Insel-Pfarrer Egbert Schlotmann über einen Gott auf Augenhöhe

Auslegung der Lesungen vom 3. Ostersonntag (B)

Ein Mann, der gekreuzigt wurde und starb, der von den Toten auferstand und mit seinen Jüngern isst. Davon erzählt das Evangelium dieses Sonntags. Für Egbert Schlotmann, Insel-Pfarrer auf Wangerooge, sagt das viel über Gott.

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Ein Mann, der gekreuzigt wurde und starb, der von den Toten auferstand und mit seinen Jüngern isst. Davon erzählt das Evangelium dieses Sonntags. Für Egbert Schlotmann, Insel-Pfarrer auf Wangerooge, sagt das viel über Gott.

Es war kurz nach Weihnachten. Eine kleine Gruppe aus drei Bistümern hatte sich zu Besinnungstagen bei uns auf Wangerooge angemeldet. Bei einer der abendlichen Abschlussrunden nahm ich das Jesus-Kind aus der Krippe und gab es den Teilnehmenden in die Hand. Jeder durfte sich eine gewisse Zeit lang von dem Kind aus Bethlehem anblicken lassen. Die Reaktionen der Anwesenden waren sehr unterschiedlich. Manche konnten den Blick kaum aushalten und gaben die Figur schnell weiter. Andere hielten inne, waren angerührt, und einige hatten Tränen in den Augen.

Das Evangelium vom 3. Ostersonntag (Lesejahr B) zum Hören und Sehen auf unserem Youtube-Kanal.

Beim anschließenden Gespräch erzählten etliche Teilnehmer aus ihrem Leben und davon, wie sie religiös erzogen wurden. Ihr Gottesbild war geprägt von einem fernen Gott, der alles sieht. Dieses Sehen machte eher Angst, als dass es gütig war. „Mein Gott war kein liebevoll blickender Gott, eher einer, der mit dem Zeigefinger mein Leben und all mein Tun bewertete. Ich musste mich in einem langen Prozess davon befreien“, berichtete eine ältere Dame. Das Kopfnicken weiterer Teilnehmer bestärkte ihre Aussage und zeigte, dass diese Frau auch für weitere Menschen sprach.

Ein Gott, der alles sieht? Ein Gott, der den Zeigefinger erhebt? Das österliche Sonntags-Evangelium erzählt von Jesus, der seine Freunde ermutigt, ihn so zu sehen, wie und wer er wirklich ist: keine überirdische Geist-Erscheinung, die mit vernichtenden Blicken auf Vergangenes schaut.

 

Angst macht unfrei

 

Jesus zeigt sich im wahrsten Sinne des Wortes als der leiblich Auferstandene, der die Hände weit öffnet und nicht den strafenden Zeigefinger erhebt, der den Jüngern seine von den Kreuznägeln durchbohrten Füße zeigt. Seine ermutigenden Worte, seine offene Handhaltung und sein wohlwollender Blick zeugen von einem Gott, der uns Menschen nahe sein will.

Jesus ist auch nach seinem Tod und seiner Auferstehung einer, der jeden ganz persönlich anschaut. Der Auferstandene möchte seine Jünger von Angst befreien, denn Angst macht unfrei. Er möchte keine verschreckten Nachfolger, sondern Zeugen, die mit Freude und neuer Zuversicht ihren Weg gehen.

So öffnet Jesus Christus den Jüngern die Augen. Alte Erlebnisse, vergangene Zeiten werden präsent und finden eine neue Form zum Leben. Die Jünger erblicken in Jesus einen Mann, der ihnen die Hände zum Friedensgruß ausstreckt: Hände, die zu Lebzeiten getröstet, geheilt und gesegnet haben.

 

Warum Wunden wichtig sind

 

Die Freunde Jesu erkennen in ihm den Weggefährten von einst, der nun seine durchbohrten Füße zeigt, die ihn auf Erden getragen haben. Die Jünger entdecken in Jesus ihren alten Freund wieder, der manchmal so unbegreiflich und unfassbar war, und nun klar vor ihnen steht. Sie sehen vor sich den, mit dem sie unzählige Gastmähler gehalten haben und der nun mit ihnen am Tisch isst. Letztlich hören sie von ihm die Botschaft, die sie von Anfang an fasziniert hat: Das Leben besiegt den Tod. Hier erleben sie den Einen, der ihr Leben durch und durch kennt. Der für sie sein Leben hingegeben hat.

Der Autor
Egbert Schlotmann ist Insel-Pfarrer von St. Willehad auf Wangerooge. | Foto: Michael RottmannEgbert Schlotmann ist Insel-Pfarrer von St. Willehad auf Wangerooge. | Foto: Michael Rottmann

Der Weg der Begegnung mit dem auferweckten Jesus scheint nur über seine Wunden zu gehen. Es gibt keinen anderen Weg als diesen einen. „Seht: Ich bin es selbst“, lautet seine Botschaft. So zeigt er sich mit seinen Wunden, die er den Jüngern entgegen hält. Hier offenbart er sich als ein naher und mitgehender Gott, der ganz präsent ist: mitten unter ihnen und mitten unter uns. In Jesus zeigt sich Gott als ein Gott auf Augenhöhe. Seine Wunden sind Spuren seines Lebens, die nicht beiseite zu lassen oder gar zu verdrängen sind. Lebenswunden gehören zu jedem Leben. Jesus weist deutlich darauf hin, indem er seine mit Wundmalen bezeichneten Hände und Füße zeigt.

 

Ansehen vor und von Gott

 

Kein verklärter Jesus schaut da auf seine Jünger. Sondern einer, der Leid, Schmerzen und Tod selbst erlebt hat. Von diesem Jesus dürfen wir uns ansehen lassen. Mir tut dieser Blick gut, da ich in diesem Ansehen mich und mein gesamtes Leben aufgehoben weiß. Jesus steht an meiner und unserer Seite. Er gibt unserer Hoffnung auf ein erfülltes Leben sein gütiges Gesicht. Unserem Vertrauen auf unserem Lebensweg leiht er seine Füße. Unserem Glauben an einen heilmachenden Gott schenkt er seine Hände.

Durch unsere ganz persönlichen Begabungen lässt er uns als Zeugen und Zeuginnen seine Botschaft verkünden: „Gott hat den Urheber des Lebens von den Toten erweckt. Dafür sind wir Zeugen“ (Apg 3,16). In unserer Liebe zu ihm und den Menschen atmet er seinen befreienden Lebensodem. So können wir vertrauensvoll unseren Weg gehen. Er bleibt der Gott, der uns zum Segen werden lässt, weil er uns wohlwollend und wertschätzend ansieht.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Ostersonntag (Lesejahr B) finden Sie hier.

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