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Sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen, sondern sich an den Inhalten zu orientieren, ist ein Hauptakzent des Evangeliums. Das führt zur Gottesbeziehung im Herzen, sagt Pater Daniel Hörnemann OSB und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.
Als „Hauptmann von Köpenick“ figurierte der ostpreußische Schuhmacher Friedrich Wilhelm Voigt. Das Meisterstück des Hochstaplers aus Not und Bedrängnis war seine Besetzung des Rathauses von Köpenick bei Berlin am 16. Oktober 1906: Voigt hatte bei einem Trödler eine ausgediente Hauptmannsuniform erworben und befehligte mit deren „Autorität“ einen Trupp gutgläubiger Soldaten, die ihm unabsichtlich dabei halfen, die Stadtkasse zu rauben.
In ganz Deutschland lachte man über diesen Geniestreich. Der Kaiser las umgehend einen telegrafischen Bericht über die Affäre, bezeichnete Voigt als „genialen Kerl“ und soll lachend gesagt haben: „Da kann man sehen, was Disziplin heißt. Kein Volk der Erde macht uns das nach!“
Kritische Darstellung des deutschen Untertanengeistes
Die Lesungen vom 22. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B zum Hören finden Sie hier.
Bei aller Komik sahen kritische Pressestimmen darin einen grotesken „Sieg des militärischen Kadavergehorsams über die gesunde Vernunft“. Carl Zuckmayer machte aus diesem brillant-lächerlichen Coup ein Theaterstück als kritische Darstellung des Militarismus und des Untertanengeistes im deutschen Kaiserreich.
Weithin bekannt wurde die Verfilmung von 1956 mit Heinz Rühmann in der Titelrolle. Millionen Zuschauer gingen dafür ins Kino. Was Äußerlichkeiten repräsentieren können, machte der Schuster von Köpenick drastisch deutlich.
Gottesbeziehung im Herzen ist wichtig
Sich nicht von Äußerlichkeiten blenden und vom Schein täuschen lassen, Formalitäten und Rituale nicht stärker gewichten als die Inhalte, für die sie stehen, das Eigentliche und Wesentliche nicht mit der äußeren Form und Darstellung verwechseln – das ist ein Hauptakzent im Evangelium.
Nicht die äußerliche Reinigung war Jesus wichtig, sondern der Sinn hinter dem Ritual, nicht die Einhaltung von Menschen gemachten, von alters her überlieferter Vorschriften, nicht die Verehrung Gottes mit den Lippen, sondern die Gottesbeziehung im Herzen, nicht das äußere Tun, sondern die innere Haltung. Wesentlich ist, wie es innen aussieht, in der Personenmitte.
Weisungen Gottes als Lebensaufgabe
Als Mose den Israeliten in seiner testamentarischen Grundsatzrede die Weisungen Gottes übermittelte (Dtn 4), sollten sie nicht äußere schwere Lasten auferlegt bekommen, sondern die Gabe als Lebensaufgabe begreifen lernen, die hineinführt in Freiheit, Wahrheit und Klarheit.
Den grundlegenden Spielregeln soll nichts hinzugefügt und nichts von ihnen weggenommen werden, was ihren zentralen Inhalt entstellen würde: die Gestaltung der Beziehung des Menschen zum Mitmenschen, zu sich selbst, zur Mitwelt und zu seinem Gott.
Das Wort zu Herzen nehmen
Die Wegweisungen Gottes sollten nicht in Stein eingemeißelt, sondern ins Herz eingeschrieben werden. Der Jakobusbrief liegt auf derselben Linie: „Nehmt euch das Wort zu Herzen, das in euch eingepflanzt worden ist und das die Macht hat, euch zu retten.“ Es genügt nicht, dieses Wort bloß zu hören, ohne Konsequenzen daraus zu ziehen, es braucht die Umsetzung in die Tat, alles andere wäre Selbstbetrug.
Diese Gefahr gab und gibt es zu allen Zeiten, die Propheten hatten genauso damit zu kämpfen wie Jesus selbst und später seine Kirche und ihre Repräsentanten. Eines der Hauptprobleme, mit denen Jesus konfrontiert war, bestand darin, dass viele Menschen in seiner Umgebung, insbesondere die religiösen Führer, nicht wirklich religiös waren, das heißt in einer echten Gottesbeziehung lebten.
Heuchler, Betrüger, Schwindler