Jan Aleff aus Geldern: Hunger ist kein Wort des Himmels

Auslegung der Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis (A)

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Gerecht geht es in unserer Welt ganz sicher nicht zu. Das zeigen nicht zuletzt die Folgen des Klimawandels, die vor allem die Armen der Welt besonders trifft. Im Evangelium dieses Sonntags gibt es sogar Mord und Totschlag im Weinberg des Herrn. Was dieses Gleichnis Jesu mit unserer Situation heute zu tun hat, zeigt Jan Aleff, Kaplan in Geldern, in seiner Auslegung der Schriftauslegungen.

Wie bedauerlich, dass es rund um die „Fridays-for-Future-Bewegung” pandemiebedingt so lange still war! Gut, dass es wieder angefangen hat mit dem Protest – am Weltklimatag. Mit den weltweiten Schülerdemonstrationen hatten die Teilnehmer Freitag für Freitag daran erinnert, dass der Mensch durchaus in der Lage ist, seine eigene Heimat zu zerstören.

Vor allem die westlichen Konsumgesellschaften wurden von der jüngsten Generation darauf gestoßen, dass ihnen die Welt nicht allein gehört und dass also mit den Ressourcen der Erde achtsam umgegangen werden muss. Es fällt dem Menschen mit Besitz und Eigentum augenscheinlich schwer, nicht der Gier zu verfallen und über den eigenen Tellerrand zu schauen. Der Klimawandel bedroht die Lebensgrundlagen der Menschheit nicht nur in den Hungerregionen der Welt; dort aber am unmittelbarsten. Wie ungerecht!

 

Die Grenzen der Natur

 

Die Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Wenn man sich die Auswüchse des Turbokapitalismus, der Umweltzerstörung und des Klimawandels anschaut, kann man Zeichen dafür erkennen, dass das fortdauernde Wachstum an natürliche Grenzen kommt. Am 22. August 2020 hatte die Menschheit laut Berechnungen von Forschern bereits sämtliche Ressourcen aufgebraucht, die der Planet in diesem Jahr auf natürlichem Weg ersetzen könnte.

Allerdings machte sich die globale Corona-Krise bemerkbar. Ohne den Einbruch von Wirtschaft und öffentlichem Leben wäre der sogenannte Erdüberlastungs- oder Welterschöpfungstag dieses Jahr schon auf den 22. Juli gefallen.Während die Pandemie für die übrige Schöpfung ein Atemholen ermöglicht, ist sie für die Menschheit eine Katastrophe. Am größten ist sie dort, wo ein Lockdown Hunger bedeutet und Abstandhalten keine Option ist.

 

Gerechtigkeit sieht anders aus

 

Es ist nicht abzuschätzen, wie viele Menschen darauf angewiesen sind, auf der Straße ihre Waren zu verkaufen, damit sie nicht verhungern. Während wir von milliardenschweren Hilfsprogrammen profitieren, kann ein Bewohner einer beliebigen Favela dieser Welt von Grundsicherung nur träumen. Gerechtigkeit sieht anders aus. Ich hoffe, dass Gottes Reich ganz anders aussieht. „Hunger“ ist kein Wort des Himmels, Gerechtigkeit auf jeden Fall!

Der Prophet Jesaja wurde bereits mit sozialen Missständen konfrontiert. Gott hatte Israel eine Heimat gegeben, fruchtbar wie ein Weinberg, hatte ihm Freiheit und Land geschenkt. Aber dieses Geschenk wurde mehr und mehr missachtet. Die Ungerechtigkeit im Volk Gottes entehrte Gott selbst. So hören wir den Propheten in der ersten Lesung dieses Sonntags ein warnendes Lied singen über den Untergang des Weinbergs.

 

Mord und Totschlag im Weinberg des Herrn

 

Kaplan Jan Aleff
Jan Aleff ist Kaplan in der Kirchengemeinde St. Maria Magdalena in Geldern.

Auch im Evangelium geht es um den Weinberg. Wem gehört er? Die schlechten Winzer schrecken nicht vor Mord zurück, um sich ihn anzueignen und ihn ausbeuten zu können. Die frohe Botschaft dieses Gleichnisses: Der Weinberg wird nicht zerstört. Die Menschheit bekommt eine Chance. Der Weinberg wartet auf gute Winzer. Er wird denen gegeben werden, die die Früchte des Reiches Gottes bringen. Das Reich Gottes als Heimat für den Menschen wird nicht untergehen. Jesus ist der Garant dafür.

Das Himmelreich steht allen offen, die Jesus als Eckstein annehmen. Wer die Sehnsucht nach einem Leben in Fülle spürt, nach Versöhnung und Frieden in der Welt, für den ist das wirklich eine frohe Botschaft. Und –Halleluja! – sie gilt auch im Jahr 2020.

 

Hoher Anspruch ist gesetzt

 

Gerechtigkeit wächst, wenn wir Jesus ähnlich handeln. Paulus schreibt an die Gemeinde in Philippi, was es bedeutet, diesem Eckstein zu vertrauen und ihm zu folgen: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!“

Ein hoher Anspruch, der in der zweiten Lesung dieses Sonntags formuliert wird. Glücklicherweise bietet sich Paulus als Vorbild an, und er musste ja selbst erst vom Saulus zum Paulus werden. Ich bin sicher: Jeder Mensch hat die Chance, vor Gott zu bestehen und ein „guter Winzer“ zu sein.

Am Ende der Zeilen bleiben Fragen: Wie lebe ich im Weinberg des Herrn dieser Tage? Wie blicke ich auf das Privileg, in einer der reichsten Gesellschaften dieses Planeten zu leben? Werde ich Frucht bringen? Werde ich teilen?

Sämtliche Texte der Lesungen vom 27. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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