Warum Pfarrer Carl Möller keine Moralpredigten mehr hören will

Auslegung der Lesungen vom 3. Adventssonntag (C)

„Sag uns, was sollen wir tun?“ Ziemlich scheinheilig stellen drei verschiedene Gruppen stellen Johannes dem Täufer diese Frage. Dessen Antworten sind klipp und klar - aber auch recht schroff. Ist das der Ton der Frohbotschaft? Das fragt sich Pfarrer Carl Möller.

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„Sag uns, was sollen wir tun?“ Ziemlich scheinheilig stellen drei verschiedene Gruppen stellen Johannes dem Täufer diese Frage. Dessen Antworten sind klipp und klar - aber auch recht schroff. Ist das der Ton der Frohbotschaft? Das fragt sich Pfarrer Carl Möller.

Die Menschen strömen am Jordanufer zu Johannes dem Täufer, den ich einen prophetischen Drohprediger nennen möchte. Er mahnt nicht nur zur Umkehr sondern er droht lauthals: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entkommen könnt? – Von drei ganz verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wird die Frage an Johannes gerichtet: „Sag uns, was sollen wir tun?“

Das Evangelium vom 3. Adventssonntag (Lesejahr C) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal (alte Einheitsübersetzung).

Die erste Gruppe ist eine bunt zusammengewürfelte Schar von Leuten aus der Umgebung. Es sind keine Leute, die lethargisch abgestumpft ihr Leben leben. Es sind Menschen, die noch fragen können, neugierig, wissbegierig oder gar sehnsuchtsvoll den harten Worten in den Moralpredigten des Johannes zuhören. Sie lassen sich aus dem Alltag herausreißen. Johannes gibt zur Antwort: Lernt endlich, euer Hab und Gut mit den Bedürftigen zu teilen.

 

Eine scheinheilige Frage?

 

Als zweite Gruppe fragen die Zöllner: „Was sollen wir tun?“ Eine scheinheilige Frage? Das würde zu ihnen passen, wie es heute zu manchem Wirtschaftsboss passen würde. Johannes benennt direkt ihr korruptes, verlogenes Handeln, von dem sie unmittelbar ablassen sollen.

Es fragen drittens die Soldaten. Ihnen schleudert er entgegen: „Hört endlich auf, andere zu misshandeln und zu erpressen. Bereichert euch nicht am Vermögen eurer Feinde.“

Möchte ich mich als heutiger Leser des Evangeliums in die Menge der Fragenden einreihen? Bewegt mich diese Frage, die ja letztlich auf eine Veränderung meines Lebens zielt, überhaupt noch? Ist das auch meine Frage: Was soll ich tun? Für mich persönlich ist diese Frage in meinem ganzen Leben immer wieder ganz aktuell. Ich richte sie oft sogar flehentlich oder verzweifelt an Gott: Sag, was soll ich tun, damit mein Leben gelingt, dass ich den Sinn des Lebens erfahre?

 

Diese Verkündigung widerstrebt mir

 

Um der Aussage dieser Bibelstelle auf den Grund zu gehen, habe ich beim Lesen der vorangehenden Verse den massiven Druck gespürt, den die Drohworte und Gerichtsbilder des Täufers auf mich ausüben.

Ich spüre, wie mir eine moralisierende Art der Verkündigung widerstrebt! Sie erreicht mich ebenso wenig wie die Droh- und Strafpredigten der „Pfarrer alter Schule“, die ich in der Kindheit anhören musste. Es durchfuhr mich als Kind bereits ein Angstschauer, wenn die Worte von der Kanzel auf das Volk unten in der Kirche niederprasselten. Solche Pfarrer, Würdenträger und Theologen wussten und wissen die Antworten auf die Frage: „Was soll ich tun?“ zu genau. Ich will auch die heutige Moralpredigt einer Kirche nicht, die sich in vielen Bereichen doppelbödig und schlangenfalsch erwiesen hat.

Wenn ich also drohend zur Umkehr mahnende Glaubensverkündigung ablehne: „Was soll ich, tun, Gott, damit mein Leben in der Tiefe gelingt?“

 

Inneres Wissen statt schlechtes Gewissen

 

Der Autor
Carl MöllerCarl Möller ist Seelsorger, Analytischer Psychologe und Rektor der Klosterkirche Vinnenberg bei Warendorf.

Die religiöse Erziehung in meiner Familie hat mich von Kindheit an anders geprägt, wie folgendes Beispiel zeigen kann: Vor der so genannten ersten Heiligen Beichte bot mir meine Mutter ein unterstützendes Gespräch an. Ich nahm es gern in Anspruch. Ich nahm auf ihrem Schoß Platz. Was wir besprochen haben, weiß ich nicht mehr. Die Geborgenheit aber, die mir die Sicherheit gab, zu dem zu stehen, von dem ich, wenn auch noch ein kleiner Junge, genau wusste, dass mein Handeln nicht in Ordnung gewesen ist: beim Nachbarn Pfirsiche vom Baum klauen und der Mutter aus dem Portemonnaie Geld für Süßigkeiten stehlen. Das reichte für ein schlechtes Gewissen.

Geblieben ist: Ich durfte in liebend annehmender Atmosphäre aussprechen, was mich schon so lange bedrückt hatte. Der gute Vorsatz war für mich dann selbstverständlich. Was sollte ich tun? Nie mehr stehlen, genau das wollte ich nie wieder. Diese Erkenntnis war ein inneres Wissen, kein eingehämmertes Gewissen.

 

Der Nachfolger des Vorläufers

 

Das Volk Israel hatte als Messias einen starken, vielleicht auch wortgewaltigen Mann wie Johannes den Täufer erwartet und viele glaubten, dass er es sei. Eine völlige Fehleinschätzung, worauf der Täufer selbst hinweist. „Es kommt einer, der stärker ist als ich“. 

Und dieser Nachfolger des Vorläufers erweist sich in der Taufe, die Gott selbst ihm spendet, als geliebter Sohn des göttlichen Vaters. Von ihm ist er berufen und erwählt in bedingungsloser Liebe. Frucht dieser ihn ganz durchdringenden Liebe ist seine Barmherzigkeit. In der Zeit des Advents müssen wir, wie damals das Volk Israel, über die Drohrede des Johannes hinaushören, um zu erkennen, wer der Messias in Wirklichkeit ist.

Eine Zeitenwende: Der später in seiner Schwachheit unendlich Stärkere ist der Messias. In seiner bedingungslos liebenden Annahme erfahre ich Barmherzigkeit, erfahre ich Sinn.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Adventssonntag (Lesejahr C) finden Sie hier.

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