Pater Daniel Hörnemann über den ersten öffentlichen Auftritt von Jesus

Auslegung der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (C)

An diesem Sonntag erleben wir eine Premiere: der erste öffentliche Auftritt von Jesus! Der Evangelist Lukas verlegt das Ereignis in eine Synagoge. Jesus öffnet die heilige Schrift. Eine kleine Geste mit großer Bedeutung, wie Pater Daniel Hörnemann erklärt.

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An diesem Sonntag erleben wir eine Premiere: der erste öffentliche Auftritt von Jesus! Der Evangelist Lukas verlegt das Ereignis in eine Synagoge. Jesus öffnet die heilige Schrift. Eine kleine Geste mit großer Bedeutung, wie Pater Daniel Hörnemann erklärt.

Wer ein Buch aufschlägt, tut diesem Kulturgut keineswegs Gewalt an, wie das Wort „schlagen“ zunächst vermuten lässt. Durch Luftfeuchtigkeit dehnen sich Papier- oder Pergamentseiten aus. Um vor allem große und umfangreiche Bücher besser in Form halten zu können, erhielten die Buchdeckel seitlich metallene Schließen. Um diese öffnen zu können, versetzt man dem Buch im Bereich der Schließen mit der Faust einen Schlag. Die Buchseiten geben nach und die Schließen öffnen sich. Was sich im Buch verbirgt, wird nun offengelegt.

Wenn im Gottesdienst am Ambo ein Buch feierlich aufgeschlagen wird, ist das ein besonderer Auftakt und als Akzent zu Anfang einer Lesung von Bedeutung. Es wird nicht irgendein Allerweltstext abgelesen, sondern ein Gotteswort aus einem kostbaren Buch verkündet.

 

Ideales Publikum

 

Das Evangelium vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C, neue Einheitsübersetzung) zum Nachhören finden Sie hier.

Der schriftgelehrte Priester Esra war eigens vom Volk aufgefordert worden, das Buch mit der Weisung des Mose zu holen und vorzulesen. Die Initiative ging von den Menschen aus. Ebenso wurde Jesus aufgefordert, in der Synagoge seiner Heimatstadt das Buch mit den Worten des Jesaja zu Gehör zu bringen und auszulegen. Eine bessere Voraussetzung können Verkünder des Gotteswortes doch gar nicht erwarten, als dass die gesamte Gemeinde ihre Botschaft hören will. Wenn sie dann noch Geduld und Zeit aufbringt selbst für eine lange Verkündigung, was kann ein Vorleser und Interpret noch mehr wollen? Es ist ein erhebender Augenblick, als das Buch geöffnet wird.

Pädagogisch geschickt wird sodann nicht alles auf einmal, sondern in Abschnitten verlesen, um direkt dazu Erklärungen einschieben zu können. Die Texte sollen von den Menschen verstanden werden. Verstehen ist ein Intensivwort: Ich kann niemanden und nichts im Vorübergehen verstehen, sondern muss schon dabei stehen bleiben und mir Zeit dafür nehmen. Die Texte tun Wirkung. Aus den Schriften wird kein trockenes Sachwissen vorgelesen, sondern Sätze, die die Zuhörer emotional erfassen und ihren Gefühlen Ausdruck verleihen lassen. Ihre Tränen können zugleich Äußerungen der Freude wie der Trauer sein.

 

Freudentränen und Trauertränen

 

Sie hören die alten Geschichten vom langen Weg der Befreiung Israels und vom Geleit Gottes durch alle Höhen und Tiefen, auf allen Irr- und Abwegen. Sie hören vom immer wieder erneuerten Beziehungsangebot, dass Gott den Menschen seinen Bund und seine Wegweisungen offeriert. Sie vergießen Tränen der Trauer über das Misslungene, ihr Scheitern in der gelaufenen Geschichte. Sie vergießen Tränen der Freude darüber, dass der Weg trotzdem in die Zukunft weiterführt, weil Gott die Bundesbeziehung zu ihnen nicht aufgekündigt hat, sondern erneuert.

Der Autor

Pater Daniel Hörnemann OSBPater Daniel Hörnemann OSB ist Subprior der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

Auf dem Weg braucht es Zeitpunkte des Innehaltens, heilige Tage, die heilend wirken, Feste, um sich daran festzumachen. Ängste und Sorgen sollen weichen, Vertrauen und Hoffnung einkehren, denn „die Freude am Herrn ist eure Stärke“. Das geschenkte Gotteswort ist Grund zur Feier, es berührt nicht nur Herz und Hirn der Zuhörer, sondern lässt sie auch die Gaben der Schöpfung miteinander teilen und gemeinsam Speise und Trank genießen. Alle sollen daran Anteil haben.

Eine positive Grundstimmung soll Einzug halten. Sie lässt sich aber nicht verordnen und ist auch nicht zu verwechseln mit „Spaß haben“. In der Wendezeit des 5. Jahrhunderts vor Christus kehrt Israel heim aus dem Exil. Es gewinnt nach tiefer Erniedrigung ein neues Selbstbewusstsein, nach dem Verlust der Lebensenergie neue positive Lebenskraft. Mag der Wiederaufbau der Ruinen noch so viel Zeit und Mühe kosten, er schweißt die Leute zusammen, die sich gemeinsam dieser riesigen Aufgabe annehmen. Zum äußeren Wiederaufbau gehört der innere. Nur wenn man mit dem Herzen und in positiver Grundstimmung dabei ist, kann das Werk gelingen. Das soll sich nicht irgendwann ereignen, sondern „heute“. Esra wie später Jesus sprechen vom Hier und Jetzt.

 

Neues Leben in der Gemeinde

 

Die Gabe des Gotteswortes schafft neues Leben, das sich in der Gemeinschaft entfalten soll. Dabei ist wie in der Gemeinde von Korinth (vgl. 2. Lesung) jeder gefordert. Die Gemeinschaft ist wie ein Leib mit seinen verschiedenen Gaben, die alle unentbehrlich sind, so gering und unscheinbar sie erscheinen mögen. Gottes Gabe ist für alle gedacht.

Das erste Auftreten des menschgewordenen Gotteswortes verlegt Lukas in die Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth. Er will Jesus darstellen als umfassenden Heilsbringer, der die Menschen von materieller, seelischer und körperlicher Armut befreit. Nach seinem eigenen Bekunden hat sich die Sehnsucht der Vorzeit in ihm nun erfüllt. Jetzt ist die Stunde!

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) finden Sie hier.

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