Jan Tasler über den Zugang zu Gott im Advent 2021

Auslegung der Lesungen vom 2. Adventssonntag / Lesejahr C

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Ist der Zugang zu Gott im Advent 2021 leichter geworden als 2020? Eine einfache Antwort wird der Frage wohl nicht gerecht, sagt Kaplan Jan Tasler und legt die Lesungen dieses zweiten Adventssonntags aus.

„Wir bauen für Sie!“ Ein Versprechen, das bei mir nicht unbedingt Freude auslöst, wenn ich es erblicke. Wer regelmäßig auf Autobahnen unterwegs ist, der kennt die Schilder, die eine nahende Großbaustelle ankündigen. So verbinde ich damit nicht unmittelbar eine zügige Fahrt oder eine breite Strecke über imposante Brücken und durch moderne Tunnel. Stattdessen weiß ich: Mich erwartet gleich eine sich verengende Fahrbahn, Tempobeschränkungen, womöglich auch ein Stau mit einer langen Wartezeit. Statt schneller Fahrt auf freier Bahn heißt es erst einmal: Tempo herausnehmen, langsam werden und sich in Geduld üben.

Nach zwei Jahren und auf den ers­ten Blick wenig Veränderungen kann diese dann schon einmal ziemlich strapaziert sein. Gleichzeitig wird beim Beobachten der Arbeiten auch sichtbar, welche enorme Kraftanstrengung beim Straßenbau zum Einsatz kommt, wie viel Material bewegt werden muss und wie viele Arbeitsschritte nötig sind, um am Ende eine gute, breite Fahrbahn benutzen zu können.

Viel Energie, viel Arbeit

Die Lesungen vom 2. Adventssonntag (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

In der Lesung aus dem Buch Baruch wie im Evangelium geht es an diesem Sonntag um Straßenbau im großen Stil. Der Täufer Johannes zeichnet das Bild eines ebenen und geraden Weges ohne Berge und Schluchten, der den Menschen den Zugang zu Gott ermöglicht. Wer nun weiß, welcher Energie- und Arbeitsaufwand selbst heute noch in solchen Straßenbauprojekten stecken, der kann sich vorstellen, dass den biblischen Lesern und Hörern bewusst war, dass es hier um etwas geht, das höchste Kraftanstrengung und vollen Einsatz erfordert. Eine gerade Straße entsteht nicht nebenbei.

Genauso wie wir das von den großen Autobahnbaustellen kennen, bedeutet die Eröffnung solch einer Baustelle zunächst: Bremsen und langsamer werden. Johannes verkündigt eine Taufe der Umkehr. Er fordert die Menschen, die zu ihm kommen, auf, Tempo herauszunehmen und die gewohnten Lebensabläufe zu unterbrechen und infrage zu stellen.

Heimkehr des Volkes Israel

Damit erreichte Johannes damals viele Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen wollten, trotz aller in Aussicht gestellten Kraft­anstrengung. Die Baustelle, die Johannes ankündigte, bedeutete für sie vor allem Hoffnung: Hoffnung, dass Gott sein Volk nicht vergisst, dass ihn auch die knallharte Wirklichkeit weltlicher Machtstrukturen nicht aufhalten kann und weder Kaiser und Statthalter noch Hohepriester ernstzunehmende Hindernisse für ihn darstellen. Auf sie kommt es hier nicht an.

Im Buch Baruch wird die Heimkehr des Volkes Israel auf ebenem Weg heraus aus dem Exil verkündet. Ein Geschehen, das Wirklichkeit geworden war und die Menschen zur Zeit Jesu daran erinnerte, dass solch ein Weg eine realistische Perspektive ist, trotz aller Schwierigkeiten.

Was löst die Ankündigung in uns aus?

Der Autor
Kaplan Jan Tasler
Jan Tasler ist Kaplan in St. Sixtus in Haltern am See. | Foto: privat

Was löst die Ankündigung Johannes des Täufers, die wir jedes Jahr im Advent wieder hören, in uns aus? Ist da auch in unserer Zeit noch die Begeisterung des Anfangs, die Gewissheit, dass Gott das begonnene gute Werk vollenden wird, wie es in der zweiten Lesung aus dem Philipperbrief heißt? Oder fühlen wir uns eher wie der Autofahrer, der an altbekannter Stelle wieder auf eine Baustelle aufmerksam gemacht wird und sich denkt: „Hat sich hier im letzten Jahr überhaupt etwas bewegt?“

Ist der Zugang zu Gott im Advent 2021 leichter geworden als 2020? Auf den ersten Blick mögen viele darauf vielleicht einem ersten Impuls folgend mit „Nein“ antworten. Aber das Bild der Baustelle lehrt, wie langsam und kleinschrittig Straßen entstehen, Gräben überbrückt und Hügel bezwungen werden.

Hinschauen statt Ungeduld

Vielleicht kann der Advent ein guter Anlass für uns alle sein, Tempo aus unserem Leben herauszunehmen und trotzdem nicht ungeduldig zu werden, sondern genau hinzuschauen: Auf meine Verbindung zu Gott und auf die Hindernisse, die zwischen uns liegen mögen. Auf das, was es schwer macht, ihm nahe zu sein und das, was sich vielleicht in kleinen Schritten zum Positiven verändert hat und bei schneller Fahrt unsichtbar bliebe.

Solch eine Unterbrechung der schnellen Fahrt mag zwar manchmal stören, sie ist aber notwendig, damit unsere Beziehung zu Gott, Fahrt aufnehmen kann. Fast könnte der Gebetswunsch aus dem Philipperbrief es in dieser Hinsicht auch auf ein Baustellenschild schaffen: „Ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und jedem Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Adventssonntag (Lesejahr C) finden Sie hier.

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