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Schlüsselgewalt klingt den Ohren vieler Menschen eher nach Gewalt als nach Autorität. Schon im Alten Testament war das so. Jesus macht aber klar, wer der eigentliche Erschließer ist, wie Pater Daniel Hörnemann in seiner Auslegung der Lesungen zeigt.
Für viele ist diese Art, sein Haus abzuschließen, skurril und „very British“! Welche Bedeutung Schlüsseln beigemessen wird, zeigt ein uraltes Ritual, das auf das 14. Jahrhundert zurückgehen soll. Jeden Abend wird im Londoner Tower eine Schlüsselzeremonie abgehalten, bevor die Tore zur Nacht verschlossen werden. Die Wachsoldaten salutieren vor den Schlüsseln der Königin. Der Wachtposten fordert die Schlüsselwärter auf, sich auszuweisen: „Halt! Wer kommt dort?“ – „Die Schlüssel.“ – „Wessen Schlüssel?“ – „Die Schlüssel der Königin.“ – „Lasst die Schlüssel der Königin passieren. Alles ist in Ordnung.“ – „Gott schütze die Königin.“ Mit der Antwort „Amen“ schlägt die Glocke 22 Uhr, Zeit zum Zapfenstreich.
Auch wenn die Königin nicht im Tower wohnt, sondern nur ihre Kronjuwelen dort verwahrt werden, die kürzeste Militärparade der Welt, „The Ceremony of the Keys”, bleibt beeindruckend. Die Palastschlüssel sind ein Symbol der königlichen Macht und Autorität, so wie das Zepter hinweist auf Regierungsgewalt und Hoheitsrecht. Die Schlüsselgewalt muss verantwortlich wahrgenommen werden.
Machtmissbrauch, wohin man schaut
Die Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.
Im Fall von Amtsmissbrauch wie etwa beim Palastvorsteher Schebna in der ersten Lesung zur Zeit des Propheten Jesaja folgen dem politischen Skandal ein Amtsenthebungsverfahren und die peinliche Entlassung. Schebna – wie viele andere Amtsträger nach ihm bis in unsere Zeit – nutzte seine Position aus zur persönlichen Bereicherung bis zum Bau einer pompösen Grabstätte, um sich einen bleibenden Ruhm über den Tod hinaus zu sichern. Und das zu einer politisch und ökonomisch schwierigen Zeit, als nicht einmal die Jerusalemer Königsgräber weitergebaut werden konnten. Kein Wunder, dass er aus dem Amt gejagt wurde.
Sein Ersatz wurde Eljakim, er sollte für das Volk wie ein Vater sein und für dessen Wohlergehen sorgen. Allerdings scheiterte auch Eljakim, da seine Sippe nur von den Privilegien seiner Macht profitierte, aber seine Verantwortung nicht mittrug. Sämtliche menschlichen Schlüsselträger und Führungspersonen bleiben eben fehlbar. Wer sein Amt missbraucht, handelt gegen die Menschen und gegen Gott.
Schwacher Mann, starker Trost
Das Evangelium liegt ganz auf dieser Linie. Ausgerechnet einen wankenden, schwankenden, gefallenen Mann wie Petrus hat sich Jesus als ersten Felsen ausgesucht und seine Schlüsselposition gefestigt. Darin liegt ein großer Trost und eine starke Ermutigung, den perfekten Menschen gibt es nicht. So baute Jesus aus defizitären Menschen seine Kirche, aus brüchigen lebendigen Steinen sein Haus.
Wenn Simon Petrus das höchste Leitungsamt in der Kirche verliehen wurde, geht es nicht um Herrschaftsansprüche. Die Dienstübertragung kann angesichts seiner Schwächen nur in der Logik der Liebe Gottes begründet sein. Er soll wie all seine Nachfolger den Menschen den Himmel erschließen und nicht den Zugang dazu versperren und ihnen den Schlüssel zur Erkenntnis wegnehmen.
Wenn einem Theologen die Worte fehlen
Der Autor
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte
Der eigentliche Schlüsselträger bleibt Jesus Christus selbst. Nur ihm, dem Messias, steht es letztlich zu, das Tor des Gottesreichs zu öffnen oder zu schließen. Wir haben zeitlebens viele Schlüssel zur Verfügung, um uns Türen zum Leben aufzuschließen. Den Schlüssel zum Geheimnis Gottes besitzen wir jedoch nicht.
Davor können wir nur wie Paulus staunend stehenbleiben. Angesichts des Mysteriums Gottes fehlen sogar dem sonst so sprachmächtigen Theologen die Worte. Es bleibt ihm nur noch der Lobpreis Gottes aus innerster Erregung heraus. Unmittelbarer Anlass dafür ist seine Erkenntnis des universalen Heilswillens Gottes: Dieser Gott sagt Ja zu allen Menschen. Über diese Einsicht kann Paulus nur erstaunt ins Schwärmen geraten. „O báthos“ – das erste Wort des Gebetes kann Tiefe, weitreichende Dimension, aber auch einen Schaudern erregenden Abgrund bedeuten.
Paulus steht vor der Abgründigkeit Gottes. Sie lässt den Menschen zurückschrecken und zieht ihn zugleich an. Natürlich sind die drei rhetorischen Fragen negativ zu beantworten: Kein Mensch hat die Gedanken des Herrn erkannt. Kein Mensch ist sein Berater gewesen. Kein Mensch hat ihm etwas gegeben, dass Gott ihm etwas zurückgeben müsste. Gott allein weiß, wie die Menschen zum Heil kommen werden. Das Gebet des Paulus betont die Größe und Undurchschaubarkeit Gottes. Schon der sichtbare Lauf der Welt lässt viele Fragen offen und folgt keiner erkennbaren Gesetzmäßigkeit. Gottesanreden wie „Unergründlicher“, „Ferner“ und „Fremder“ treffen die Erfahrung vieler Menschen unserer Zeit und lassen Gebete ehrlicher werden.
Sämtliche Texte der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.