergeltung seiner Jünger. Jesus weist sie zurecht. Wenig später kommt es dabei zu einer ganz unerwarteten Reaktion: Einige Leute wollen ihm nachfolgen. Aber nicht sofort. Erst wollen sie noch etwas für sie Wichtiges erledigen.

 

Gesellschaftlichen Verpflichtungen als Joch der Knechtschaft

 

Die Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören.

So auch im Buch der Könige bei Elíscha. Ihm wird von Elíja ein Mantel übergeworfen, und obwohl er versteht, dass ihm so eine neue Aufgabe übertragen wird, will er sich erst von seinen Lieben verabschieden. Das sind Zeremonien, die ihre Zeit brauchen. Doch von Elíscha wird sofortiges Umkehren gefordert.

Auch Paulus spricht im Galaterbrief von gesellschaftlichen Verpflichtungen, die zu einem Joch der Knechtschaft werden können. Also Überlegungen wie: Reicht meine Zeit? Und: Was muss ich noch erledigen? Oder: Habe ich noch Verpflichtungen anderen gegenüber? Paulus ermuntert dazu, die richtig verstandene Freiheit zu nutzen und unverzüglich mit dem Dienst am Nächsten zu beginnen.

 

Machtspiele zerstören Gemeinschaft

 

Paulus wird deutlich, nennt es „beißen und fressen“, meint damit, dass Machtspiele alle Gemeinschaft zerstören. Das gilt auch, wenn sich jemand nur mit sich selbst beschäftigt. Ein neuer Geist muss her. Ein Geist, der anspornt, nicht nur für sich nach einer sicheren Bleibe zu suchen und die eigenen Bedürfnisse im Blick zu haben. Handeln im Blick auf den anderen ist angesagt. Aber aus Überzeugung! In der Tat kein einfacher Weg.

Da wäre es mit Macht-Ausüben oft einfacher. Aber diesen Weg lehnt Jesus radikal ab. Oder den abgesicherten Weg zu beschreiten, auf dem ich geschützt und wohlbehalten alle Aufgaben erledigen kann. So ein Weg gibt mir Sicherheit, aber eben nur mir. Dann bleibt noch der Weg, der mich zurückführt, um meine Sachen zu regeln. Aber auch das ist kein Weg Jesu.

 

Der kompromisslose Weg der Nachfolge

 

Für Jesus gibt es nur den kompromisslosen Weg der Nachfolge. Dieser Weg wird im Buch der Könige für Elíscha beschrieben: alles abbrechen und alle Sicherheiten aufgeben. Denn Elíscha nutzt sein Joch als Brennholz und das zubereitete Fleisch seiner Tiere setzt er seinen Leuten zum Essen vor. Damit ist das, was seinen Lebensunterhalt ausmacht, gut eingesetzt, aber für seine gesicherte Zukunft endgültig verloren.

Der Autor
Norbert HappeNorbert Happe ist Pfarrer in Beelen. | Foto: privat

Wer würde das tun, alles aufgeben und einen ganz neuen Weg einschlagen? Wer bricht alle Brücken hinter sich ab, um sich auf einen Weg in eine neue, ungeplante Zukunft zu machen – und das in der Hoffnung, dass alles gut wird? Es gibt Menschen, die das tun! Kaum jemand, und das weiß ich aus vielen Begegnungen, tut es, um an die Fleischtöpfe des reichen Teils der Welt zu kommen. Fast alle tun es, damit sie Zukunft und Perspektive für ihre Kinder, für ihre Familien und für sich haben.

 

Sucht keinen Vorwand, euch selbst zu schützen!

 

„Mach was draus, sei Zukunft!“ war das beherrschende Wort der diesjährigen Misereor-Aktion. Ein Wort auch für uns! Nicht das Jucken in den Fingern darf mein Handeln und Denken bestimmen, sondern der Blick auf das Leben all jener, die sich auf neue, gefährliche Wege machen, eine Möglichkeit zum Leben suchen und einen Platz, an dem sie sich einbringen können, um ihren Dienst zu leisten.

Denn wie sagt es Paulus: Sucht keinen Vorwand, euch selbst zu schützen, sondern dient einander. Richtet also eure Blicke nicht auf die Sicherheit durch gefüllte Fleischtöpfe, sondern nehmt den Menschen in den Blick. Und zwar nicht den, der alles hat, sondern den, der alles zurücklässt, alle Brücken hinter sich abbricht und sich auf einen gefährlichen Weg begibt.

 

Zukunft für Mitmenschen sein

 

Wenn diese Wege dann versperrt und abgeriegelt werden, dann juckt es mir in den Fingern. Nicht, um gewaltsam für diese Menschen einzutreten, sondern um für ihre Rechte zu streiten und so Zukunft zu sein für Menschen, die eine Zukunft brauchen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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