Pater Ralph Greis OSB aus Gerleve über Sahnehäubchen und „Make Jerusalem great again"

Auslegung der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A)

Wer Jesus nachfolgen will, dem verspricht er alles andere als das Paradies auf Erden. Im Gegenteil. Im Evangelium formuliert Jesus höchste Ansprüche. Wie damit umgehen? Antworten von Pater Ralph Greis OSB aus der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck.

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Wer Jesus nachfolgen will, dem verspricht er alles andere als das Paradies auf Erden. Im Gegenteil. Im Evangelium formuliert Jesus höchste Ansprüche. Wie damit umgehen? Antworten von Pater Ralph Greis OSB aus der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck.

„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert” – wie verträgt sich das denn mit dem vierten Gebot, zumal Jesus von sich selbst sagt, er sei nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen? Oder gelten seine Worte nur jenen Menschen, denen die eigene Familie den Abbruch aller Beziehungen androht, wenn sie ins Kloster eintreten wollen?

Schauen wir einmal, wem und in welcher Situation die Sätze des heutigen Evangeliums ursprünglich gesagt sind: Nach der Bergpredigt (Mt 5-7) ziehen die Jünger mit Jesus durch Galiläa und werden Zeugen seiner Verkündigung vom Reich Gottes, wie er Kranke heilt und sogar Tote auferweckt (Mt 8-9). Nun sind sie selbst dran: Namentlich wählt der Herr die Zwölf aus, sendet sie aus, wie er zu verkündigen und zu heilen, und gibt ihnen dazu das ganze Kapitel zehn mit auf den Weg.

 

Die eigenen Anhänger halten Jesus für verrrückt

 

Die Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Er macht ihnen nichts vor, spricht von Schwierigkeiten, Misserfolgen und schon vor dem Karfreitag vom Kreuz, das es zu tragen gilt. Sie sollen wissen, was auf sie zukommt und sich bewusst dafür entscheiden. Doch haben sie das nicht schon? Haben Jakobus und Johannes nicht ihren Vater mit seinen Fischerbooten zurückgelassen und Petrus mit seiner kürzlich geheilten Schwiegermutter seine Frau und wohl auch seine Kinder? Was fasziniert sie so an diesem Mann aus Nazareth, was erwarten sie von ihm?

Tod und Auferstehung Jesu sind noch weit weg, seine Leidensankündigungen werden sie bis in den Ostersonntag hinein nicht verstehen können. Jesus selbst wird von seinen eigenen Angehörigen für verrückt gehalten (Mk 3,21.31-35). Es spricht viel dafür, dass die Jünger, wie so viele zu ihrer Zeit, einen politischen Messias erwarten, der die römischen Besatzer aus dem Land jagt und die staatliche Souveränität Israels wiederherstellt. Jakobus und Johannes wollen rechts und links des Meisters thronen, wenn er Jerusalem „great again” macht.

 

Glaube als Sonntags-Deko?

 

Doch Jesus spricht vom Kreuz und davon, das Leben zu verlieren. Die Jünger werden lange, bis nach Ostern, brauchen, um das zu verstehen, aber dann werden sie ihr Kreuz tragen und für den Herrn sterben.

Die ersten Christen erwarten, dass der auferstandene Herr bald zum Gericht wiederkommt. Als das auf sich warten lässt, beginnen sie, sich in der Welt einzurichten. Gut 50 Jahre nach den Ereignissen schreibt Matthäus sein Evangelium, um die Ereignisse lebendig zu erhalten. Spätestens aus seiner Feder gelten die Worte Jesu auch uns: Ob wir langfristig aus dem Glauben heraus leben wollen – oder ob wir nur ein sonntäglich-dekoratives Sahnehäubchen auf einem Leben möchten, das ansonsten auch ganz gut ohne Christus funktioniert.

 

Anspruch mit Zuspruch

 

Der Autor
Ralph Greis OSB
Ralph Greis OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck. | Foto: privat

Der hohe Anspruch Jesu bleibt nicht ohne Zuspruch. Er verheißt uns nicht weniger, als das wahre Leben zu finden, auch wenn es gilt, dafür jene Pläne loszulassen, die auf eigenen Wünschen, vielleicht auch nur auf gesellschaftlicher Konvention gründen. Dieses neue Leben gibt es schon in dieser Welt: „So begreift euch als Menschen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus”, schreibt Paulus an die Römer – wieviel mehr dann für die Ewigkeit. Anspruch und Zuspruch zugleich bedeuten auch: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf.” Wir sollen aufnehmen und aufgenommen werden. Der Prophet Elischa wird von guten Menschen aufgenommen. Sie erhalten die Zusage des Lebens – in einem Sohn, einem Gottesgeschenk, das sie nicht mehr erhofft hatten. In einer Zeit, die noch nicht an ein ewiges Leben glaubt, bedeuten Kinder ein Fortleben über den eigenen Tod hinaus. Sie stehen einem Leben mit Gott nicht entgegen, sondern sind der „Lohn eines Propheten”.

Unter den Zwölf, zu denen Jesus heute spricht, ist auch Judas. Im Garten Gethsemani wird der Herr ihn fragen: „Freund, wozu bist du gekommen?” Der heilige Benedikt stellt diese Frage Priestern, die ins Kloster eintreten wollen. Letztlich fordert der Herr von uns allen die Entscheidung, ob wir auf seinen Ruf in die Nachfolge antworten, mit der Bereitschaft, auch unser Kreuz zu tragen, ob wir unsere eigenen Ideen verwirklichen wollen – oder ob wir bereit sind, uns von ihm zu uns selbst verwirklichen zu lassen, als seine Jüngerinnen und Jünger. Und auch Judas wird als »Freund« angesprochen.

Ich hoffe, dass niemand sich zwischen der Nachfolge Christi und der eigenen Familie entscheiden muss, was leider auch heute noch vorkommt, nicht nur beim Klostereintritt. Im Anspruch Jesu liegt aber auch die Ermutigung: Du kannst es. Wenn er uns in seine Nachfolge ruft, dann geht er selber voran.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 13. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

 

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