Schwester Ulrike Soegtrop stellt die entscheidende Frage: Worauf setzt du dein Leben?

Auslegung der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C

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Jesus karikiert sogar Schriftworte des Alten Testaments, wenn er zu den Menschen spricht. Und doch wirbt er letztlich um Jüngerinnen und Jünger, die alles radikal hinter sich lassen und bei ihm in die lebenslange Lehre gehen wollen, sagt Schwester Ulrike Soegtrop in ihrer Auslegung zu den Schrifttexten dieses Sonntags.

Nein, ich habe mich vor meinem Klostereintritt nicht hingesetzt und zu errechnen versucht, ob mein Vermögen an Kompetenzen, Qualifikationen und Qualitäten ausreichen könnte für eine so gewagte Lebensinvestition. Ebenso wenig habe ich mir Gedanken darum gemacht, ob ich gut genug gerüstet und stark genug bin, die Anfeindungen, Versuchungen und „Widerwärtigkeiten“ (O-Ton Benedikt von Nursia), die mit dieser Entscheidung verbunden sein könnten, auszuhalten und siegreich zu bekämpfen. 

Man könnte es Naivität nennen; doch knapp 30 Jahre später bin ich immer noch sicher, es war gut so. Meine Berechnungen hätten mit der Realität des Kommenden wenig zu tun gehabt. Um in den Bildern der heutigen Gleichnisse zu bleiben: Bauplanungen, die so verlaufen, wie am Schreibtisch erstellt, dürften wohl eher die Ausnahme sein – zumindest habe ich es bei uns auf Burg Dinklage bisher so erlebt.

Die Unberechenbarkeit von Kriegen erklärt sich am Beispiel der Ukraine gerade von selbst. Auch das Wort von der Geringachtung der eigenen Eltern überzeugt nicht; steht sie doch in klarem Gegensatz zu den Aussagen „Ehre deinen Vater und deine Mutter“ und „Wer Vater oder Mutter schmäht, soll mit dem Tod bestraft werden“ (Mk 7,10). 

Jesus wirkt genervt und gestresst

Die Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Was ist los mit Jesus? Wenn ich mir die heutige Erzählung vor Augen führe, erblicke ich einen Menschen, der auf mich genervt und gestresst wirkt. Tausende versammeln sich um ihn und seine neue Lehre.

Er schaut in die Gesichter derer, die gebannt jedes Wort aufsaugen; er erblickt die Ewig-Negativen, die Sensationslüsternen und die euphorisch Begeisterten. Doch er sucht unter ihnen die Einzelnen, die nicht nur Gelehrtes hören wollen. Er wirbt um Jüngerinnen und Jünger, die alles radikal und konsequent hinter sich lassen und bei ihm, dem Meister, in die lebenslange Lehre gehen wollen. 

In den Bau- und Kriegsbildern karikiert Jesus, was im Buch der Weisheit auf den Punkt gebracht wird: „Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt; wer ergründet, was im Himmel ist? Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?“ 

Die lebensentscheidende Frage

Die eigentliche Lebensentscheidung, ob im Kloster, in der Familie, in kirchlichen oder gesellschaftlichen Zusammenhängen liegt in dieser Frage: Worauf setzt du dein Leben, deine Entscheidungen? Wie viel Raum gibst du der Stimme Gottes in dir, der Geistkraft aus der Höhe und in deinem Innersten? Was tust du und was lässt du, um bei Jesus in die lebenslange Lehre zu gehen? 

Vielleicht haben wir es im Kloster da etwas einfacher als außerhalb. Fünfmal täglich hören wir die Geschichten der Liebesbeziehung Gottes mit seinen Menschen. Wir lassen unsere Arbeiten, unser Gemeinschaftsleben, unsere Freuden, unseren Ärger, unsere Streitigkeiten und Unklarheiten, wie die Nöte und Katastrophen dieser Welt immer wieder einmünden in die Worte der Psalmen, der Hymnen, Fürbitten und Gebete.

Wir erinnern uns gegenseitig daran, worauf es ankommt und werden von unseren Gästen herausgefordert und ermutigt. Wir haben die Freiheit und die Gemeinschaft; zwei Pole des Lebens, die es uns möglich machen, im „Sklaven“ den „Bruder“ zu erkennen, wie Paulus es heute erbittet, wofür auch immer diese beiden Personentypen in meinem Leben stehen mögen. 

Das Kreuz bezeugt die Echtheit

Die Autorin
Ulrike Soegtrop OSB
Ulrike Soegtrop OSB ist Schwester der Benediktinerinnenabtei St. Scholastika Burg Dinklage. | Foto: Christof Haverkamp

Freiheit und Gemeinschaft – das sind zwei Wegmarken der christlichen Lehrjahre. Die einstmalige „Berechenbarkeit“ kirchlicher Milieus dank Dogmen, Moral und Kirchenbesucher-Zählungen ist dahin. Das ist offensichtlich nicht Jesu Problem. Im Gegenteil: „Keiner von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.“ Das ist die Freiheit der Kinder Gottes! 

Bezeugen kann die Echtheit dieser Freiheit in der Lehre Jesu Christi einzig das Kreuz; im Klosteralltag nicht weniger als sonst im Leben. Das Kreuz, das schwer wiegt und doch exklusiv auf mein Ich, mein Leben zugeschnitten ist. Das Kreuz, das meinen Leib stützt und meinen Geist aufrichtet, das mich täglich neu herausfordert und mal verweilen lässt; das mir Bodenhaftung gibt und zugleich gen Himmel weist. Das Kreuz, das mich auch und gerade in schweren Lehrjahren nicht verzagen lässt, weiß ich doch: „So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht und die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet.“

Sämtliche Texte der Lesungen vom 23. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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