Pater Daniel Hörnemann OSB über einprägsames Herzenswissen

Auslegung der Lesungen vom 2. Sonntag nach Weihnachten (Lesejahr B)

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Das Kind in der Krippe von Bethlehem - das ist die eine Sicht auf Weihnachten. An diesem zweiten Sonntag nach Weihnachten steht eine andere Version im Mittelpunkt: "Das Wort wurde Fleisch." Ein schwieriger Satz. Was es damit auf sich hat, erläutert Pater Daniel Hörnemann OSB in seiner Schriftauslegung.

Die Weihnachtszeit ist sehr kurz geraten. Früher dauerte sie bis zum 2. Februar, seit dem Konzil nur noch bis zum Fest der Taufe Jesu. Damit in all der Eile des Übergangs in die Zeit der „normalen“ Kirchenjahreszeit noch etwas zum Nachklingen kommen kann, nimmt der 2. Sonntag nach Weihnachten das Weihnachtsereignis erneut in den Blick und weist auf das Zentrum, das bei allen Festbräuchen, so schön und heimelig sie sein mögen, häufig aus dem Auge gerät und immer weniger Menschen auch in unseren Breitengraden noch bewusst ist.

Die Liturgie dieses Sonntags hilft uns, über das Große und Großartige des Weihnachtsfests nachzudenken, zu staunen und für die unglaubliche Annäherung Gottes an uns irdische Wesen durch seine Menschwerdung zu danken.

Es war einmal eine Zeit, als am Ende einer jeden Messfeier ein sogenanntes „Schluss-Evangelium“ auf Latein gelesen wurde. In der alten vorkonziliaren Liturgie wurde da der Johannesprolog verkündet, der im Mittelpunkt dieses Sonntags steht. Am Ende der Anfang! Wenn dieser zum Schluss jeder Messe drankam, musste es sich um einen sehr bedeutsamen Text handeln.

 

Entsteht Langeweile?

 

Das komprimierte Johannes-Evangelium im Lied des Anfangskapitels als Auftakt im Finale, bevor es hieß „Ite missa est“ – „Geht hin, ihr seid auf Sendung!“ Natürlich kann sich bei solch täglichem Gebrauch einer Evangeliumspassage eine Abnutzung oder auch Langeweile einstellen. Was jeden Tag gelesen wird, erhält nicht die Aufmerksamkeit wie selten gelesene Texte. Vielleicht tat die Wiederholung jedoch eine andere Wirkung.

Das Wiederholen, Repetieren oder Rekapitulieren hat in Lern- und Arbeitsmethoden den Zweck, das Gelernte darzulegen und das Wissen zu perfektionieren. So ist der Johannesprolog vielleicht bei den Pries­tern und Gläubigen der damaligen Zeit abrufbares Wissen geworden. Auswendig gelernt konnte er zum einprägsamen Herzenswissen werden.

 

Bittere Realität für das Wort Gottes

 

Pater Daniel Hörnemann
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

„Im Anfang das Wort” – Johannes greift hier alttestamentliche Weisheits- und Wortvorstellungen auf. In der Spätzeit des Ersten Testamentes wurde das schöpferische Wort Gottes gleichgesetzt mit seiner ewigen Weisheit. Darin ist er bei seinem Volk und im Gotteshaus des Tempels präsent. Das Gotteswort – vor der Ewigkeit erschaffen und in Ewigkeit nicht vergehend (erste Lesung) – ist verwurzelt in den Menschen und hat in Israel sein Zelt aufgeschlagen. Der alttestamentliche Weise hat den Horizont eröffnet, in dem die Botschaft des Johannes vom Schicksal des menschgewordenen Gotteswortes zu verstehen ist.

Johannes sieht jedoch die bittere Realität bei den Menschen, dass durchaus nicht alle dieses Gotteswort bereitwillig annehmen und sich vom wahren Licht erleuchten lassen. Ausgerechnet diejenigen, bei denen es ankommen will, lehnen es paradoxerweise ab. Es gibt allerdings neben aller Ablehnung auch die Annahme. Die es annehmen, werden zu Gotteskindern und treten in eine besondere Nähe zu Gott ein. Das göttliche Leben geht in sie ein. Durch die Gemeinschaft mit Christus werden sie mit allem Segen seines Geistes gesegnet (zweite Lesung).

Der Christushymnus im Epheserbrief ist im griechischen Original ein einziger langer Satz. Wieder etwas zum Auswendiglernen, nicht als Gedächtnistraining für den Intellekt, sondern als eine Einübung darin, sich durch die Erinnerung immer neu bewegen zu lassen. Was vom Innersten Besitz ergriffen hat, das durchströmt den Menschen, wird sein geistiges und geistliches Eigentum, sodass am Ende nicht er das Lied singt, sondern das Lied in ihm singt und seine Seele zum Schwingen bringt.

 

Damit wir zum Menschsein finden

 

Das göttliche Wort ruft nach menschlicher Antwort. Das göttliche Licht sucht nach einer Herberge in uns, um dann durch uns auszustrahlen in diese Welt. Wie könnten wir leben ohne Jesu Geburt? Beim menschgewordenen Gottessohn finden wir Antworten auf unsere Lebensfragen.

Der Johannesprolog führt genau wie die Schöpfungserzählung am Beginn der Bibel an den Anfang. Schöpfung und Erlösung sind keine Ereignisse der Vergangenheit, sondern wollen sich immer neu ereignen und fortwähren. Sie sind nicht zu Ende.

Das Wort Gottes wurde Mensch, damit wir immer mehr zum wahren Menschsein finden. Wir sind Anfänger darin, können aber mit Hilfe der Orientierung durch Gottes Wort und Weisheit weiter und weiter darin fortschreiten auf dem Weg zum Licht, das niemand löschen kann.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 2. Sonntag nach Weihnachten finden Sie hier.

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