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Was ist wirkliche Größe? Das fragt Pater Wilhelm Ruhe in seiner Auslegung der Lesungen dieses Sonntags. Kommt es darauf an, immer der Erste zu sein? Als die Jünger Jesus diese Frage stellten, erinnerte er sie an seine eigene Karriere nach unten.
Die Jünger hatten miteinander darüber gestritten, wer wohl der Größte von ihnen sei. Jesus erteilt ihnen eine Lektion: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“ Dieses Streben nach oben, danach, der Erste und der Beste zu sein, scheint ganz tief im Menschen zu stecken. Besonders deutlich wird das im Sport: Häufig wird ein zweiter Platz schon als Niederlage empfunden.
Jesus erinnert die Jünger an seinen eigenen Weg. Er selbst ist den Weg von oben nach unten gegangen. Er lässt sich zu uns herab. Er macht sozusagen eine Karriere nach unten. Denn es ist ihm nicht gleichgültig, ob wir ins Verderben stürzen. Hier unten auf der Erde glänzt Jesus nicht durch Macht und Gewalt, sondern geht den Weg der Gewaltlosigkeit, den Weg des Kreuzes und den Weg des Todes.
Ganz auf der Seite der Kleinen
Das Evangelium vom 25. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.
Mit einem Wort: Jesus geht den Weg der grenzenlosen Liebe. Er macht sich klein und schwach, damit wir begreifen, was wahre Größe ist. Er stirbt, damit wir auferstehen und leben können. Schon Jesu Geburt ereignet sich in bitterster Armut. In seinem späteren Leben wird er immer wieder verleumdet, beschimpft und verfolgt, weil er sich als Sohn Gottes bezeichnet und weil er sich ganz radikal auf die Seite der Kleinen und Leidenden stellt. Roh und grausam verfuhr man mit ihm, „um seine Sanftmut kennen zu lernen, seine Geduld zu erproben“ (Weisheit 2,19) und zu sehen, ob seine Worte über Gott wahr sind und seine Gottesbeziehung auch dann noch trägt.
Seine Karriere nach unten findet ihren Tiefpunkt, als er seinen Jüngern die Füße wäscht und schließlich wie ein Schwerverbrecher gequält und hingerichtet wird.
Was ist also wahre Größe?
Im Jakobus-Brief heißt es: „Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unruhe und jede Art von Schlechtigkeit. Doch die Weisheit von oben ist vor allem schlicht, sie ist friedlich, freundlich, gelehrig, voll Erbarmen und reich an guten Früchten, sie macht keine Unterschiede und heuchelt nicht“ (Jak 3,16f).
Was ist also wahre Größe? In Wahrheit groß ist der, der dem Glück anderer dient. In Wahrheit groß ist der, der wie ein Kind ist, der Gott so vertrauen kann wie Kinder ihren Eltern vertrauen. Jesus stellt die Rangordnung der Menschen auf den Kopf. Für Gott ist nicht derjenige der Größte, der bei der Olympiade der schnellste Läufer ist. Sondern für Gott ist derjenige der Größte, der ein Herz hat für seine Mitmenschen. Da sind oft die kleinen Leute den Großen und Berühmten und Reichen meilenweit voraus.
Eltern leiden mit ihren Kindern
Der Autor:
Es gibt mindestens einen Bereich, in dem uns dieser Dienst normalerweise gut gelingt. Ich meine die Opfer, die Eltern auf sich nehmen für ihre Kinder. Es ist bewundernswert, wie viele Opfer Eltern für ihre Kinder auf sich nehmen, wie sie sich einsetzen für das Glück ihrer Kinder. Eltern leiden mit ihren Kindern, Eltern freuen sich mit ihren Kindern.
So stellt sich Jesus das Zusammenleben aller Menschen vor. So empfindet auch Gott für uns: Gott leidet mit uns, und Gott freut sich mit uns. Auch im Bereich der Pflege erlebt man oft großartige Menschen. Wenn es um die Pflege von Alten, Kranken und Behinderten geht, dann wachsen Pflegende oft über sich hinaus.
„Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“
Es ist die Aufgabe der Kirche, den Menschen zu dienen. Ein Bischof hat einmal den Satz gesagt: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“ Den Menschen beistehen, den Menschen Mut machen, Menschen aufleben lassen – das ist die große Aufgabe der Kirche.
Vom heiligen Pater Pio stammt der Gedanke: „Hast du schon mal ein Kornfeld in voller Reife beobachtet? Du wirst sehen, dass gewisse Ähren hoch und kräftig gewachsen sind, andere dagegen zu Boden geneigt. Schau dir die hohen, eitlen Ähren an, und du wirst sehen, dass sie leer sind. Nimmst du dagegen die niedrigen, demütigen in die Hand, wirst du sie voller Körner finden. Daraus kannst du schließen, dass die Eitelkeit hohl und leer ist.“
Eitelkeit will hoch hinaus
Die Eitelkeit möchte hoch hinaus. Sie sorgt sich um die eigene Größe, um die eigene Schönheit. Sie möchte vollkommen und attraktiv sein. Eitelkeit ist eine Form von Egoismus: Ich möchte etwas gelten; ich möchte anerkannt und bewundert werden. Doch Eitelkeit ist mehr Schein als Sein. Die äußere Fassade ist wichtiger als der Inhalt. Eitle Menschen sitzen gerne vor dem Spiegel und leiden an Selbstüberschätzung.
Im großen Lobpreis von Maria heißt es dagegen: „Gott zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind. Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“ Die niedrigen, demütigen Ähren sind voller Körner. Das Leben von bescheidenen und selbstlosen Menschen hat eine reiche Ernte vorzuweisen.
Sämtliche Texte der Lesungen vom 25. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.