Christoph Kleine aus Herten über arrogante Jünger und einen großzügigen Jesus

Auslegung der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (B)

Wer gehört zu uns und wer nicht? Was ist, wenn einer Gutes tut, aber gar nicht im Auftrag von Jesus unterwegs ist? Die Jünger sind im Evangelium dieses Sonntags ziemlich unsicher. Für Jesus ist die Sache klar. Gut so, sagt Christoph Kleine in seiner Auslegung.

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Wer gehört zu uns und wer nicht? Was ist, wenn einer Gutes tut, aber gar nicht im Auftrag von Jesus unterwegs ist? Die Jünger sind im Evangelium dieses Sonntags ziemlich unsicher. Für Jesus ist die Sache klar. Gut so, sagt Christoph Kleine in seiner Auslegung.

Als Kind und Jugendlicher gehörte ich zu den Messdienern. In der Kirchengemeinde, in der ich aufgewachsen bin, gab es noch andere Jugendgruppen, unter anderem die Pfadfinder, die KSJ oder die Landjugend. Das bedeutete Konkurrenz und deshalb war es uns wichtig zu markieren, wer denn nun zu uns gehört und wer nicht.

Das Evangelium vom 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Diese Zugehörigkeit zeigte sich in T-Shirts mit den eigenen Symbolen, aufwendig gestalteten Bannern für die Ferienfreizeiten und speziellen Gesängen und Schlachtrufen. Diejenigen, die unser Shirt trugen und alle Strophen unserer Lieder mitsingen konnten, die gehörten zu uns. Die anderen nicht. Und uns war klar: So wie wir das machen, ist es gut. Eigentlich ist es sogar noch besser als das, was die anderen machen.

Vielleicht sind Ihnen ähnliche Situationen bekannt. Wir gehören ja alle irgendwo dazu, manchmal sichtbar mit Abzeichen, Uniform oder Ausweis, manchmal nicht ganz so offensichtlich, aber trotzdem ziemlich wirksam. Haben Sie sich noch nie dabei erwischt, dass Sie im Zug gesessen haben und die Mitreisenden eingeteilt haben in solche, die zu uns gehören und die anderen? Die Unterscheidungsmerkmale dafür können ganz verschieden sein: Hautfarbe oder Kleidung, Sprache oder ein bestimmtes Verhalten. Sind mir diese Merkmale vertraut, erscheinen die Anderen als „zugehörig“.

 

Krieg lebt von Grenzziehungen

 

Erscheint mir etwas fremd und anders, teile ich mein Gegenüber in „nicht zu uns gehörig“ ein. Das Ziehen solcher Grenzen ist verführerisch, weil es Sicherheit vorgibt. Es ist einfach, weil es mich von der Mühe des Selber-Denkens entlastet. Es gibt Situationen, in denen dieses „Zu-uns-Gehören“ aufhört, harmlos zu sein. Jeder Krieg und jede Politik der Ausgrenzung leben von solchen Grenzziehungen. Jede offene oder subtile Ausgrenzung entsteht daraus.

Ich finde es nicht besonders tröstlich, diese Ausgrenzung und dieses Ziehen von Grenzen bei den engsten Begleitern Jesu festzustellen: Eines Tages kommt Johannes, offenbar nicht ohne einen gewissen Stolz, zu Jesus und berichtet ihm: „Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.“

 

Heilen ohne Auftrag?

 

Johannes mag sich gedacht haben: Wie kann sich jemand erdreisten, im Namen Jesu zu reden und zu handeln, wenn er doch gar nicht zu uns gehört! Unterschwellig schwingt da mit, dass, wer zu uns gehört, gut ist und das Gute will. Wer nicht zu uns gehört, der kann es nicht gut meinen.

Der Autor
Christoph KleineChristoph Kleine ist Pastoralreferent in St. Antonius Herten. | Foto: privat

Man stelle sich vor: Derjenige, der das sagt, gehört zu den Jüngern, die es laut Markus-Evangelium kurz zuvor nicht geschafft haben, einen kranken Jungen zu heilen. Genau diese Leute wollen jetzt jemandem verbieten, hilfreich tätig zu sein, bloß weil er nicht dazu gehört. Anscheinend sollen die Menschen lieber leiden, als dass dieser Mann weiterhin im Namen Jesu tätig ist.

 

Überraschende Wendung

 

Hier schreitet Jesus ein: „Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Wie Johannes wohl auf dieses „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ reagiert hat? Hat es ihn überrascht? Wurde er wütend oder eher nachdenklich? Ich finde diese Worte Jesu faszinierend, weil sie der Geschichte eine unerwartete und überraschende Wendung geben. Durch seine Antwort unterbricht Jesus dieses Abgrenzen und Ausgrenzen und durchbricht die Arroganz der Jünger.

So endet dieses kleine Kapitel mit dem Satz: „Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – amen, ich sage euch: Er wird nicht um seinen Lohn kommen.“

 

Unser Herz wird weit werden

 

Hier beweist Jesus Großzügigkeit und einen weiten Blick. Dazu möchte er uns anstiften. Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns – und vielleicht können wir ja bei anderen lernen. Vielleicht entdecken wir dann ganz viel Gutes, das wir vorher übersehen haben. Vielleicht können wir uns sogar mit ihnen zusammentun und mehr erreichen als allein, weil wir dann kraftvoller und überzeugender sind.

Wir sollten aufhören, ängstlich zu fragen, ob diese oder jene auch wirklich zu uns gehören, sondern anfangen, aus dem Blickwinkel Jesu heraus sehen zu lernen. Dann werden uns die Augen aufgehen, und unser Herz wird weit werden. Ich greife das Bild mit dem Becher Wasser auf: Wenn ich anderen auch nur ein wenig mehr zum Leben verhelfe, dann erhalte ich meinen Lohn. Dann diene ich der gemeinsamen Sache, auch wenn die anderen nicht meiner Jugendgruppe, meinem Verein, meiner Partei, meiner Kirche angehören.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 26. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

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