Klaudia Dederichs über Ja-Sager und Nein-Sager

Auslegung der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (A)

Der eine Sohn sagt dem Vater zu, das zu tun, was er will - und tut's dann doch nicht. Der andere Sohn sagt nein - und macht's dann doch. Was ist da los? Was bedeutet dieses Gleichnis von Jesus? Klaudia Dederichs aus Coesfeld versucht eine Erklärung.

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Der eine Sohn sagt dem Vater zu, das zu tun, was er will - und tut's dann doch nicht. Der andere Sohn sagt nein - und macht's dann doch. Was ist da los? Was bedeutet dieses Gleichnis von Jesus? Klaudia Dederichs aus Coesfeld versucht eine Erklärung.

„Nein, meine Suppe esse ich nicht“, so der Suppenkaspar im „Struwwelpeter“. Eine klare Ansage, gegen den Willen der Eltern. Eine große Herausforderung für sie. Das Nein passt nicht in ihr Erziehungsprogramm, in ihr Konzept, zu ihrem Erziehungsstil. Das Nein ist aber ein Indiz dafür, dass das Kind auf dem Weg ist, eine Persönlichkeit zu werden. Es grenzt sich ab und entwickelt Selbstbewusstsein.

Das Evangelium vom 26. Sonntag im Jahreskreis (A) zum Sehen und Hören auf unseren Youtube-Kanal.

Denn ein Kind, das immer Ja sagt, zeigt lediglich ein angepasstes Verhalten, es setzt sich nicht durch, sondern entwickelt eher ein Minderwertigkeitsgefühl. Kinder streben nach Zuwendung, nach Liebe und Geborgenheit, dies ist die Ursehnsucht des Menschen. Beim Nein droht der Verlust der Zuwendung. Daher wird ein Nein oft mit einem Ja überspielt, aus der Urangst vor Liebesentzug. Am Nein kann der Mensch jedoch wachsen, es stärkt ihn, er bleibt sich dabei selbst treu und zeigt sich als konsequent.

 

„Ich will nicht“

 

Und im Evangelium? Es erzählt von zwei ungleichen Söhnen eines Mannes, der ihnen denselben Auftrag erteilt, im Weinberg zu arbeiten, aber unterschiedliche Antworten erhält. Vom Vater geht die Initiative aus. Der eine Sohn sagt jedoch „Ich will nicht.“ Er begründet nicht, warum. Er bereut aber seine Antwort, zeigt Umkehr. Sein Nein wird zum Ja. Was ihn schließlich motiviert, in den Weinberg zu gehen, geht aus dem Gleichnis nicht hervor. Es bleibt offen. Welche Erfahrungen führen dazu? Was geht ihm durch den Kopf? Vielleicht tut es ihm leid, dass er die Bitte zunächst abgelehnt hat. Aus Liebe zu seinem Vater will er ihr jedoch entsprechen.

 

Harmoniebedürftigkeit scheut den Konflikt

 

Der Ja-Sager löst sein Versprechen nicht ein. Er bereut seine Antwort auch nicht. Sein Wille geht in eine andere Richtung als die des Vaters. Er grenzt sich von seinem Vater ab und spricht ihn sehr distanziert mit „Herr“ an. Vielleicht scheut er aus Harmoniebedürftigkeit den Konflikt, oder er tut sich schwer, den Willen des Vaters umzusetzen, oder er sagt nur deswegen Ja, weil er seine Ruhe haben möchte.

Anscheinend gibt es den Idealzustand nicht, dass jemand das ihm Angetragene auch einfach ohne Umwege erfüllt. Zugleich ist fraglich, ob das überhaupt anzustreben ist und nicht vielmehr ein Denk- und Umdenkprozess in Gang gesetzt werden muss.

Entscheidend ist letztlich nicht das Reden, sondern das tatsächliche Handeln. Was nützen schöne Worte, wenn ihnen keine Taten folgen? Die Freiheit liegt beim Menschen, sich so oder so zu entscheiden. „Die große Schuld des Menschen ist, dass er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und nicht tut“ (Rabbi Bunam). Im Gleichnis Jesu wird deutlich, dass Gott den Raum zur Umkehr gewährt. Jesus betont den Hohenpriestern und Ältesten gegenüber, dem jüdischen Establishment, dass ausgerechnet Sünder, Zöllner und Dirnen sich bekehrten.

 

Randgruppen als Vorbild

 

Über die damalige Zeit hinaus richtet das Gleichnis die Frage an uns: Worin kann ich mich eher wieder finden, in dem ersten oder zweiten Sohn? Vielleicht fällt mir aus eigener Erfahrung und Beobachtung manche Geschichte dazu ein, wie aus meinem Nein ein Ja wurde oder umgekehrt.

Die Autorin
Klaudia Maria Dederichs ist Schulseelsorgerin am Bischöflichen Berufskolleg Liebfrauenschule in Coesfeld. Klaudia Maria Dederichs ist Schulseelsorgerin am Bischöflichen Berufskolleg Liebfrauenschule in Coesfeld. | Foto: privat
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Der Gedanke ist auch heute noch Anstoß erregend, dass Randgruppen ein Vorbild sein könnten. Dass Menschen eine Richtung vorgeben, die sozial und finanziell am Limit sind, die für unsere Leistungsgesellschaft nicht akzeptabel scheinen, die vielleicht schwere Schicksalsschläge durchleben mussten.

Ausgerechnet sie sind manchmal feinfühliger für Ungerechtigkeiten und setzen sich eher ein für eine Verbesserung als Menschen, die sich im Leben etabliert haben. Gerade sie können ermutigende Sympathieträger sein und bei aller Schwäche Stärke zeigen. Sie haben das letzte Wort des Evangeliums umgesetzt und an sich selbst und die verwandelnde Kraft des Gotteswortes „geglaubt“.

 

„Die Welt brennt – und ihr pennt“

 

Die Strafe für verfehltes Denken und Handeln oder Unterlassen besteht darin, dass die Verfehlung auf uns selbst zurückfällt. Da braucht es keine Überinstanz, die ein Unheil über uns verhängt. Der Prophet Ezechiel weist seine Zeitgenossen zurecht: Es geht nicht um ein richtiges oder falsches Verhalten Gottes, sondern der Menschen. Dem, der seine Fehler einsieht und sie korrigiert, verspricht er Leben.

In einem Graffito an einer Häuserwand hieß es „Die Welt brennt – und ihr pennt!“ Ein aus der Pseudo-Behaglichkeit aufrüttelndes Wort. Der Dreiklang Aufwachen, Hinschauen, Aktivwerden ist angesagt. Setzen wir uns ein für einen gesellschaftlichen Wandel, statt angesichts der Katastrophen in Fern und Nah zu resignieren. „Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl, sondern auch auf das des anderen“, schreibt Paulus der Gemeinde von Philippi ins Stammbuch (Phil 2,4). Hier zeigt sich eine Verhaltensweise, wie sie dem Leben in Christus Jesus entspricht. Nicht Christ heißen ist das Wichtige, sondern Christ sein.

Sämtliche Texte der Lesungen und des Evangeliums vom 26. Sonntag im Jahreskreis (A) finden Sie hier.

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