André Pollmann: Nur wer nachdenkt, kann danken

Auslegung der Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr C

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Nur wer dankbar ist, kann Heil erfahren. So erklärt es uns der Text im Lukas-Evangelium, zeigt Pfarrer André Pollmann und legt die Lesungen dieses Sonntags aus.

Die Menschen plagen unterschiedliche Nöte, und sie klagen darüber. So nimmt es nicht Wunder, wenn etwa das Buch der Psalmen zum größten Teil aus Klagen besteht. Rasch gerät dabei das Danken und Loben aus dem Blickfeld. Das wiederum fällt doch manchen Menschen auf, und sie ergreifen Gegenmaßnahmen. So wird in den USA neben „Thanksgiving“ – vergleichbar unserem Erntedankfest – jedes Jahr im Januar der „National Thank You Month“, der Nationale Dankbarkeitsmonat gefeiert. Es scheint doch ein wichtiges Anliegen der Amerikaner zu sein, der aktiven Danksagung und der Grundhaltung der Dankbarkeit über einen Tag hinaus einen eigenen ganzen Monat zu widmen. Anscheinend stehen diese immer in Gefahr, dass sie sonst in Vergessenheit geraten. 

Es geht nicht um banale Höflichkeitsfloskeln oder angelernte Rituale. Vielmehr gehört es fundamental zur menschlichen Lebenskultur, Wertschätzung und Anerkennung zu äußern wie zu empfangen, gleich mit welchen Worten und Gesten. Einen Dank zu erhalten, vor allem, wenn er auch wirklich so gemeint ist, verschönert einem den Tag. Das englische „Thank“ und das deutsche „Danken“ kommen ursprünglich beide aus dem Lateinischen und meinen wortwörtlich „Ich will mich an das erinnern, was du für mich getan hast“.

Lukas erzählt Aussätzigen-Geschichte

Die Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) zum Hören finden Sie hier.

Der ursprüngliche Bedeutungszusammenhang weist darauf‚ „jemanden oder etwas in Gedanken zu halten“, „sich einer Person oder einer Sache erinnern“. Denn nur wer nachdenkt, kommt zum Dank. Denken und Danken gehören unmittelbar zusammen.

Davon erzählt die Lesung aus dem Ersten Testament über den geheilten syrischen General und in besonderer Weise das Evangelium dieses Sonntags. Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Auf diesem Weg begegnen ihm zehn Aussätzige. Nur Lukas erzählt diese Geschichte in seinem Evangelium. Sie ist einzigartig. So wie es einzigartig ist, dass einer von den zehn zu Jesus umkehrt, ein Samariter, ein Fremder, um Jesus zu danken.

Heilung unterwegs

Es passiert nicht viel. Kein beeindruckendes Wunder. Geheilt werden die Aussätzigen durch den Auftrag Jesu: Geht, zeigt euch den Priestern! Und die zehn tun wirklich, was Jesus ihnen aufträgt.

Obwohl noch aussätzig, machen sie sich auf den Weg zur Bestätigung ihres Geheiltseins. So voller Glauben sind sie. Und eben deshalb geschieht auch, worum sie gebeten haben: Während sie zu den Priestern gehen, werden sie gesund. Welche Freude wird in den zehn aufgestiegen sein, endlich wieder ganz dazuzugehören, wieder etwas zu gelten daheim im Ort. Gerannt werden sie sein, um das erlösende Wort der offiziellen Bestätigung aus dem Mund der Priester zu hören. Ist das alles nicht nur zu verständlich? 

Nur einer kehrt zurück

Der Autor
André Pollmann
André Pollmann ist Pfarrer in St. Johannes Oelde. | Foto: privat

Einer aber tut etwas anderes. Er denkt über das ihm Widerfahrene nach. Er kehrt um, sucht noch einmal Jesus auf, lobt Gott mit lauter Stimme und sagt Jesus Dank für das Geschenk der Heilung. Und dieser eine ist ein Samariter, ein Fremder und nicht zum Volk der Israeliten zugehörig, genau der, der Jesus naturgemäß am wenigsten nahesteht.

Im Tun dieses Mannes, in der Geste des Niederfallens und dem Dank in der Form des Lobpreises Gottes liegt etwas ganz Entscheidendes. Erst sein Dank macht das Heil ganz. Natürlich hätte es für die zehn Männer kein Heil geben können ohne Heilung. Aber die Heilung allein – obwohl aus Glauben empfangen – ist noch nicht das Heil. Erst Glauben und Danken zusammen machen es aus. Warum? Weil der Mensch trotz des Glaubens aber ohne das Danke-Sagen noch immer bei sich stehen bleiben würde.

Lobpreis bedeutet Heil

Das ist der große Unterschied zwischen den neun nicht Zurückgekehrten und dem einen, der zu Jesus zurückkehrt: In den Herzen der neun kommt zur Freude über die Heilung die feste Überzeugung, einen Anspruch zu haben, weil sie doch gläubig sind. Deshalb kommt ihnen das Danken gar nicht in den Sinn. Der Fremde dagegen weiß, dass alles Geschenk ist, das sich nur ersehnen, aber niemals beanspruchen lässt.

Im schlichten Danke-Sagen und im Lobpreis Gottes erfährt er das ganze Heil. Darum darf er hören: „Steh auf, dein Glaube hat dir geholfen!“ Sein Leben ist seither vom Glauben an einen Gott bestimmt, der ohne Wenn und Aber auf der Seite des Menschen steht. Wer das einmal verinnerlicht hat, dessen Leben wird ein ganz anderes, reicheres sein.

Der wird auch das Leben anderer Menschen mit neuen Augen sehen. Deshalb steht die Geschichte vom Danke-Sagen mitten in der Beschreibung des Lukas vom Gottesreich.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 28. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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