Altabt Laurentius Schlieker OSB: Gott wohnt in meiner Herzkammer

Auslegung der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (A)

Anzeige

Manche wissen sehr genau, was der Wille Gottes ist. Andere sind da vorsichtiger. Im Evangelium dieses Sonntags geht es genau darum. Was Jesus im Gleichnis sagen will, erläutert Altabt Laurentius Schlieker von der Benediktinerabtei Gerleve in seiner Schriftauslegung.

Seine Einstellung zu ändern, es sich anders zu überlegen, das ist keine einmalige Sache: Umkehr ist christlicher Lebensstil. Die Sonntagslesungen haben mit unseren Entscheidungen zu tun, die wir treffen, damit, welchen Weg wir beschreiten wollen. Christus ist gekommen, um die Armen aufzurichten, die Gefangenen zu befreien, den Trauernden Freude zu bringen – und die Bequemen zu bedrängen. Ist es vielleicht Christus, der den älteren Bruder im Evangelium bedrängt, sodass dieser am Ende losgeht und tut, was sein Vater verlangt?

Im Glauben lebendig sein heißt, den Willen Gottes zu tun. Dieser Wille ist immer zum Heil der Menschen und der Welt. Der Wille Gottes zeigt sich im Ruf nach Gerechtigkeit, in dem, was dran ist: in der Not der Bedrängten und Armen, mit denen sich Jesus identifiziert, die Hilfe und Beistand brauchen, im Stöhnen der ausgebeuteten Natur, in den Strukturen von Macht, Ungerechtigkeit und Ausbeutung, in die wir verwickelt sind (erste Lesung).

 

Gottes Herrlichkeit durch unsere Brüche

 

Ich glaube, dass jede und jeder von uns auf einen persönlichen, einmaligen Weg gestellt worden ist, damit durch uns und unsere Brüche hindurch Gottes Herrlichkeit hier auf Erden offenbart werden kann. Wir sollten nicht schüchtern sein: So viele Menschen warten darauf, etwas von dieser Herrlichkeit zu sehen, Gottes Güte zu fühlen, damit sie Hoffnung und Kraft bekommen, die sie brauchen, um weiterzumachen.

Die Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Paulus hat im Brief an die Gemeinde in Philippi über seinen Glauben an Jesus Christus einen Hymnus gedichtet, den die ersten Christengemeinden vermutlich gesungen haben, als sie sich zur Eucharistie versammelten. Dieses Lied besingt eine grundlegende Realität unseres Lebens: Jesus ist der Sohn Gottes und gleichzeitig ein Mensch. Paulus legt den Gläubigen nahe, den auferstandenen, erhöhten Herrn in seiner Entäußerung und Demut nachzuahmen. Und jetzt gehen wir – du und ich im 21. Jahrhundert – unseren Weg, menschlich zu sein nach dem Beispiel Jesu.

In Gewaltlosigkeit hat Jesus seinen Auftrag vom Vater erfüllt. Die Hingabe an den Willen seines des Vaters führte ihn in letzter Konsequenz in die tödliche Ablehnung. Aber durch diese Hingabe wurde er zum Retter der Welt, er gab den Geist, der aller Welt und Zeit ermöglicht, in Gott vereint zu sein.

 

Leben in Vertrauen auf Gott

 

Der Autor
Laurentius Schlieker OSB ist Altabt der Benediktinerabtei Gerleve.
Laurentius Schlieker OSB ist Altabt der Benediktinerabtei Gerleve. | Foto: Michael Bönte

In der Gesinnung Jesu zu leben, uns immer wieder in diese Gesinnung hinein holen zu lassen, bringt uns dahin, vertrauensvoll alles von Gott zu erwarten. Wir erkennen, dass Gott der Geber aller Gaben ist, mit denen wir ausgestattet sind. Unsere Begabungen rufen aber danach, uns in Beharrlichkeit füreinander einzusetzen. Gottes Geschenke sind nicht nur für uns bestimmt, sondern wollen mit den Menschen geteilt werden, die unsere Begabungen aus uns hervorlocken.

Nehmen Sie sich einmal Zeit, in Stille nach innen zu schauen und zu hören, zu schweigen, dann darum zu bitten, zu Gott erwachen zu dürfen, der in uns gegenwärtig ist, dessen Geist in uns atmet. Zu Gott erwachen: Das ist doch der tiefe Sinn unserer christlichen Existenz. Selbstfindung und Gottfindung fallen zusammen. Gott ist dort, wo ich ganz ich selbst bin, wo alles Fremde und Übergestülpte abfällt und wo zugleich meine verwirrenden und blinden Impulse und Gefühle die Chance erhalten, ihren bedrängenden Charakter zu verlieren, vielleicht sogar zu verschwinden.

 

Demut, ohne mich zu demütigen

 

Persönlich beten bedeutet, mich von innen her berühren lassen. Die innere Kammer, die Jesus als bevorzugten Gebetsort empfiehlt (Mt 6,6), ist der Ort, an dem Gefühl und Verstand, Erleben und Reden zusammengehen und wo sich Gott offenbart als meine Zukunft, als mein Geleit ins Land der Verheißung. In dieser inneren Kammer stärken wir uns zum Weitergehen – ohne Angst vor dem Unbekannten und im Vertrauen auf Gottes Treue. Dann werde ich das Leben wählen, mich für die lebendigere Variante entscheiden, für das, was dienlich ist, was nottut, auch wenn ich gerade keine Lust darauf verspüre.

Christus lehrt mich die Demut, ohne mich dabei zu demütigen. In der Stille werde ich der Gaben und Geschenke inne, aus denen ich leben und wirken kann – immer im Vertrauen auf den, der mir das Maß der Kraft setzt.

Der Kirchenvater Basilius rät, im Wohlgefallen Gottes zu leben, der uns grenzenlos liebt. Gerecht zu leben, zur Stelle zu sein, an der wir gebraucht werden, sollten wir nicht aus Sorge um unseren guten Ruf bei Gott tun, nicht aus Eigennutz. Wer das Gute um seiner selbst willen tut, ist im Stand der geliebten Tochter, des Sohnes Gottes.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

Anzeige