Warum Gott kein Erbsenzähler ist: Impuls von Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster

Auslegung der Lesungen vom 15. Sonntag im Jahreskreis (A)

Wie soll man damit umgehen, wenn sich Menschen immer weniger für Gott interessieren? Von diesem Frust kann Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster ein Lied singen. Aber auch davon, wie das Evangelium dieses Sonntags gerade dann gelassen macht.

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Wie soll man damit umgehen, wenn sich Menschen immer weniger für Gott interessieren? Von diesem Frust kann Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster ein Lied singen. Aber auch davon, wie das Evangelium dieses Sonntags gerade dann gelassen macht.

Vielleicht kennen Sie das auch: Man kommt nach Hause und will erzählen; ganz begeistert möchte man weitergeben, was man Tolles erlebt hat. Doch alle sind mit anderen Dingen beschäftigt. Man erzählt, aber der Funke springt nicht über. Es ist, als würde man gegen eine Wand reden. Irgendwann gibt man auf. Kein offenes Ohr. Enttäuscht zieht man sich zurück.

Am Frühstückstisch: Eine Frau versucht, ihre Pläne für den Tag zu erzählen. Doch ihr Mann vergräbt sich hinter der Zeitung. Ab und zu hört sie ein zustimmendes „Hm“ – aber mehr gibt es nicht. Sie stößt auf taube Ohren. Aufgeregt beschwert sie sich: „Du hörst mir ja gar nicht zu!“ Und ihr Mann schaut sie über die Zeitung hinweg an: „Was du immer alles hast!“

 

Schöne Gefühle – ja, Gott – nein

 

In der Seelsorge geht es mir manchmal auch so. Zum Beispiel bei Taufgesprächen: Ich möchte von meinem Glauben erzählen. Möchte deutlich machen, dass uns die Taufe mit Jesus Christus verbindet; sie gibt uns Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung.

Besonders wichtig ist mir: Die Taufe gliedert in die Gemeinschaft der Christen ein, in die Kirche. Doch die Eltern wollen eine solche Taufe scheinbar gar nicht. Sie wollen, dass Gott ihr Kind beschützt und segnet. Christus und Kirche – das ist für sie weit weg.

Das Evangelium vom 15. Sonntag im Jahreskreis zum Sehen und Hören auf unserem Youtube-Kanal

Bei manchen Trauungen ist es ähnlich: Die Menschen wollen etwas Feierliches. Es soll irgendwie verbindlicher sein als auf dem Standesamt. Aber Gott und Kirche? Ehe als Sakrament, als Zeichen der Liebe Gottes? Mit dieser Botschaft fühle ich mich meistens allein.

Oder bei Beerdigungen. Alle sind zufrieden, wenn das Leben des Verstorbenen angemessen gewürdigt wird. Aber wenn es dann um Christus geht, um die Hoffnung, die Auferstehung?

Das Ganze funktioniert nach dem Motto: Schöne Gefühle – ja, Gott – nein. Feierlich – ja, Christentum – nein. Ritus – ja, Kirche – nein.

 

Viele hören gar nicht hin

 

Es gibt auch Menschen, die ein Gespräch, einen guten Rat wünschen. Gut so! Begleitung ist wichtiger denn je. Doch wenn ich dann von Gott spreche, hören viele gar nicht hin. Sind sie vielleicht deshalb so haltlos geworden, weil sie ihren Halt losgeworden sind?

Gemeinschaft entsteht nur, wenn man etwas miteinander teilen kann. Wenn man sich mitteilen kann und zuhört. Kommunikation gibt es nur, wenn offene Ohren und Herzen da sind. Sonst läuft alle Begeisterung ins Leere, und am Ende bleibt nur Enttäuschung.

 

Gott braucht unsere Offenheit

 

Gott will Gemeinschaft haben mit uns Menschen. Dafür braucht er unsere Offenheit. Nicht mehr und nicht weniger! Wie im Sonntags-Evangelium: Ein Sämann geht aufs Feld, um zu säen. Ein Teil der Körner fällt auf den Weg, ein anderer auf felsigen Boden, wieder ein anderer in die Dornen. Aber ein Teil der Körner fällt auch auf guten Boden und bringt hundertfältige Frucht. Gott braucht unsere Offenheit. Wenn wir kein guter Boden sind, dann geht uns auch nichts auf. Gott und Mensch müssen zusammenwirken, sonst gedeiht der Glaube nicht.

Der AutorStefan Jürgens ist Pfarrer der Pfarrgemeinde Heilig Kreuz in Münster. | Foto: Privat

Gott achtet unsere Freiheit über alles. Er zwingt uns nichts auf. Gott achtet unsere Freiheit, aber er gibt niemals auf: Das ist eine zweite, oft verborgene Seite des Evangeliums, eine ganz andere Perspektive. Es geht nämlich nicht nur um uns Menschen, also um den guten oder schlechten Boden, es geht vor allem um Gott, den Sämann. Und der ist immer am Werk. Er hört niemals auf mit dem Säen. Gott gibt nicht auf.

 

Der Sämann ist kein Erbsenzähler

 

Denn der Sämann ist das genaue Gegenteil vom Erbsenzähler. Der Sämann sät großzügig, mit vollen Händen greift er in die Saatschürze und wirft den Samen aufs weite Feld. Aber er zwingt zu nichts, er sät ohne Erfolgszwang. Der Erbsenzähler steckt jede Erbse einzeln in den Boden, piekt mit dem Finger ein Loch und legt eine Erbse hinein. Misstrauisch kontrolliert er jede einzelne. Und ärgert sich, wenn sie nicht aufgeht. Der Sämann sät auf Hoffnung hin, ohne Misstrauen und Kontrolle. Der Sämann hat Vertrauen, der Erbsenzähler macht Angst.

Die meisten, die dieses Gleichnis hören, schauen in Gedanken nach unten. Und sehen dann nur den Weg, den felsigen Boden und die Dornen. Dann hat es der Same des Glaubens wirklich schwer. Da ist der Misserfolg vorprogrammiert. Schauen wir deshalb nicht nur nach unten, auf uns selbst, sondern nach oben, auf den Sämann, auf Gott. Dann merken wir: Gesät wird immer, mit vollen Händen. Gott ist ja kein Erbsenzähler. Er sät nicht griesgrämig und ängstlich, sondern großzügig und frei.

Ob wir nun offen für ihn sind oder nicht: Gott sät weiter. Wir können sein Angebot annehmen oder es ausschlagen. Er jedenfalls gibt nicht auf.

Sämtliche Texte der Lesungen und des Evangeliums vom 15. Sonntag im Jahreskreis (A) finden Sie hier.

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