Schwester Katharina Kluitmann über eine entscheidende Begegnung Jesu

Auslegung der Lesungen vom 3. Fastensonntag / Lesejahr A

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So viel spricht gegen die Begegnung Jesu am Brunnen: Sein Gegenüber ist eine Frau, auch noch aus Samarien. Und doch wird diese Frau die erste sein, die öffentlich etwas Wichtiges über Jesus bekennt, sagt die Lüdinghauser Franziskanerin Katharina Kluitmann in ihrer Auslegung der Schrifttexte.

Sie ist eine Frau. Nur eine Frau. Dazu noch aus Samarien. Da leben die, die sich so früh aus dem Zwölfstämme-Verbund abgespalten haben, dass sie nur die Fünf Bücher Mose kennen. Für die in Juda, im Süden, sind sie das Allerletzte. Im Süden ist der Tempel. Die aus Samarien dürfen da nicht hin. Aber wer dort nicht anbetet – ist leider verloren. Samarien. Schlimmer als das noch nördlichere, galiläische Nazareth, von wo ja auch nichts Gutes kommen kann. Angeblich. Geschwisterzank kann schlimmer sein als Streit unter Fremden.

Sie ist eine Frau. Verschwitzt. Staubig. Keine geht zum Brunnen in der Mittagshitze. Wasser schleppen ist Schwerstarbeit. Da nutzt man die Kühle morgens und abends. Der Plausch am Brunnen versüßt die Arbeit. Sie will keinen Plausch. Sie ist eine Ausgestoßene. Eine unglückliche Frau. Fünf Männer hat sie gehabt. Und jetzt der, der ist nicht ihr Mann. Das tut man nicht aus Vergnügen. Moral greift hier zu kurz. Sie ist eine verletzte Frau. Eine, die der Begegnung lieber ausweicht. Die nicht vertrauen kann. Die doch vertrauen will. Voller Sehnsucht. Voller Angst.

Begegnung als doppelter Tabubruch

Die Lesungen vom 3. Fastensonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Und dann sitzt dieser Mann da. Ein Jude. Doppelter Tabubruch, sie anzusprechen. Aber er hat Durst. Er ist weit gelaufen. Verschwitzt. Staubig. Sie bleibt vorsichtig. Fast kratzbürstig. Traut sich einen Schritt vor. Weicht zurück. Er wirbt um ihr Vertrauen. Sagt dann Dinge, die sie beim besten Willen nicht verstehen kann. Will er Wasser? Oder bietet er Wasser an? So wie damals in der Wüste? Das kennt sie aus den Büchern Mose. Gott schenkt ohne Vorbedingung, sogar dem murrenden Volk. 

Diese bedingungslose Zuwendung Gottes kennt auch Paulus am Ende der 2. Lesung. Aber kann sie das glauben, hier am Brunnen? Da sitzt ein Mann mit ganz menschlichem Durst. Da sitzt einer, der göttlich viel mehr weiß, als sein kann. Sie vermutet einen Propheten. Er führt sie weiter. Geht auf sie ein. Entzieht sich. Wie Eltern, die ihr Kind Laufen lehren. Er wirbt um ihr Herz. Er offenbart sich als Messias. 

Sie erkennt den Messias

Ausgerechnet ihr. Einer Frau. Aus Samarien. Einer Ausgestoßenen. Verschwitzt. Staubig. Sie darf im Johannes-Evangelium als Erste laut verkünden, dass er der Messias ist. Eine vorösterliche Schwester der nach­österlichen Maria Magdalena. Zwei Frauen mit Makeln in den Augen der Menschen. Er hätte sich prominentere Zeugen suchen können. Hat er aber nicht!

Ich mag die Jesus-Serie „The Chosen“. In der ersten Staffel (Season), Episode 8, findet sich diese Szene (Youtube oder in der gleichnamigen App, schöner im englischen Original als auf Deutsch). Die innere Bewegung der Samaritanerin ist meisterhaft dargestellt. So gekonnt, dass dem Jesus-Darsteller beim Drehen spontan Tränen der Rührung kamen. Man sieht es. Sie haben es nicht herausgeschnitten. 

Jesus braucht die Bestätigung der Frau

Die Autorin
Katharina Kluitmann OSF
Schwester Katharina Kluitmann ist Franziskanerin von Heythuysen/Lüdinghausen, Theologin und promovierte Psychologin.  | Foto:  privat

So mag ich Jesus sehen. Er hat nicht nur körperlich Durst. Er brauchte auch eine Bestätigung. Seine Messianität, gespiegelt im Gesicht einer Frau! Jenseits aller Institution. Einfach in Geist und Wahrheit. Sie ist nur eine verschwitzte, staubige, samaritanische Frau. Und er ein verschwitzter, staubiger, jüdischer Messias. Ja, so ein Messias ist er. Menschlich, irdisch – und gerade so wahr. 

Gerade so geistlich. Gott anbeten in Geist und Wahrheit. Egal wo. Und das nicht erst später, wenn er denn mal kommt. Nein. Heute. Jetzt. Hier. Wo auch immer Sie gerade sitzen, stehen oder liegen. Im Bus, in der Küche, im Bett. Egal. Heute, jetzt, hier kann Begegnung geschehen. Denn Jesus ist da. Auf alle Fälle. 

Sind Sie nicht auf der Höhe? Egal!

Und er sucht die, die ihn einfach anbeten. Sie sind nicht auf der Höhe? Macht nichts. Sie sind kein Mann? Ganz egal. Kirchenrechtlich irregulär? Nicht moralisch integer? Egal! Er ist da. Wenn Sie auch da sind, an Ihrem Jakobsbrunnen, kann es zu einer Begegnung kommen, die etwas verändert. Vielleicht alles. Das ist womöglich eine verpasste Haltestelle wert. Ein angebranntes Essen. Oder eine schlaflose Nacht. Denn es braucht ein bisschen Gespräch, bis man sich wirklich traut. Bis frau sich annähert. Und dann wird das, was er gibt, zu einer ewigen Quelle. 

Vielleicht hat das mit dem Geist aus der Lesung (Röm 5,5) zu tun. Jedenfalls sprudelt das über. Wie die samaritanische Frau, die hervorsprudelt, was geschehen ist. Plötzlich wieder mitten drin in der Dorfgemeinschaft. Solcher Glaube zieht Kreise. Auch heute. Hier. Jetzt. 

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Fastensonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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