Maria Hölscheidt zur Frage: Wie findet Gott mich?

Auslegung der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

Anzeige

Welche Identität haben Christen in der heutigen Zeit? Wie kann Jesus im Markus-Evangelium für uns identitätsstiftend verstanden werde? Diesen Fragen widmet sich Pastoralreferentin Maria Hölscheidt in der Auslegung der Lesungen dieses Sonntags.

In den Szenen und Texten des Markus-Evangeliums spiegelt sich die Gemeinde, für die er schreibt: Sie hat die völlige Zerstörung des Tempels vor Augen, was die Menschen damals als den Zusammenbruch der traditionellen religiösen Welt verstanden. Als Christen sind sie herausgefordert, die eigene Identität zu entwickeln. Wie verstehen wir uns? Was sind wir für die anderen? Wie erklären wir uns die historischen Ereignisse? Wer sind wir heute? Wer ist dieser Christus, den wir verkünden, der uns prägt?

Das Sonntags-Evangelium dieser Woche könnten wir als ein identitätsstiftendes Angebot von Markus lesen. Es ist eine Heilungs­geschichte, aber auch ein Modell des Handelns Jesu. Sie ist eine Visitenkarte Jesu, ein Fingerabdruck seiner heilsamen Gegenwart.

 

Jesus ist erreichbar und erlebbar

 

Die Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Als Ort wird die Gegend der Dekapolis angegeben, eine hellenistische Gegend, aus jüdischer Sicht der Bereich der „Heiden“. Auch dort hat Jesus schon einen Ruf, der dazu führt, dass Menschen ihn mit ihren Problemen aufsuchen. An anderen Stellen des Evangeliums wird der Glaube der Menschen als der Grund der Heilung angegeben und gelobt, hier wird er nicht erwähnt! Oder ist das Zugehen auf Jesus, die Hoffnung, das Zutrauen schon Grund genug für Gottes Wirken?

Im Modell, das Jesus hier gibt, wird dieser säkulare Bereich nicht umgangen. Er geht direkt in dieses Gebiet hinein und bringt die Zuwendung Gottes dorthin. Jesus ist für diese Menschen erreichbar und erlebbar. Hier ist unvoreingenommene Begegnung und menschliche Nähe das Medium der Öffnung und der Heilung. „Wie sollen wir mit diesem Problem umgehen?”, fragen die Leute. Und Jesu Antwort lautet: „Im Kontakt!” Im Unspektakulären, am Rand und nicht in aller Öffentlichkeit.

 

Wie kann Gott helfen?

 

Diese Lösung öffnet den Raum für weitere Fragen und Sichtweisen: Was ist mit Gott in meinem Leben? Wie findet Gott mich? Wie kann Gott helfen?

Jesus berührt die Sehnsucht nach Kontakt, Verständnis und Zugewandtheit. Die Erfahrung seines Atems, seines Seufzens, seines Zugriffs, seiner Heilkraft gehen tief und bleiben in Erinnerung. Er gibt ein Modell, dass auch wir heute mit dieser Art als Christen erinnert und erkannt werden könnten: Erreichbar, hautnah, ohne Aufsehen, mitfühlend und zugewandt.

 

Öffne dich!

 

Die Autorin
Maria Hölscheidt.
Maria Hölscheidt ist Pastoralreferentin in der Kirchengemeinde St. Amandus in Datteln.

In meinem persönlichen Heute geht manchmal das Zutrauen verloren, dass Kontakt und Zuwendung schon ausreichend sind, um Menschen mit Gott in Berührung zu bringen. Die Ergebnisse scheinen kaum wahrnehmbar und nicht mehr relevant zu sein. Aber wenn dieses Evangelium geschrieben ist für die damalige Gemeinde, ist dann auch die Kirche von heute die Adressatin? Lautet die Information an uns heute: Seht euch um, Gott tut Wunder, auch außerhalb eurer gesteckten Glaubensräume? Jesus seufzt vielleicht auch für uns dieses „Effata“, oder ist es sogar ein Seufzen über uns? Öffne dich!

Ich wage ein Reframing – einen Perspektivwechsel: Könnte es sein, dass die Menschen in der „Gegend der Dekapolis“ heute die sind, die wir als außerhalb unserer Glaubenswelt einordnen? Oder als Randgruppe oder -gemeinde? Die uns „Religiöse“ auch nicht mehr verstehen und uns wahrnehmen wie Taube, die für sie unerreichbar sind? Könnte das „Gestammel“ ein Bild sein, wie die Menschen unsere Sprache wahrnehmen? Anstrengend, laut, ohne Bezug oder Inhalt? Sie haben ihre liebe Not mit diesem Gegenüber.

 

Jesus, Geduld und Spucke

 

Erwarten vielleicht genau diese Leute heute gerade von den Christen, dass sie sich zuwenden, öffnen und Wichtiges beitragen? Vielleicht bringt gerade unser schwieriges Heute uns dahin, dass wir unsere Identität als Christen erst durch die Nähe Jesu wieder neu finden und uns in seinem Geist, mit seiner „Geduld und Spucke“ uns wieder einbringen können in einen heilsamen Dialog mit den und für die Menschen heute, für die Zukunft und den Wandel zum Besseren.

So bin ich beim Dank angekommen an die Leute von heute, die das Schwere und das Unerträgliche in der Welt, die das Schicksal Notleidender und auch nicht die Kirche in ihren Verfehlungen einfach abstempeln und alles auf sich beruhen lassen, sondern die sich den Behinderungen entgegenstellen, sie mittragen und losgehen, um eine echte Lösung zu finden.

Ein Effekt dieser „unreligiösen“ Aktivität ist laut Evangelium, dass sie, als sie den Erfolg sehen, auch durch eine neue Perspektive berührt werden: Gott wirkt auch für uns heute noch Wunder!

Sämtliche Texte der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

Anzeige