Pater Daniel Hörnemann über Licht für dunkle Orte der Seele

Auslegung der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A)

 Sebulon und Naftali - sowohl in der ersten Lesung als auch im Evangelium tauchen diese beiden Orte auf. Der Grund dafür liegt buchstäblich im Dunkeln, das Pater Daniel Hörnemann mit seiner Schriftauslegung zu erhellen weiß.

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 Sebulon und Naftali - sowohl in der ersten Lesung als auch im Evangelium tauchen diese beiden Orte auf. Der Grund dafür liegt buchstäblich im Dunkeln, das Pater Daniel Hörnemann mit seiner Schriftauslegung zu erhellen weiß.

Ehemalige DDR-Bürger erinnern sich vielleicht an den Kalauer: „Wo ist der Sozialismus zu Hause?“ Antwort: „Zwischen Elend und Sorge.“ So heißen wirklich zwei Dörfer im Oberharz. Sie liegen nur zehn Kilometer auseinander an der idyllischen Harzquerbahn.

Die Namen künden von kargen Zeiten. Das Begriffspaar aus dem Schwarzwald „Höllental“ und „Himmelreich“ wirkt da schon wie ein Aufwärtstrend zum Positiven. Reisende empfanden das „Höllental“ als so schauerlich, dass man den Ausgang in die lichte Ebene „Himmelreich“ nannte. „Sodom und Gomorra“ stehen im Mittelpunkt einer biblischen Erzählung. Die Deutung der Namen klingt unheilvoll: Sodom heißt „gebrannt“, Gomorra „versinken“.

Die Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) zum Hören finden Sie hier.

Die beiden in der Jesaja-Lesung und im Matthäus-Evangelium genannten Stämme Sebulon und Naftali bilden ein weiteres Namenspaar mit Unheilsgeschichte. Diese Regionen gingen bei der Eroberung des Nordreichs Israel durch die Assyrer im Jahre 733 v. Chr. als erste unter. Die bittere Erinnerung daran blieb. Jesaja verhieß in dies Dunkel das Aufleuchten eines hellen Lichtes. Hier herrscht eine ganz eigene Erfahrung von Dunkelheit, eine einmalige Finsternis.

 

Ein einmaliges Wort in der Bibel

 

Nur an dieser einzigen Stelle (Jes 8,23) verwendet die Bibel eine besonderes hebräisches Wort für das Dunkel und setzt ein ähnlich klingendes daneben für „Drangsal“ und „Not“. Damit charakterisiert sie, dass Leid immer einmalig und unvergleichlich ist und nicht durch den Vergleich mit anderen Negativerfahrungen relativiert werden darf. Die Bevölkerung Galiläas wurde zwar durch die Assyrer deportiert, dieser Nacht ihrer Leidensgeschichte soll jedoch ein Ende gesetzt werden.

Es ist wie eine Neuschöpfung, daher greift Jesaja zu den aus der Schöpfungserzählung bekannten Worten „Licht“ über der „Finsternis“. Zum Schöpfungshandeln Gottes kommt sein Geschichtshandeln hinzu: Es ist wie die Rettung aus aussichtsloser Lage damals in Midian oder beim Exodus aus Ägypten.

Wieso setzt Jesus ausgerechnet im „Galiläa der Heiden“ den Anfang seiner öffentlichen Tätigkeit? Damit eröffnet er einen neuen Horizont, weltweit. Dort ruft er das Reich Gottes aus und heilt Kranke. Zudem beruft er von dort zwei Brüderpaare in seine Nachfolge. Hier beginnt der von Exegeten so bezeichnete „galiläische Frühling“. Jesus verließ seine Heimatstadt Nazareth und ließ sich in der Stadt am See nieder. Kafarnaum ist jedoch nur eine Station, der umherziehende Prediger und Heiler bleibt nirgends lange sesshaft.

 

Auch Jesus galt als unrein

 

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann.
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

In Galiläa erinnert er an die uralten Verheißungen des Jesaja, die man in der von Fremdmächten besetzten Region doch nur für irreführende Phantastereien halten konnte. Nach den Assyrern nahmen die Griechen, schließlich die Römer Galiläa in Besitz. Die eigene Identität ging verloren, Galiläa galt den rechtgläubigen Juden als „unrein“ und „heidnisch“.

Jesus wurde mit dem Schimpfwort „Galiläer“ belegt und mit der Spottfrage bedacht, was denn aus Nazareth wohl Gutes kommen könne. Er aber erfüllt die Jesaja-Verheißung „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht.“ Das hat programmatische Bedeutung: Das künftige Heil ist offen nicht nur für die Juden, sondern für alle Menschen.

 

Orte auf der Seelenlandkarte

 

Wo „Sebulon“, „Naftali“ und „Kafar­naum“ auf der geographischen Karte liegen, ist zweitrangig. Sie können für Orte auf der persönlichen Seelenlandkarte stehen: für Seelenbrachen, für Glaubensverlust angesichts unerfüllter Versprechen, für Vorurteile und Abstempelung, für den Blick zurück im Zorn oder in Trauer, für das Gefangensein in unerlöster Vergangenheit, für Gottverlassenheit und einen scheinbar verschlossenen Himmel.

Nicht umsonst setzt Jesus hier, wo gar nichts mehr zu gehen scheint, einen Neuaufbruch. Er stellt die vom Rand in den Mittelpunkt. Die als Erste ihre religiöse Identität verloren haben und ins Exil gerieten, sie sollen die Ersten sein, die befreit werden. Sie hören die knappe Botschaft: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“

Es ist, als ob Jesus in die Fußstapfen des Johannes tritt und statt seiner den Ruf zum Wandel ins Land trägt. Mit einem weiteren Ruf bringt er Menschen auf seine Seite, weil er in ihnen mehr sieht, als was sie gerade tun: „Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ Hier gewinnt der Meister seine ersten Lehrlinge, die sich sofort auf seine Botschaft einlassen. Mit ihm ist das Licht Gottes endgültig aufgegangen für alle, die im Todesdunkel sitzen. Und keine Macht der Welt kann es wieder zum Erlöschen bringen.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 3. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr A) finden Sie hier.

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