Stefan Jürgens über Liebe auf den ersten Blick

Auslegung der Lesungen vom 2. Sonntag im Jahreskreis (B)

Liebe auf den ersten Blick: Gibt es das wirklich? Dass zwei Menschen einander ansehen und sagen: Der ist es, die ist es!? Dass man ohne große Worte spürt: Die passt zu mir, mit dem kann ich leben!? Bei Jesus hat es das gegeben, sagt Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster.

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Liebe auf den ersten Blick: Gibt es das wirklich? Dass zwei Menschen einander ansehen und sagen: Der ist es, die ist es!? Dass man ohne große Worte spürt: Die passt zu mir, mit dem kann ich leben!? Bei Jesus hat es das gegeben, sagt Pfarrer Stefan Jürgens aus Münster.

Bei Jesus hat es das gegeben. Johannes der Täufer blickt auf Jesus und sagt: Seht, das Lamm Gottes! Mehr ist nicht nötig, um seine Jünger loszuwerden. Denn die sind mit einem Mal von Jesus so fasziniert, dass sie ihm folgen. Aus den Johannes-Jüngern werden Jesus-Nachfolger. Ohne viele Worte geht das. Und noch am selben Tag gewinnen sie einen Jünger hinzu: Simon.

Drei Dinge sind mir an dieser Perikope wichtig geworden: Wir alle brauchen einen Menschen wie Johannes den Täufer. Wir dürfen erkennen, wer Jesus für uns ist. Und wir sollen andere Menschen zu ihm führen.

 

Menschen wie Johannes

 

Das Evangelium vom Fest der Taufe des Herrn (B) zum Sehen und Hören auf unserem Youtube-Kanal

Zum Ersten: Wir alle brauchen einen Menschen wie Johannes den Täufer. Denn der denkt nicht an sich, sondern an Gott. Johannes kennt seinen Auftrag. Es kommt nicht auf ihn an, sondern auf Christus. Als er ihn endlich sieht, weist er auf ihn hin: Seht, das Lamm Gottes! Johannes will seine Jünger nicht eifersüchtig an sich selber binden. Er kann sie weitergeben. Wir alle brauchen so einen Menschen; einen, der uns zu Christus führt. Es können die Eltern sein oder der Ehepartner. Oder irgendein Mensch, der durchsichtig ist auf Gott hin. Und vielleicht sind wir selber für andere so ein Mensch.

Zum Zweiten: Wir dürfen erkennen, wer Jesus für uns ist. Denn der lädt die beiden Jünger ein, bei ihm zu wohnen. „Wo wohnst du?“, fragen sie ihn. Jesus lädt ein: „Kommt und seht!“ – „Wo wohnst du?“, das bedeutet: Wer bist du, wie lebst du, wo ist deine innere Heimat? Jesus zeigt es ihnen bereitwillig. Ein Sprichwort sagt: „Wenn du jemanden zum Glauben führen willst, dann lasse ihn ein Jahr lang bei dir wohnen.“ Wo wohne ich? Bei wem bin ich zu Hause? Wo ist meine innere Heimat? Wen lasse ich bei mir wohnen, das heißt, wem gebe ich Anteil an meiner inneren Welt? Wenn ich von mir erzähle, von meinen Erfahrungen, dann kann ich Menschen für Gott gewinnen.

Zum Dritten: Wir sollen Menschen zu Christus führen. Einer der beiden Jünger, Andreas, trifft noch am selben Tag seinen Bruder Simon. „Wir haben den Messias gefunden“, sagt er. Durch den Hinweis des Johannes, durch das Wohnen bei Jesus hat er schneller erfahren als er hätte begreifen oder lernen können: Jesus ist der Messias.

 

Wenn der Funke überspringt

 

Sofort macht er sich auf und erzählt von seinen Erfahrungen. Der Funke springt über: Simon lässt sich für Jesus begeistern. „Und er führte ihn zu Jesus“, heißt es. Wenn wir einen Menschen zu Jesus führen, und sei es nur ganz still im Gebet, dann können wir sicher sein, dass dieser Mensch angenommen wird. Jesus traut uns zu, unsere Erfahrungen weiterzugeben und mit ihrer Hilfe andere Menschen zu gewinnen.

Ein engagierter Christ hat mir einmal gesagt: Erzählt doch bitte nicht so viel Theologisches, das ist oft so abgehoben und belehrend. Erzählt lieber von euren Erfahrungen, von eurem Leben. Ich meine, dass beides zusammengehört, es widerspricht sich nicht. Das Evangelium ist Theologie, die von Erfahrungen ausgeht: Da sind Menschen, die zu Jesus geführt werden: Liebe auf den ersten Blick. Sie wohnen bei ihm und erfahren sein Innerstes. Und dann geben sie Zeugnis von ihren Erfahrungen. Tatsächlich, es funktioniert: Der, den sie damit gewinnen, das ist niemand geringerer als Petrus, der Fels, der Erste der Apostel.

 

Berufungs-Geschichten

 

Pfarrer Stefan Jürgens
Stefan Jürgens ist Pfarrer der Gemeinde Heilig Kreuz in Münster. | Foto: Markus Nolte

Wen Gott beruft, den ruft er meistens durch Menschen. Wen er begeistern will, dem schickt er begeisterte Menschen. Das wird in der ersten Lesung deutlich, der Berufungs-Geschichte Samuels. Samuel hört Gott, aber er braucht Eli, um Gott wirklich zu verstehen. Eli-Dienst nennt man das Aufschließen einer Berufung, das Erkennen der Stimme Gottes, das vorsichtige Bekanntmachen mit ihm.

Geistliche Begleiter wissen, dass Gott längst da ist, dass er in uns lebt und wir ihm bereits gehören, ganz und gar, mit Leib und Seele, wie Paulus den Korinthern eindringlich ins Gewissen schreibt (zweite Lesung).

Wenn wir doch mehr Mut hätten, einander zu sagen: „Wir haben den Messias gefunden!“ Wenn wir doch mehr Gottvertrauen hätten, einander zu sagen: „Jesus braucht dich, er lädt dich ein, komm und sieh!“ In den sozialen Netzwerken zeigen wir manchmal zu viel von uns, im Netzwerk Kirche sind wir oft stumm und unsichtbar, schade eigentlich. Auf die Glaubenserfahrungen anderer zu hören, sich begeistern zu lassen von Begeisterten, sich einladen zu lassen, um Jesus wirklich kennenzulernen: Das täte uns allen gut.

Alle Texte der Lesungen vom Fest der Taufe des Herrn (Lesejahr B) finden Sie hier.