Ökumene-Expertin Gabriele Lachner über Kommunion-Empfang und Barmherzigkeit

Auslegung der Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis (B)

Das Evangelium dieses Sonntags spricht viel vom Brot und von der Gemeinschaft mit Gott. Was bedeutet das für die Kommunion heute? Wer gehört zu dieser Gemeinschaft? Gabriele Lachner, Ökumene-Expertin in Vechta, legt die Texte der Sonntagsmesse aus.

Anzeige

Das Evangelium dieses Sonntags spricht viel vom Brot und von der Gemeinschaft mit Gott. Was bedeutet das für die Kommunion heute? Wer gehört zu dieser Gemeinschaft? Gabriele Lachner, Ökumene-Expertin in Vechta, legt die Texte der Sonntagsmesse aus.

Wir diskutieren immer wieder die Fragen: „Dürfen wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion?“ oder „Dürfen evangelische Ehepartner/innen zur Kommunion?“ Das Ringen darum ist so wichtig! Denn es geht um das Innerste, um den Wesenskern unseres Glaubens. Doch gerade jetzt, da dieses Thema wieder hochkocht, lohnt es sich genauer hinzuschauen: Was ist es, was bei der Kommunion geschieht? Was ist es, das uns da geschenkt wird?

 

Kein magisches Geschehen

 

Das Evangelium vom 20. Sonntag im Jahreskreis (B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Das Sonntags-Evangelium gibt uns hierzu etliche Denkanstöße mit auf den Weg, und sicher zugleich so manche Irritationen. Da sagt Jesus: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt.“ – Nur zu gut können wir als Menschen des 21. Jahrhunderts die irritierte Frage so mancher der Zuhörer Jesu verstehen: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ Das klingt wie Kannibalismus.

Was meint Jesus also damit, dies sei sein „Fleisch für das Leben der Welt“? Jesus weist mit diesen Worten auf seine Hingabe am Kreuz hin: Er wird in den Tod gehen, in grenzenloser Liebe sein Leben für die Menschen hingeben und so zum Leidens-Gefährten so vieler gequälter Menschen werden. Er gibt sein Fleisch für das Leben der Welt. So wird dieses Brot, in dem Jesus sich selbst gibt, zum Lebens-Brot. „Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“

 

Wer ist zu diesem Mahl zugelassen?

 

Allerdings darf dies nicht als Automatismus, als magisches Geschehen verstanden werden. Diese Worte sind vielmehr ein grandioses, ein unfassbares Versprechen Gottes: Wer sich auf diese innigste Gemeinschaft (= communio) mit unserem Gott einlässt, wer sich ihm glaubend öffnet, dem gilt Gottes Zusage: „Der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“ Wer sich von dieser Liebe und Selbsthingabe Jesu durchdringen lässt, der wird leben, auch wenn er gestorben ist. Das ist mehr als ein Gefühl, das sich hier mit dem Essen der eucharistischen Gaben verbindet. Das ist ein handfestes Versprechen Jesu Christi: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm.“

Die Autorin
Gabriele LachnerGabriele Lachner ist Bischöfliche Beauftragte für ökumenische Fragen und Schulseelsorgerin in Vechta. | Foto: privat

Sich der Lebenskraft dieser Brot-Worte zu öffnen, bedeutet, sich zutiefst berühren, bewegen und verwandeln zu lassen. Fragen, ob evangelisch oder katholisch, Fragen, ob verheiratet oder wiederverheiratet, rücken demgegenüber ebenso in den Hintergrund wie andere Hürden mit Blick auf den Kommunionempfang. Und doch sind wir immer wieder versucht, Bedingungen zu formulieren, wer zu diesem Mahl zugelassen werden darf und wer nicht. Wie fest muss man im Glauben stehen? Wie einwandfrei muss die Lebensführung sein?

 

Große Offenheit

 

Unsere beiden Lesungen können hier bei der Spurensuche helfen. Die alttestamentliche Lesung aus dem Buch der Sprichwörter erzählt von der göttlichen Weisheit, die auch die Unwissenden zum Mahl einlädt. Hier zeigt sich eine große Offenheit. Die göttliche Weisheit legt uns aber zugleich ans Herz: „Lasst ab von der Torheit, dann bleibt ihr am Leben, und geht auf dem Weg der Einsicht!“

Ähnlich mahnt der neutestamentliche Lesungstext: „Achtet sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, … Nutzt die Zeit, denn diese Tage sind böse. Darum … begreift, was der Wille des Herrn ist. Lasst euch vom Geist erfüllen!“

Sich vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen, dies ist eine Aufforderung, sich der dichtesten Gemeinschaft mit Gott zu öffnen. Und wie sollte es möglich sein, sich dieser Gemeinschaft mit Gott zu öffnen, ohne sich auch zum Herzensanliegen werden zu lassen, was Gottes Herzensanliegen sind? Seine unsägliche Liebe zu seiner Schöpfung, zu den Menschen, gerade zu denen, die leiden. Das Wesen unseres Gottes ist Barmherzigkeit, unser Gott will, dass alle Menschen gerettet werden (1 Tim 2,4), dafür hat Jesus sein Leben hingegeben.

 

Die Zutatenliste des Brotes

 

Auf dieser Spur Gottes sollen wir bleiben, wachsam und klug. Das bedeutet auch, uns gegenüber dem immer rauer werdenden Ton in Teilen unserer Gesellschaft zu verweigern, denn „diese Tage sind böse“. Sich nicht in den Sog jener gesellschaftlichen Gruppen begeben, die bei 68 Millionen Menschen auf der Flucht keine anderen Worte finden als „Grenzen dicht machen“, und die dabei das vielfältige Leid aus den Augen verlieren, das Menschen zur Flucht treibt.

Das Wesen unseres Gottes ist Hingabe, ist Barmherzigkeit, ist Mit-Leid. Lassen wir uns das ins Herz geschrieben sein, jedes Mal, wenn wir zur Kommunion gehen und die Gemeinschaft mit unserem Gott suchen. Jesus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ Dieses Brot ist uns Lebensmittel. Und auf der Zutatenliste dieses Brotes stehen die Selbsthingabe und die grenzenlose Liebe unseres Gottes.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 20. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

 

Anzeige