Melanie Schreiber aus Garrel: Warum es mutig ist, demütig zu sein

Auslegung der Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis (C)

Jesus ist kein Fan der vordersten und obersten Plätze. Im Gegenteil. Doch seine "Karriere nach unten" hat es in sich. Taugt sie als Vorbild? Antworten von Melanie Schreiber aus Garrel in ihrer Auslegung der Lesungen dieses Sonntags.

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Jesus ist kein Fan der vordersten und obersten Plätze. Im Gegenteil. Doch seine „Karriere nach unten“ hat es in sich. Taugt sie als Vorbild? Antworten von Melanie Schreiber aus Garrel in ihrer Auslegung der Lesungen dieses Sonntags.

„Gott schenke uns Mut!“ Meine Firmvorbereitung liegt schon lange zurück, aber dieser Antwortruf auf die Fürbitten während des Firmgottesdienstes ist mir sehr im Herzen geblieben. Diese Bitte ist für mich zu einem immerwährenden persönlichen Gebet geworden.

Für meine eigene Berufungsgeschichte kann ich sagen, dass Gott mir mit der Firmung Mut geschenkt hat, mein Leben zu überdenken und mich neu zu orientieren. Ich habe dann angefangen, mich in meiner Heimatgemeinde zu engagieren, habe in der Verbandsjugend gearbeitet und schließlich die Ausbildung zur Pastoralreferentin angefangen. Das hat mich wirklich Mut gekostet und nicht nur Verständnis in meiner Umgebung mit sich gebracht. „Gott schenke uns Mut!“ Diese Bitte an Gott zu richten, scheint mir aktueller denn je zu sein.

 

Haben wir Mut zum Zeugnis?

 

Die Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Die Kirche und unsere Gesellschaft benötigen mutige Menschen, die heute Zeugnis geben von der froh machenden Botschaft. Menschen, die Zeugnis geben von dem lebendigen Gott, der für jeden Menschen das Heil, das Leben in Fülle will. Dafür ist er gestorben und auferstanden, und dafür sind wir Zeugen. Haben wir jeden Tag den Mut dazu?

Die Botschaft, die wir zu verkünden haben, löst nicht nur ein kräftiges Halleluja bei den Menschen aus, sondern auch Skepsis, Zweifel und Unverständnis. In der ersten Lesung heißt es: „Bei all deinem Tun bleibe bescheiden, demütige dich, dann wirst du im Herrn Gnade finden.” Demut hat in unserer Zeit keinen besonders hohen Stellenwert, eher das Haben, Besitzen und Macht-ausüben.

 

Kritisieren fällt leicht

 

Doch die Fähigkeit, demütig zu sein, ist für mich eng verbunden mit dem Grad an Mut, den man in sich trägt. Wie schwer fällt es, einen anderen, der weiter entwickelt ist als man selbst, ehrlich anzuerkennen! Wie leicht findet man dann etwas zu kritisieren, um sich von ihm distanzieren zu können! Unser Umgang miteinander wäre anders, wenn wir demütig sein könnten.

Aber dadurch, dass wir uns selbst zum Maßstab für die Beurteilung anderer machen, ist das unmenschliche Miteinander auch ein Indikator für unsere Mutlosigkeit. Denn es gehören Mut und Selbstsicherheit dazu, einem Größeren gegenüber nicht das Selbstbewusstsein zu verlieren und sich neben ihm nicht klein und unbedeutend zu fühlen.

 

Ertrage deine Unvollkommenheit!

 

Ein zeitgemäßer Ausdruck von Mut könnte sein, zu seiner Unvollkommenheit zu stehen, weil man weiß, dass das „Ich” etwas Werdendes ist und in Gott seine Vollendung findet. Die eigene Unvollkommenheit zu ertragen, erfordert Mut. Wenn mir das gelingt, kann ich diese dann auch bei meinem Mitmenschen anerkennen.

Mit all unserer Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit dürfen wir mutig Kirche und Welt mitgestalten, denn so schreibt der Apostel Paulus in der zweiten Lesung: „Ihr seid zum Berg Zion hingetreten, zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem, zu Gott und zum Mittler eines neuen Bundes, Jesus.”

 

Was mir Mut macht

 

Diese starken Worte tun mir gut, machen mir Mut in meinem Dienst an und mit den Menschen. Diese Worte des Apostels Paulus sind für mich Bezeichnungen für die unmittelbare Gegenwart Gottes, die ich als Glaubender jetzt schon erfahren kann.

Hier schließt sich für mich der Kreis meiner Berufungsgeschichte von der Firmung zur Pastoralreferentin, da dieser Text des Apostels Paulus in der Liturgie meiner Beauftragung zum pas­­toralen Dienst vorkam. Sich auf ein Leben mit dem lebendigen Gott einzulassen, erfordert Mut. Es ist nicht immer leicht, aber dieser Herausforderung stelle ich mich jeden Tag immer wieder neu und von Herzen gern, denn ich könnte mir kein anderes, schöneres und erfüllteres Leben mehr vorstellen.

 

Ich lebe gegen den Trend

 

Die Autorin
Melanie Schreiber.
Melanie Schreiber ist Pastoralreferentin in St. Johannes Baptist Garrel. | Foto: privat

In der Gegenwart Gottes zu leben, mit ihm mein Leben zu gestalten, lässt mich singen, wie Rolf Krenzer in einem seiner Lieder schreibt: „Bin auf einmal mutig und kann neu wieder hoffen. Neue Wege stehen jetzt mir auf einmal offen. Und Zuversicht verlässt mich nicht. Es ist fast nicht zu fassen: ganz mutig und gelassen im hellen Licht.“

Wenn ich das glauben und leben kann, dann kann ich auch wie Jesus im Evangelium dieses Sonntags sagen: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.” Dann kann ich mich, entgegen aller gesellschaftlichen Strömungen und Trends, um des Anderen willen, um Gottes willen in Demut üben. Es kommt auf einen Versuch an – seien Sie mutig und machen Sie mit! Es lohnt sich.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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